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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
mir immer einen Stich ans Herz. Wenn ich ei-
nen Komödienzettel sehe, hab' ich die Augen voll
Wasser; und wenn mich des Winters das Rollen
der Kutschen aus dem ersten Schlafe weckt, und
meine Kammer vom Wiederschein der Fackeln in
lauter Feuer steht, ach da stell ich mir die Glück-
lichen vor, die zu Musik und Tanz fahren -- und
werfe mich seufzend in meinem Bettchen herum,
und kann vor Sehnsucht und Grillen nicht wieder
einschlafen!
Justine. Armes Kind!
Therese (mit steigender Lebhaftigkeit.) Aber nun
will ich mich schadlos halten. Nun werd' ich ei-
ne reiche Frau! Nun rühr' ich keine Hand mehr
an, als am Putztische, und sorge für nichts, als
für Zeitvertreib.
(Aeußerst geschwinde) Frühstücke,
Diners, Assembleen, Soupees, Konzerte, Komö-
dien, Bälle, Schlittenfahrten, Landpartien, eins
soll das andere jagen.
Justine. Das ist recht.
Therese. Aber wir wollen uns nicht mit Ge-
fälligkeit ängstigen, Papachen. Sind Sie krank,
so bleiben Sie zu Hause. Schläfern Sie, so ge-
hen Sie schlafen.
Justine. Das ist vernünftig!
Die Erbſchleicher.
mir immer einen Stich ans Herz. Wenn ich ei-
nen Komoͤdienzettel ſehe, hab’ ich die Augen voll
Waſſer; und wenn mich des Winters das Rollen
der Kutſchen aus dem erſten Schlafe weckt, und
meine Kammer vom Wiederſchein der Fackeln in
lauter Feuer ſteht, ach da ſtell ich mir die Gluͤck-
lichen vor, die zu Muſik und Tanz fahren — und
werfe mich ſeufzend in meinem Bettchen herum,
und kann vor Sehnſucht und Grillen nicht wieder
einſchlafen!
Juſtine. Armes Kind!
Thereſe (mit ſteigender Lebhaftigkeit.) Aber nun
will ich mich ſchadlos halten. Nun werd’ ich ei-
ne reiche Frau! Nun ruͤhr’ ich keine Hand mehr
an, als am Putztiſche, und ſorge fuͤr nichts, als
fuͤr Zeitvertreib.
(Aeußerſt geſchwinde) Fruͤhſtuͤcke,
Diners, Aſſembleen, Soupees, Konzerte, Komoͤ-
dien, Baͤlle, Schlittenfahrten, Landpartien, eins
ſoll das andere jagen.
Juſtine. Das iſt recht.
Thereſe. Aber wir wollen uns nicht mit Ge-
faͤlligkeit aͤngſtigen, Papachen. Sind Sie krank,
ſo bleiben Sie zu Hauſe. Schlaͤfern Sie, ſo ge-
hen Sie ſchlafen.
Juſtine. Das iſt vernuͤnftig!
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[60/0066] Die Erbſchleicher. mir immer einen Stich ans Herz. Wenn ich ei- nen Komoͤdienzettel ſehe, hab’ ich die Augen voll Waſſer; und wenn mich des Winters das Rollen der Kutſchen aus dem erſten Schlafe weckt, und meine Kammer vom Wiederſchein der Fackeln in lauter Feuer ſteht, ach da ſtell ich mir die Gluͤck- lichen vor, die zu Muſik und Tanz fahren — und werfe mich ſeufzend in meinem Bettchen herum, und kann vor Sehnſucht und Grillen nicht wieder einſchlafen! Juſtine. Armes Kind! Thereſe (mit ſteigender Lebhaftigkeit.) Aber nun will ich mich ſchadlos halten. Nun werd’ ich ei- ne reiche Frau! Nun ruͤhr’ ich keine Hand mehr an, als am Putztiſche, und ſorge fuͤr nichts, als fuͤr Zeitvertreib. (Aeußerſt geſchwinde) Fruͤhſtuͤcke, Diners, Aſſembleen, Soupees, Konzerte, Komoͤ- dien, Baͤlle, Schlittenfahrten, Landpartien, eins ſoll das andere jagen. Juſtine. Das iſt recht. Thereſe. Aber wir wollen uns nicht mit Ge- faͤlligkeit aͤngſtigen, Papachen. Sind Sie krank, ſo bleiben Sie zu Hauſe. Schlaͤfern Sie, ſo ge- hen Sie ſchlafen. Juſtine. Das iſt vernuͤnftig!

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/66>, abgerufen am 27.04.2024.