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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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beiden Stücken allein mochte seine Religion bestanden haben. Im Walde herrschte ein schauriges unsichtbares Leben; über den Eichen schwirrte mit ihrem gräulichen Rufe die Wiggle, es rauschte in den Büschen, wilde Schweine schnauften vorüber, hungrige Wölfe heulten durch die Nacht, jagende Füchse kläfften langsam und furchtsam hier und dort. Kurt achtete nicht darauf, es waren ihm gewohnte Dinge; an irgend einen Fang dachte er nicht, er war zu abgespannt dazu. Matt und vorsichtig schritt sein Hengst durch den Wald, seit ihn die Sporen nicht mehr trieben; er hatte einen gar zu strengen Tag gehabt. Auf einmal begann er unruhig zu werden, warf hoch auf den Kopf, drängte zur Seite, schnoberte gar wunderlich in die Nacht hinein, zuckte zusammen mit dem ganzen Leibe, weckte Kurt, daß er achtsam ward, fest in den Sattel sich setzte und mit Kunst und Gewalt das Roß zusammennahm und vorwärts drängte. Anfangs glaubte Kurt ein wildes Thier in der Nähe, vor welchem das Roß scheute; aber von einem solchen war nichts zu merken, es erfolgte kein Angriff, er hörte kein verdächtiges Geräusch, und doch je weiter er in den Wald hineinkam, desto heftiger schlotterte das Roß, drängte rückwärts, bäumte sich, drehte sich rundum auf den Hinterbeinen. So Etwas hatte Kurt nie erlebt; er brachte sein Roß mit Angst und Noth hinaus bis auf den Platz, in dessen Mitte der Bachtelenbrunnen quillt, und ward dabei selbst angesteckt von des Rosses Angst und Beben.

beiden Stücken allein mochte seine Religion bestanden haben. Im Walde herrschte ein schauriges unsichtbares Leben; über den Eichen schwirrte mit ihrem gräulichen Rufe die Wiggle, es rauschte in den Büschen, wilde Schweine schnauften vorüber, hungrige Wölfe heulten durch die Nacht, jagende Füchse kläfften langsam und furchtsam hier und dort. Kurt achtete nicht darauf, es waren ihm gewohnte Dinge; an irgend einen Fang dachte er nicht, er war zu abgespannt dazu. Matt und vorsichtig schritt sein Hengst durch den Wald, seit ihn die Sporen nicht mehr trieben; er hatte einen gar zu strengen Tag gehabt. Auf einmal begann er unruhig zu werden, warf hoch auf den Kopf, drängte zur Seite, schnoberte gar wunderlich in die Nacht hinein, zuckte zusammen mit dem ganzen Leibe, weckte Kurt, daß er achtsam ward, fest in den Sattel sich setzte und mit Kunst und Gewalt das Roß zusammennahm und vorwärts drängte. Anfangs glaubte Kurt ein wildes Thier in der Nähe, vor welchem das Roß scheute; aber von einem solchen war nichts zu merken, es erfolgte kein Angriff, er hörte kein verdächtiges Geräusch, und doch je weiter er in den Wald hineinkam, desto heftiger schlotterte das Roß, drängte rückwärts, bäumte sich, drehte sich rundum auf den Hinterbeinen. So Etwas hatte Kurt nie erlebt; er brachte sein Roß mit Angst und Noth hinaus bis auf den Platz, in dessen Mitte der Bachtelenbrunnen quillt, und ward dabei selbst angesteckt von des Rosses Angst und Beben.

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[0169] beiden Stücken allein mochte seine Religion bestanden haben. Im Walde herrschte ein schauriges unsichtbares Leben; über den Eichen schwirrte mit ihrem gräulichen Rufe die Wiggle, es rauschte in den Büschen, wilde Schweine schnauften vorüber, hungrige Wölfe heulten durch die Nacht, jagende Füchse kläfften langsam und furchtsam hier und dort. Kurt achtete nicht darauf, es waren ihm gewohnte Dinge; an irgend einen Fang dachte er nicht, er war zu abgespannt dazu. Matt und vorsichtig schritt sein Hengst durch den Wald, seit ihn die Sporen nicht mehr trieben; er hatte einen gar zu strengen Tag gehabt. Auf einmal begann er unruhig zu werden, warf hoch auf den Kopf, drängte zur Seite, schnoberte gar wunderlich in die Nacht hinein, zuckte zusammen mit dem ganzen Leibe, weckte Kurt, daß er achtsam ward, fest in den Sattel sich setzte und mit Kunst und Gewalt das Roß zusammennahm und vorwärts drängte. Anfangs glaubte Kurt ein wildes Thier in der Nähe, vor welchem das Roß scheute; aber von einem solchen war nichts zu merken, es erfolgte kein Angriff, er hörte kein verdächtiges Geräusch, und doch je weiter er in den Wald hineinkam, desto heftiger schlotterte das Roß, drängte rückwärts, bäumte sich, drehte sich rundum auf den Hinterbeinen. So Etwas hatte Kurt nie erlebt; er brachte sein Roß mit Angst und Noth hinaus bis auf den Platz, in dessen Mitte der Bachtelenbrunnen quillt, und ward dabei selbst angesteckt von des Rosses Angst und Beben.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/169>, abgerufen am 28.04.2024.