Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ruhe gehabt, war der nächtliche Ritt zuwider, sie sträubten sich gegen neues Satteln und Zäumen, die Junker mußten selbst dazu sehen und ihre selbsteigene Autorität gebrauchen. Dieser unterzogen sich denn auch die Thiere, wenn auch mißmuthig, ließen sich aus dem Loche ziehen, wenn auch langsam, als ob sie bei jedem Beine, welches sie heben sollten, erst überdächten, ob sie eigentlich wollten, oder ob sie nicht wollten.

Solothurn, die uralte Stadt, war von je hoch berühmt wegen vielen Dingen, berühmt wegen Fabrication von Schwefelholz und Vogelkräzen, wegen Gottseligkeit und Frömmigkeit, wegen Fastenspeisen und Lustigkeit, wegen Treuherzigkeit und Behaglichkeit. Essen that man, was man hatte, und je besser, desto lieber, trinken ebenso, und wenn man im Zweifel stand, ob man hinreichend habe für sich, begehrte man keinen fremden Gast; die Erfahrung hatte sie zu der Erkenntniß gebracht, daß bloß Selbstessen fett mache. Man fastete dort nie länger, als man mußte; hatte man selbst nichts, suchte man was anderwärts, am liebsten was Gutes; Fasttage liebte man mehr als Arbeitstage, und bei hinreichenden Schnecken zu dienlichem Sauerkraut, ellenlangen Forellen, tellergroßen Fröschen und Krebsen wie alte Katzen hätte man sich eine Verlängerung der Osterfasten gefallen lassen.

Fraubrunnen war ein junges Frauenkloster, lag in der Mitte zwischen Bern und Solothurn, drei

Ruhe gehabt, war der nächtliche Ritt zuwider, sie sträubten sich gegen neues Satteln und Zäumen, die Junker mußten selbst dazu sehen und ihre selbsteigene Autorität gebrauchen. Dieser unterzogen sich denn auch die Thiere, wenn auch mißmuthig, ließen sich aus dem Loche ziehen, wenn auch langsam, als ob sie bei jedem Beine, welches sie heben sollten, erst überdächten, ob sie eigentlich wollten, oder ob sie nicht wollten.

Solothurn, die uralte Stadt, war von je hoch berühmt wegen vielen Dingen, berühmt wegen Fabrication von Schwefelholz und Vogelkräzen, wegen Gottseligkeit und Frömmigkeit, wegen Fastenspeisen und Lustigkeit, wegen Treuherzigkeit und Behaglichkeit. Essen that man, was man hatte, und je besser, desto lieber, trinken ebenso, und wenn man im Zweifel stand, ob man hinreichend habe für sich, begehrte man keinen fremden Gast; die Erfahrung hatte sie zu der Erkenntniß gebracht, daß bloß Selbstessen fett mache. Man fastete dort nie länger, als man mußte; hatte man selbst nichts, suchte man was anderwärts, am liebsten was Gutes; Fasttage liebte man mehr als Arbeitstage, und bei hinreichenden Schnecken zu dienlichem Sauerkraut, ellenlangen Forellen, tellergroßen Fröschen und Krebsen wie alte Katzen hätte man sich eine Verlängerung der Osterfasten gefallen lassen.

Fraubrunnen war ein junges Frauenkloster, lag in der Mitte zwischen Bern und Solothurn, drei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0157"/>
Ruhe gehabt, war der nächtliche Ritt zuwider, sie sträubten sich gegen neues                     Satteln und Zäumen, die Junker mußten selbst dazu sehen und ihre selbsteigene                     Autorität gebrauchen. Dieser unterzogen sich denn auch die Thiere, wenn auch                     mißmuthig, ließen sich aus dem Loche ziehen, wenn auch langsam, als ob sie bei                     jedem Beine, welches sie heben sollten, erst überdächten, ob sie eigentlich                     wollten, oder ob sie nicht wollten.</p><lb/>
        <p>Solothurn, die uralte Stadt, war von je hoch berühmt wegen vielen Dingen, berühmt                     wegen Fabrication von Schwefelholz und Vogelkräzen, wegen Gottseligkeit und                     Frömmigkeit, wegen Fastenspeisen und Lustigkeit, wegen Treuherzigkeit und                     Behaglichkeit. Essen that man, was man hatte, und je besser, desto lieber,                     trinken ebenso, und wenn man im Zweifel stand, ob man hinreichend habe für sich,                     begehrte man keinen fremden Gast; die Erfahrung hatte sie zu der Erkenntniß                     gebracht, daß bloß Selbstessen fett mache. Man fastete dort nie länger, als man                     mußte; hatte man selbst nichts, suchte man was anderwärts, am liebsten was                     Gutes; Fasttage liebte man mehr als Arbeitstage, und bei hinreichenden Schnecken                     zu dienlichem Sauerkraut, ellenlangen Forellen, tellergroßen Fröschen und                     Krebsen wie alte Katzen hätte man sich eine Verlängerung der Osterfasten                     gefallen lassen.</p><lb/>
        <p>Fraubrunnen war ein junges Frauenkloster, lag in der Mitte zwischen Bern und                     Solothurn, drei<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] Ruhe gehabt, war der nächtliche Ritt zuwider, sie sträubten sich gegen neues Satteln und Zäumen, die Junker mußten selbst dazu sehen und ihre selbsteigene Autorität gebrauchen. Dieser unterzogen sich denn auch die Thiere, wenn auch mißmuthig, ließen sich aus dem Loche ziehen, wenn auch langsam, als ob sie bei jedem Beine, welches sie heben sollten, erst überdächten, ob sie eigentlich wollten, oder ob sie nicht wollten. Solothurn, die uralte Stadt, war von je hoch berühmt wegen vielen Dingen, berühmt wegen Fabrication von Schwefelholz und Vogelkräzen, wegen Gottseligkeit und Frömmigkeit, wegen Fastenspeisen und Lustigkeit, wegen Treuherzigkeit und Behaglichkeit. Essen that man, was man hatte, und je besser, desto lieber, trinken ebenso, und wenn man im Zweifel stand, ob man hinreichend habe für sich, begehrte man keinen fremden Gast; die Erfahrung hatte sie zu der Erkenntniß gebracht, daß bloß Selbstessen fett mache. Man fastete dort nie länger, als man mußte; hatte man selbst nichts, suchte man was anderwärts, am liebsten was Gutes; Fasttage liebte man mehr als Arbeitstage, und bei hinreichenden Schnecken zu dienlichem Sauerkraut, ellenlangen Forellen, tellergroßen Fröschen und Krebsen wie alte Katzen hätte man sich eine Verlängerung der Osterfasten gefallen lassen. Fraubrunnen war ein junges Frauenkloster, lag in der Mitte zwischen Bern und Solothurn, drei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/157
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/157>, abgerufen am 27.04.2024.