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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
würd' ich jetzt nicht von Hungerleidern über-
laufen.
Sternberg (mit edler Hitze.) Herr Vetter, hal-
ten Sie mich auf, um Beleidigungen zu hören?
Gerhard. Er ist auch verdammt empfind-
lich. Das unschuldigste Wort zieht Er gleich auf
sich! -- Nein, das Zeugniß muß ich Ihm und
seiner Mutter Felicitas geben: Ihr seyd nie dar-
auf ausgegangen, mich zu nutzen. Sie war
überhaupt von ihren Schwestern verschieden, wie
Tag und Nacht.
(Sich nach und nach ereifernd.)
-- Aber daß sie mich erst ihren Eheprozeß mit
schweren Kosten bis zur Scheidung bringen ließ,
und dann doch wieder dem Schuft vom Manne
nachlief, der's ihr endlich - - -
Sternberg (bittend.) Herr Vetter -- (Drückt
Justinen verstohlen die Hand; sie trocknet sich die Augen.)
Gerhard (fortfahrend.) Endlich noch mit
Noth und Spott gelohnt hat -- nein, das kann
ich ihr auch unter der Erde nicht vergeben.
Sternberg. Sie haben mir so oft verspro-
chen, diese Saite nicht mehr zu berühren.
Gerhard (gutmüthig.) Ja doch, ja. -- Warum
muß man Ihm aber auch sein Glück aufnöthigen?
Sternberg. Wohlan, Ihr Wille ist der
Die Erbſchleicher.
wuͤrd’ ich jetzt nicht von Hungerleidern uͤber-
laufen.
Sternberg (mit edler Hitze.) Herr Vetter, hal-
ten Sie mich auf, um Beleidigungen zu hoͤren?
Gerhard. Er iſt auch verdammt empfind-
lich. Das unſchuldigſte Wort zieht Er gleich auf
ſich! — Nein, das Zeugniß muß ich Ihm und
ſeiner Mutter Felicitas geben: Ihr ſeyd nie dar-
auf ausgegangen, mich zu nutzen. Sie war
uͤberhaupt von ihren Schweſtern verſchieden, wie
Tag und Nacht.
(Sich nach und nach ereifernd.)
— Aber daß ſie mich erſt ihren Eheprozeß mit
ſchweren Koſten bis zur Scheidung bringen ließ,
und dann doch wieder dem Schuft vom Manne
nachlief, der’s ihr endlich - - -
Sternberg (bittend.) Herr Vetter — (Drückt
Juſtinen verſtohlen die Hand; ſie trocknet ſich die Augen.)
Gerhard (fortfahrend.) Endlich noch mit
Noth und Spott gelohnt hat — nein, das kann
ich ihr auch unter der Erde nicht vergeben.
Sternberg. Sie haben mir ſo oft verſpro-
chen, dieſe Saite nicht mehr zu beruͤhren.
Gerhard (gutmüthig.) Ja doch, ja. — Warum
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Sternberg. Wohlan, Ihr Wille iſt der
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[100/0106] Die Erbſchleicher. wuͤrd’ ich jetzt nicht von Hungerleidern uͤber- laufen. Sternberg (mit edler Hitze.) Herr Vetter, hal- ten Sie mich auf, um Beleidigungen zu hoͤren? Gerhard. Er iſt auch verdammt empfind- lich. Das unſchuldigſte Wort zieht Er gleich auf ſich! — Nein, das Zeugniß muß ich Ihm und ſeiner Mutter Felicitas geben: Ihr ſeyd nie dar- auf ausgegangen, mich zu nutzen. Sie war uͤberhaupt von ihren Schweſtern verſchieden, wie Tag und Nacht. (Sich nach und nach ereifernd.) — Aber daß ſie mich erſt ihren Eheprozeß mit ſchweren Koſten bis zur Scheidung bringen ließ, und dann doch wieder dem Schuft vom Manne nachlief, der’s ihr endlich - - - Sternberg (bittend.) Herr Vetter — (Drückt Juſtinen verſtohlen die Hand; ſie trocknet ſich die Augen.) Gerhard (fortfahrend.) Endlich noch mit Noth und Spott gelohnt hat — nein, das kann ich ihr auch unter der Erde nicht vergeben. Sternberg. Sie haben mir ſo oft verſpro- chen, dieſe Saite nicht mehr zu beruͤhren. Gerhard (gutmüthig.) Ja doch, ja. — Warum muß man Ihm aber auch ſein Gluͤck aufnoͤthigen? Sternberg. Wohlan, Ihr Wille iſt der

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/106>, abgerufen am 05.05.2024.