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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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oder Mutter nach der Arzney Zuckerstücken
nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor
Ekel sich brechen wollten. Sehen das die
Kinder einmal an den Aeltern, so ist alles
verloren. Ich rathe daher allen zärtlichen
Müttern, denen der Abscheu vor Arzeneyen
natürlich ist, daß sie ja solchen vor den Kin-
dern nicht merken, und sie daher lieber nicht
zusehen lassen, wenn sie was einnehmen.

Je mehr nun der Verstand bey dieser me-
chanischen Gewohnheit zunimmt, und sie die
Absicht und den Nutzen der Sache einsehen
lernen; desto weniger scheuen sie sich vor dem
Einnehmen. Ist aber diese Gewohnheit nicht
von Kindheit auf da, so mag der Verstand
nachher sprechen was er will; es wird ih-
nen Zeitlebens der Ekel und Abscheu vor dem
Einnehmen natürlich bleiben.

Dorchen, ein Kind von fünf Jahren,
kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,

und

oder Mutter nach der Arzney Zuckerſtuͤcken
nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor
Ekel ſich brechen wollten. Sehen das die
Kinder einmal an den Aeltern, ſo iſt alles
verloren. Ich rathe daher allen zaͤrtlichen
Muͤttern, denen der Abſcheu vor Arzeneyen
natuͤrlich iſt, daß ſie ja ſolchen vor den Kin-
dern nicht merken, und ſie daher lieber nicht
zuſehen laſſen, wenn ſie was einnehmen.

Je mehr nun der Verſtand bey dieſer me-
chaniſchen Gewohnheit zunimmt, und ſie die
Abſicht und den Nutzen der Sache einſehen
lernen; deſto weniger ſcheuen ſie ſich vor dem
Einnehmen. Iſt aber dieſe Gewohnheit nicht
von Kindheit auf da, ſo mag der Verſtand
nachher ſprechen was er will; es wird ih-
nen Zeitlebens der Ekel und Abſcheu vor dem
Einnehmen natuͤrlich bleiben.

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kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,

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[74/0096] oder Mutter nach der Arzney Zuckerſtuͤcken nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor Ekel ſich brechen wollten. Sehen das die Kinder einmal an den Aeltern, ſo iſt alles verloren. Ich rathe daher allen zaͤrtlichen Muͤttern, denen der Abſcheu vor Arzeneyen natuͤrlich iſt, daß ſie ja ſolchen vor den Kin- dern nicht merken, und ſie daher lieber nicht zuſehen laſſen, wenn ſie was einnehmen. Je mehr nun der Verſtand bey dieſer me- chaniſchen Gewohnheit zunimmt, und ſie die Abſicht und den Nutzen der Sache einſehen lernen; deſto weniger ſcheuen ſie ſich vor dem Einnehmen. Iſt aber dieſe Gewohnheit nicht von Kindheit auf da, ſo mag der Verſtand nachher ſprechen was er will; es wird ih- nen Zeitlebens der Ekel und Abſcheu vor dem Einnehmen natuͤrlich bleiben. Dorchen, ein Kind von fuͤnf Jahren, kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte, und

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Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/96>, abgerufen am 28.04.2024.