Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.Indessen kann ich mir den frommen Wie wahr fand Ottilie diese Bemerkung! Indeſſen kann ich mir den frommen Wie wahr fand Ottilie dieſe Bemerkung! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0141" n="138"/> <p>Indeſſen kann ich mir den frommen<lb/> Wunſch nicht verſagen, da ich mich einmal<lb/> dieſem Geſchaͤft gewidmet habe, daß es mir<lb/> dereinſt in Geſellſchaft einer treuen Gehuͤlfinn<lb/> gelingen moͤge, an meinen Zoͤglingen dasjenige<lb/> rein auszubilden was ſie beduͤrfen, wenn ſie<lb/> in das Feld eigener Thaͤtigkeit und Selbſtaͤn¬<lb/> digkeit hinuͤberſchreiten; daß ich mir ſagen<lb/> koͤnnte: in dieſem Sinne iſt an ihnen die<lb/> Erziehung vollendet. Freylich ſchließt ſich<lb/> eine andre immer wieder an, die bey¬<lb/> nahe mit jedem Jahre unſers Lebens, wo<lb/> nicht von uns ſelbſt, doch von den Umſtaͤnden<lb/> veranlaßt wird.</p><lb/> <p>Wie wahr fand Ottilie dieſe Bemerkung!<lb/> Was hatte nicht eine ungeahndete Leiden¬<lb/> ſchaft im vergangenen Jahr an ihr erzogen!<lb/> was ſah ſie nicht alles fuͤr Pruͤfungen vor ſich<lb/> ſchweben, wenn ſie nur aufs naͤchſte, aufs<lb/> naͤchſt kuͤnftige hinblickte!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [138/0141]
Indeſſen kann ich mir den frommen
Wunſch nicht verſagen, da ich mich einmal
dieſem Geſchaͤft gewidmet habe, daß es mir
dereinſt in Geſellſchaft einer treuen Gehuͤlfinn
gelingen moͤge, an meinen Zoͤglingen dasjenige
rein auszubilden was ſie beduͤrfen, wenn ſie
in das Feld eigener Thaͤtigkeit und Selbſtaͤn¬
digkeit hinuͤberſchreiten; daß ich mir ſagen
koͤnnte: in dieſem Sinne iſt an ihnen die
Erziehung vollendet. Freylich ſchließt ſich
eine andre immer wieder an, die bey¬
nahe mit jedem Jahre unſers Lebens, wo
nicht von uns ſelbſt, doch von den Umſtaͤnden
veranlaßt wird.
Wie wahr fand Ottilie dieſe Bemerkung!
Was hatte nicht eine ungeahndete Leiden¬
ſchaft im vergangenen Jahr an ihr erzogen!
was ſah ſie nicht alles fuͤr Pruͤfungen vor ſich
ſchweben, wenn ſie nur aufs naͤchſte, aufs
naͤchſt kuͤnftige hinblickte!
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/141>, abgerufen am 17.06.2024. |