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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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beim Warten fast erfroren war, trefflich erquicken. Dann ging's unter manchem Stolpern den jähen Berg ab durchs sumpfige Thal hinauf in den schauerlichen Altisberg, in dem verirrte Römer schlummern sollen den Tag über und Nachts den Weg suchen nach dem schönen Lande Italien hin, ohne ihn finden zu können. Suchen und immer suchen zu müssen, ohne je finden zu können, ist schauerlich. Allen ward es unheimlich, und dichtgedrängt ritten sie; die Römer ließen sie in Ruhe, sie kamen glücklich aus dem Walde, glücklich über die Brücke des trügerischen Moosbachs, Limpach genannt, wahrscheinlich Lehmbach ursprünglich, da hier Lehm und Lehmart überall die Hauptrolle spielt in den Aeckern und in den Herzen. Im freien Lande schwand das Bangen, und rascher ging es dem sich nahenden Ziele zu; seltsam glühte der Nebel, es war, als wenn der Straße entlang derselbe zu Gestalten sich geballt, welche lautlos hielten und gleichsam Spalier bildeten, nie Soldaten an der Straße, durch welche der König zur Messe schreitet. Plötzlich fährt ein gellender Pfiff durch den Nebel, fährt Mann und Roß durch Mark und Bein, lebendig wird der Nebel, wilde Gestalten zu Fuß und zu Roß werfen sich von allen Seiten über den Zug, werfen die Reitenden von den Rossen, ehe sie sich aus den warmen Gewändern gewickelt, die Waffen blank gemacht, oder die Pferde gewendet, das Heil in der Flucht gesucht. Wenigen gelang diese, fast der ganze Zug war zusammengeworfen, ehe man ein

beim Warten fast erfroren war, trefflich erquicken. Dann ging's unter manchem Stolpern den jähen Berg ab durchs sumpfige Thal hinauf in den schauerlichen Altisberg, in dem verirrte Römer schlummern sollen den Tag über und Nachts den Weg suchen nach dem schönen Lande Italien hin, ohne ihn finden zu können. Suchen und immer suchen zu müssen, ohne je finden zu können, ist schauerlich. Allen ward es unheimlich, und dichtgedrängt ritten sie; die Römer ließen sie in Ruhe, sie kamen glücklich aus dem Walde, glücklich über die Brücke des trügerischen Moosbachs, Limpach genannt, wahrscheinlich Lehmbach ursprünglich, da hier Lehm und Lehmart überall die Hauptrolle spielt in den Aeckern und in den Herzen. Im freien Lande schwand das Bangen, und rascher ging es dem sich nahenden Ziele zu; seltsam glühte der Nebel, es war, als wenn der Straße entlang derselbe zu Gestalten sich geballt, welche lautlos hielten und gleichsam Spalier bildeten, nie Soldaten an der Straße, durch welche der König zur Messe schreitet. Plötzlich fährt ein gellender Pfiff durch den Nebel, fährt Mann und Roß durch Mark und Bein, lebendig wird der Nebel, wilde Gestalten zu Fuß und zu Roß werfen sich von allen Seiten über den Zug, werfen die Reitenden von den Rossen, ehe sie sich aus den warmen Gewändern gewickelt, die Waffen blank gemacht, oder die Pferde gewendet, das Heil in der Flucht gesucht. Wenigen gelang diese, fast der ganze Zug war zusammengeworfen, ehe man ein

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beim Warten fast erfroren war, trefflich                     erquicken. Dann ging's unter manchem Stolpern den jähen Berg ab durchs sumpfige                     Thal hinauf in den schauerlichen Altisberg, in dem verirrte Römer schlummern                     sollen den Tag über und Nachts den Weg suchen nach dem schönen Lande Italien                     hin, ohne ihn finden zu können. Suchen und immer suchen zu müssen, ohne je                     finden zu können, ist schauerlich. Allen ward es unheimlich, und dichtgedrängt                     ritten sie; die Römer ließen sie in Ruhe, sie kamen glücklich aus dem Walde,                     glücklich über die Brücke des trügerischen Moosbachs, Limpach genannt,                     wahrscheinlich Lehmbach ursprünglich, da hier Lehm und Lehmart überall die                     Hauptrolle spielt in den Aeckern und in den Herzen. Im freien Lande schwand das                     Bangen, und rascher ging es dem sich nahenden Ziele zu; seltsam glühte der                     Nebel, es war, als wenn der Straße entlang derselbe zu Gestalten sich geballt,                     welche lautlos hielten und gleichsam Spalier bildeten, nie Soldaten an der                     Straße, durch welche der König zur Messe schreitet. Plötzlich fährt ein                     gellender Pfiff durch den Nebel, fährt Mann und Roß durch Mark und Bein,                     lebendig wird der Nebel, wilde Gestalten zu Fuß und zu Roß werfen sich von allen                     Seiten über den Zug, werfen die Reitenden von den Rossen, ehe sie sich aus den                     warmen Gewändern gewickelt, die Waffen blank gemacht, oder die Pferde gewendet,                     das Heil in der Flucht gesucht. Wenigen gelang diese, fast der ganze Zug war                     zusammengeworfen, ehe man ein<lb/></p>
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[0163] beim Warten fast erfroren war, trefflich erquicken. Dann ging's unter manchem Stolpern den jähen Berg ab durchs sumpfige Thal hinauf in den schauerlichen Altisberg, in dem verirrte Römer schlummern sollen den Tag über und Nachts den Weg suchen nach dem schönen Lande Italien hin, ohne ihn finden zu können. Suchen und immer suchen zu müssen, ohne je finden zu können, ist schauerlich. Allen ward es unheimlich, und dichtgedrängt ritten sie; die Römer ließen sie in Ruhe, sie kamen glücklich aus dem Walde, glücklich über die Brücke des trügerischen Moosbachs, Limpach genannt, wahrscheinlich Lehmbach ursprünglich, da hier Lehm und Lehmart überall die Hauptrolle spielt in den Aeckern und in den Herzen. Im freien Lande schwand das Bangen, und rascher ging es dem sich nahenden Ziele zu; seltsam glühte der Nebel, es war, als wenn der Straße entlang derselbe zu Gestalten sich geballt, welche lautlos hielten und gleichsam Spalier bildeten, nie Soldaten an der Straße, durch welche der König zur Messe schreitet. Plötzlich fährt ein gellender Pfiff durch den Nebel, fährt Mann und Roß durch Mark und Bein, lebendig wird der Nebel, wilde Gestalten zu Fuß und zu Roß werfen sich von allen Seiten über den Zug, werfen die Reitenden von den Rossen, ehe sie sich aus den warmen Gewändern gewickelt, die Waffen blank gemacht, oder die Pferde gewendet, das Heil in der Flucht gesucht. Wenigen gelang diese, fast der ganze Zug war zusammengeworfen, ehe man ein

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/163>, abgerufen am 28.04.2024.