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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Erinnerung daran, auf so etwas, das in der
ersten Bewegung gesagt worden, dürfe man
so sehr nicht achten. Ja freylich, antworte¬
te ich mit angenommener Kälte, und fühlte
der Himmel weiß was und wieviel dabey.

Narciß blieb zwey Monate krank, konn¬
te wegen der Wunde an der rechten Hand
nicht einmal schreiben, bezeigte mir aber in¬
zwischen sein Andenken durch die verbindlich¬
ste Aufmerksamkeit. Alle diese mehr als ge¬
wöhnliche Höflichkeiten hielt ich mit dem,
was ich von der Mutter erfahren hatte, zu¬
sammen, und beständig war mein Kopf vol¬
ler Grillen. Die ganze Stadt unterhielt
sich von der Begebenheit. Man sprach mit
mir davon in einem besondern Tone, man
zog Folgerungen daraus, die, so sehr ich sie
abzulehnen suchte, mir immer sehr nahe gin¬
gen. Was vorher Tändeley und Gewohn¬
heit gewesen war, ward nun Ernst und Nei¬

Erinnerung daran, auf ſo etwas, das in der
erſten Bewegung geſagt worden, dürfe man
ſo ſehr nicht achten. Ja freylich, antworte¬
te ich mit angenommener Kälte, und fühlte
der Himmel weiß was und wieviel dabey.

Narciß blieb zwey Monate krank, konn¬
te wegen der Wunde an der rechten Hand
nicht einmal ſchreiben, bezeigte mir aber in¬
zwiſchen ſein Andenken durch die verbindlich¬
ſte Aufmerkſamkeit. Alle dieſe mehr als ge¬
wöhnliche Höflichkeiten hielt ich mit dem,
was ich von der Mutter erfahren hatte, zu¬
ſammen, und beſtändig war mein Kopf vol¬
ler Grillen. Die ganze Stadt unterhielt
ſich von der Begebenheit. Man ſprach mit
mir davon in einem beſondern Tone, man
zog Folgerungen daraus, die, ſo ſehr ich ſie
abzulehnen ſuchte, mir immer ſehr nahe gin¬
gen. Was vorher Tändeley und Gewohn¬
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[238/0244] Erinnerung daran, auf ſo etwas, das in der erſten Bewegung geſagt worden, dürfe man ſo ſehr nicht achten. Ja freylich, antworte¬ te ich mit angenommener Kälte, und fühlte der Himmel weiß was und wieviel dabey. Narciß blieb zwey Monate krank, konn¬ te wegen der Wunde an der rechten Hand nicht einmal ſchreiben, bezeigte mir aber in¬ zwiſchen ſein Andenken durch die verbindlich¬ ſte Aufmerkſamkeit. Alle dieſe mehr als ge¬ wöhnliche Höflichkeiten hielt ich mit dem, was ich von der Mutter erfahren hatte, zu¬ ſammen, und beſtändig war mein Kopf vol¬ ler Grillen. Die ganze Stadt unterhielt ſich von der Begebenheit. Man ſprach mit mir davon in einem beſondern Tone, man zog Folgerungen daraus, die, ſo ſehr ich ſie abzulehnen ſuchte, mir immer ſehr nahe gin¬ gen. Was vorher Tändeley und Gewohn¬ heit geweſen war, ward nun Ernſt und Nei¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/244>, abgerufen am 26.04.2024.