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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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so gern mit ihm wirkte; aber sein eigentliches
Talent konnte er schon einige Zeit nicht mehr
mit Behaglichkeit ausüben. Denn ob er
gleich alles was die Baum- und Küchengärt¬
nerey betraf, auch die Erfordernisse eines äl¬
teren Ziergartens, vollkommen zu leisten ver¬
stand -- wie denn überhaupt einem vor dem
andern dieses oder jenes gelingt -- ob er
schon in Behandlung der Orangerie, der Blu¬
menzwiebeln, der Nelken- und Aurikelnstöcke,
die Natur selbst hätte herausfordern können:
so waren ihm doch die neuen Zierbäume und
Modeblumen einigermaßen fremd geblieben,
und er hatte vor dem unendlichen Felde der
Botanik, das sich nach der Zeit aufthat, und
den darin herumsummenden fremden Namen,
eine Art von Scheu, die ihn verdrießlich
machte. Was die Herrschaft voriges Jahr
zu verschreiben angefangen, hielt er um so
mehr für unnützen Aufwand und Verschwen¬
dung, als er gar manche kostbare Pflanze
ausgehen sah, und mit den Handelsgärtnern

ſo gern mit ihm wirkte; aber ſein eigentliches
Talent konnte er ſchon einige Zeit nicht mehr
mit Behaglichkeit ausuͤben. Denn ob er
gleich alles was die Baum- und Kuͤchengaͤrt¬
nerey betraf, auch die Erforderniſſe eines aͤl¬
teren Ziergartens, vollkommen zu leiſten ver¬
ſtand — wie denn uͤberhaupt einem vor dem
andern dieſes oder jenes gelingt — ob er
ſchon in Behandlung der Orangerie, der Blu¬
menzwiebeln, der Nelken- und Aurikelnſtoͤcke,
die Natur ſelbſt haͤtte herausfordern koͤnnen:
ſo waren ihm doch die neuen Zierbaͤume und
Modeblumen einigermaßen fremd geblieben,
und er hatte vor dem unendlichen Felde der
Botanik, das ſich nach der Zeit aufthat, und
den darin herumſummenden fremden Namen,
eine Art von Scheu, die ihn verdrießlich
machte. Was die Herrſchaft voriges Jahr
zu verſchreiben angefangen, hielt er um ſo
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[170/0173] ſo gern mit ihm wirkte; aber ſein eigentliches Talent konnte er ſchon einige Zeit nicht mehr mit Behaglichkeit ausuͤben. Denn ob er gleich alles was die Baum- und Kuͤchengaͤrt¬ nerey betraf, auch die Erforderniſſe eines aͤl¬ teren Ziergartens, vollkommen zu leiſten ver¬ ſtand — wie denn uͤberhaupt einem vor dem andern dieſes oder jenes gelingt — ob er ſchon in Behandlung der Orangerie, der Blu¬ menzwiebeln, der Nelken- und Aurikelnſtoͤcke, die Natur ſelbſt haͤtte herausfordern koͤnnen: ſo waren ihm doch die neuen Zierbaͤume und Modeblumen einigermaßen fremd geblieben, und er hatte vor dem unendlichen Felde der Botanik, das ſich nach der Zeit aufthat, und den darin herumſummenden fremden Namen, eine Art von Scheu, die ihn verdrießlich machte. Was die Herrſchaft voriges Jahr zu verſchreiben angefangen, hielt er um ſo mehr fuͤr unnuͤtzen Aufwand und Verſchwen¬ dung, als er gar manche koſtbare Pflanze ausgehen ſah, und mit den Handelsgaͤrtnern

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/173>, abgerufen am 29.04.2024.