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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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und, kein Bindwörtchen sonst darf aussenbleiben,
und von allen Jnversionen die mir manchmal entfah-
ren, ist er ein Todtfeind. Wenn man seinen Pe-
riod nicht nach der hergebrachten Melodie herab-
orgelt; so versteht er gar nichts drinne. Das ist
ein Leiden, mit so einem Menschen zu thun zu
haben.

Das Vertrauen des Grafen von C.. ist noch
das einzige, was mich schadlos hält. Er sagte
mir lezthin ganz aufrichtig: wie unzufrieden er
über die Langsamkeit und Bedenklichkeit meines
Gesandten sey. Die Leute erschweren sich's und
andern. Doch, sagt er, man muß sich darein re-
signiren, wie ein Reisender, der über einen Berg
muß. Freylich! wär der Berg nicht da, wäre der
Weg viel bequemer und kürzer, er ist nun aber
da! und es soll drüber! --

Mein Alter spürt auch wohl den Vorzug,
den mir der Graf vor ihm giebt, und das ärgert
ihn, und er ergreift jede Gelegenheit, übels gegen
mich vom Grafen zu reden, ich halte, wie natür-
lich, Widerpart, und dadurch wird die Sache nur
schlimmer. Gestern gar bracht er mich auf, denn

ich
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und, kein Bindwoͤrtchen ſonſt darf auſſenbleiben,
und von allen Jnverſionen die mir manchmal entfah-
ren, iſt er ein Todtfeind. Wenn man ſeinen Pe-
riod nicht nach der hergebrachten Melodie herab-
orgelt; ſo verſteht er gar nichts drinne. Das iſt
ein Leiden, mit ſo einem Menſchen zu thun zu
haben.

Das Vertrauen des Grafen von C.. iſt noch
das einzige, was mich ſchadlos haͤlt. Er ſagte
mir lezthin ganz aufrichtig: wie unzufrieden er
uͤber die Langſamkeit und Bedenklichkeit meines
Geſandten ſey. Die Leute erſchweren ſich’s und
andern. Doch, ſagt er, man muß ſich darein re-
ſigniren, wie ein Reiſender, der uͤber einen Berg
muß. Freylich! waͤr der Berg nicht da, waͤre der
Weg viel bequemer und kuͤrzer, er iſt nun aber
da! und es ſoll druͤber! —

Mein Alter ſpuͤrt auch wohl den Vorzug,
den mir der Graf vor ihm giebt, und das aͤrgert
ihn, und er ergreift jede Gelegenheit, uͤbels gegen
mich vom Grafen zu reden, ich halte, wie natuͤr-
lich, Widerpart, und dadurch wird die Sache nur
ſchlimmer. Geſtern gar bracht er mich auf, denn

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[119/0007] und, kein Bindwoͤrtchen ſonſt darf auſſenbleiben, und von allen Jnverſionen die mir manchmal entfah- ren, iſt er ein Todtfeind. Wenn man ſeinen Pe- riod nicht nach der hergebrachten Melodie herab- orgelt; ſo verſteht er gar nichts drinne. Das iſt ein Leiden, mit ſo einem Menſchen zu thun zu haben. Das Vertrauen des Grafen von C.. iſt noch das einzige, was mich ſchadlos haͤlt. Er ſagte mir lezthin ganz aufrichtig: wie unzufrieden er uͤber die Langſamkeit und Bedenklichkeit meines Geſandten ſey. Die Leute erſchweren ſich’s und andern. Doch, ſagt er, man muß ſich darein re- ſigniren, wie ein Reiſender, der uͤber einen Berg muß. Freylich! waͤr der Berg nicht da, waͤre der Weg viel bequemer und kuͤrzer, er iſt nun aber da! und es ſoll druͤber! — Mein Alter ſpuͤrt auch wohl den Vorzug, den mir der Graf vor ihm giebt, und das aͤrgert ihn, und er ergreift jede Gelegenheit, uͤbels gegen mich vom Grafen zu reden, ich halte, wie natuͤr- lich, Widerpart, und dadurch wird die Sache nur ſchlimmer. Geſtern gar bracht er mich auf, denn ich H 4

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/7>, abgerufen am 28.04.2024.