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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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XV.
Durchgewachsene Rose.
§. 103.

ALLES was wir bisher nur mit der Einbildungs-
kraft und dem Verstande zu ergreifen gesucht,
zeigt uns das Beyspiel einer durchgewachsenen
Rose auf das deutlichste. Kelch und Krone sind
um die Axe geordnet und entwickelt, anstatt
aber, dass nun im Centro das Samenbehältniss
zusammengezogen, an demselben und um dasselbe die
männlichen und weiblichen Zeugungstheile geordnet
seyn sollten, begiebt sich der Stiel halb röthlich
halb grünlich wieder in die Höhe; kleinere dunkel-
rothe zusammengefaltete Kronenblätter, deren
einige die Spur der Antheren an sich tragen,
entwickeln sich successiv an demselben. Der Stiel
wächst fort, schon lassen sich daran wieder Dornen
sehn, die folgenden einzelnen gefärbten Blätter
werden kleiner und gehen zulezt vor unsern
Augen in halb roth halb grün gefärbte Stengelblätter


XV.
Durchgewachſene Roſe.
§. 103.

ALLES was wir bisher nur mit der Einbildungs-
kraft und dem Verſtande zu ergreifen geſucht,
zeigt uns das Beyſpiel einer durchgewachſenen
Roſe auf das deutlichſte. Kelch und Krone ſind
um die Axe geordnet und entwickelt, anſtatt
aber, daſs nun im Centro das Samenbehältniſs
zuſammengezogen, an demſelben und um daſſelbe die
männlichen und weiblichen Zeugungstheile geordnet
ſeyn ſollten, begiebt ſich der Stiel halb röthlich
halb grünlich wieder in die Höhe; kleinere dunkel-
rothe zuſammengefaltete Kronenblätter, deren
einige die Spur der Antheren an ſich tragen,
entwickeln ſich ſucceſſiv an demſelben. Der Stiel
wächſt fort, ſchon laſſen ſich daran wieder Dornen
ſehn, die folgenden einzelnen gefärbten Blätter
werden kleiner und gehen zulezt vor unſern
Augen in halb roth halb grün gefärbte Stengelblätter

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[69/0084] XV. Durchgewachſene Roſe. §. 103. ALLES was wir bisher nur mit der Einbildungs- kraft und dem Verſtande zu ergreifen geſucht, zeigt uns das Beyſpiel einer durchgewachſenen Roſe auf das deutlichſte. Kelch und Krone ſind um die Axe geordnet und entwickelt, anſtatt aber, daſs nun im Centro das Samenbehältniſs zuſammengezogen, an demſelben und um daſſelbe die männlichen und weiblichen Zeugungstheile geordnet ſeyn ſollten, begiebt ſich der Stiel halb röthlich halb grünlich wieder in die Höhe; kleinere dunkel- rothe zuſammengefaltete Kronenblätter, deren einige die Spur der Antheren an ſich tragen, entwickeln ſich ſucceſſiv an demſelben. Der Stiel wächſt fort, ſchon laſſen ſich daran wieder Dornen ſehn, die folgenden einzelnen gefärbten Blätter werden kleiner und gehen zulezt vor unſern Augen in halb roth halb grün gefärbte Stengelblätter

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/84>, abgerufen am 28.04.2024.