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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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ich des Glüks werth sey, mit Jhnen verwandt zu
seyn. O! sagte sie, mit einem leichtfertigen Lächeln-
unsere Vetterschaft ist sehr weitläuftig, und es wä-
re mir leid, wenn sie der Schlimmste drunter seyn
sollten. Jm Gehen gab sie Sophien, der ältsten
Schwester nach ihr, einem Mädchen von ohnge-
fähr eilf Jahren, den Auftrag, wohl auf die Klei-
nen Acht zu haben, und den Papa zu grüssen,
wenn er vom Spazierritte zurükkäme. Den Klei-
nen sagte sie, sie sollten ihrer Schwester Sophie
folgen, als wenn sie's selbst wäre, das denn auch
einige ausdrüklich versprachen. Eine kleine nas-
weise Blondine aber, von ohngefähr sechs Jahren,
sagte: du bist's doch nicht, Lottchen! wir haben
dich doch lieber. Die zwey ältsten der Knaben
waren hinten auf die Kutsche geklettert, und auf
mein Vorbitten erlaubte sie ihnen, bis vor den
Wald mit zu fahren, wenn sie versprächen, sich
nicht zu necken, und sich recht fest zu halten.

Wir hatten uns kaum zurecht gesezt, die
Frauenzimmer sich bewillkommt, wechselsweis über
den Anzug und vorzüglich die Hütchen ihre An-
merkungen gemacht, und die Gesellschaft, die man

zu



ich des Gluͤks werth ſey, mit Jhnen verwandt zu
ſeyn. O! ſagte ſie, mit einem leichtfertigen Laͤcheln-
unſere Vetterſchaft iſt ſehr weitlaͤuftig, und es waͤ-
re mir leid, wenn ſie der Schlimmſte drunter ſeyn
ſollten. Jm Gehen gab ſie Sophien, der aͤltſten
Schweſter nach ihr, einem Maͤdchen von ohnge-
faͤhr eilf Jahren, den Auftrag, wohl auf die Klei-
nen Acht zu haben, und den Papa zu gruͤſſen,
wenn er vom Spazierritte zuruͤkkaͤme. Den Klei-
nen ſagte ſie, ſie ſollten ihrer Schweſter Sophie
folgen, als wenn ſie’s ſelbſt waͤre, das denn auch
einige ausdruͤklich verſprachen. Eine kleine nas-
weiſe Blondine aber, von ohngefaͤhr ſechs Jahren,
ſagte: du biſt’s doch nicht, Lottchen! wir haben
dich doch lieber. Die zwey aͤltſten der Knaben
waren hinten auf die Kutſche geklettert, und auf
mein Vorbitten erlaubte ſie ihnen, bis vor den
Wald mit zu fahren, wenn ſie verſpraͤchen, ſich
nicht zu necken, und ſich recht feſt zu halten.

Wir hatten uns kaum zurecht geſezt, die
Frauenzimmer ſich bewillkommt, wechſelsweis uͤber
den Anzug und vorzuͤglich die Huͤtchen ihre An-
merkungen gemacht, und die Geſellſchaft, die man

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[32/0032] ich des Gluͤks werth ſey, mit Jhnen verwandt zu ſeyn. O! ſagte ſie, mit einem leichtfertigen Laͤcheln- unſere Vetterſchaft iſt ſehr weitlaͤuftig, und es waͤ- re mir leid, wenn ſie der Schlimmſte drunter ſeyn ſollten. Jm Gehen gab ſie Sophien, der aͤltſten Schweſter nach ihr, einem Maͤdchen von ohnge- faͤhr eilf Jahren, den Auftrag, wohl auf die Klei- nen Acht zu haben, und den Papa zu gruͤſſen, wenn er vom Spazierritte zuruͤkkaͤme. Den Klei- nen ſagte ſie, ſie ſollten ihrer Schweſter Sophie folgen, als wenn ſie’s ſelbſt waͤre, das denn auch einige ausdruͤklich verſprachen. Eine kleine nas- weiſe Blondine aber, von ohngefaͤhr ſechs Jahren, ſagte: du biſt’s doch nicht, Lottchen! wir haben dich doch lieber. Die zwey aͤltſten der Knaben waren hinten auf die Kutſche geklettert, und auf mein Vorbitten erlaubte ſie ihnen, bis vor den Wald mit zu fahren, wenn ſie verſpraͤchen, ſich nicht zu necken, und ſich recht feſt zu halten. Wir hatten uns kaum zurecht geſezt, die Frauenzimmer ſich bewillkommt, wechſelsweis uͤber den Anzug und vorzuͤglich die Huͤtchen ihre An- merkungen gemacht, und die Geſellſchaft, die man zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/32>, abgerufen am 26.04.2024.