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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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suchten Pfeile wieder, welche nicht getroffen, lachten sich aus und balgten sich, thaten übermüthig oder schämten sich, je nach dem Erfolge ihrer Thaten. Gewild war beständig in ihrem Gesichtskreise. Es war nicht wie jetzt, wo man drei Tage wandern muß, ehe man ein Eichhörnchen sieht oder einen Häher, und sieben Tage, ehe man die Spuren eines Hasen findet, der vor acht Tagen da durchgelaufen. Wie man jetzt bei jedem Schritt auf Kinder und Bettler stößt, traf man damals bei jedem Schritte auf Thiere: Thiere waren auf den Bäumen, sie liefen im Felde, sie wimmelten in den Sümpfen, des großen Heerlagers des Waldes nicht zu gedenken. Der Vater schritt gedankenvoll weiter, näher und näher dem Brunnen zu, mischte sich in die kleinen Fehden der Jungen nicht, aber wenn einer einen guten Schuß gethan auf einen Reiher im Sumpf oder ein Eichhörnchen, das neugierig seine Nase hinter einem Baumstamme hervorstreckte, flog es hell über sein Gesicht, und ein gutes Wort kriegte der Junge. Noch waren die Eichen nicht belaubt, die selten sich findenden Buchen rötheten sich in den Besten, wie Mädchen in der ersten Liebe, es grünte im niedern Gebüsche, mit kläglichem Geschrei trieben eifersüchtige Häher sich in den Eichen herum, in süßem Verlangen ruggete und girrte eine zärtliche Taube von hoher Tanne her, in stiller, zarter Liebe hüpften die kleinen Vögel durch das niedere Gezweige, und schwarze Amseln koseten süß und schossen dann rasch über den Boden

suchten Pfeile wieder, welche nicht getroffen, lachten sich aus und balgten sich, thaten übermüthig oder schämten sich, je nach dem Erfolge ihrer Thaten. Gewild war beständig in ihrem Gesichtskreise. Es war nicht wie jetzt, wo man drei Tage wandern muß, ehe man ein Eichhörnchen sieht oder einen Häher, und sieben Tage, ehe man die Spuren eines Hasen findet, der vor acht Tagen da durchgelaufen. Wie man jetzt bei jedem Schritt auf Kinder und Bettler stößt, traf man damals bei jedem Schritte auf Thiere: Thiere waren auf den Bäumen, sie liefen im Felde, sie wimmelten in den Sümpfen, des großen Heerlagers des Waldes nicht zu gedenken. Der Vater schritt gedankenvoll weiter, näher und näher dem Brunnen zu, mischte sich in die kleinen Fehden der Jungen nicht, aber wenn einer einen guten Schuß gethan auf einen Reiher im Sumpf oder ein Eichhörnchen, das neugierig seine Nase hinter einem Baumstamme hervorstreckte, flog es hell über sein Gesicht, und ein gutes Wort kriegte der Junge. Noch waren die Eichen nicht belaubt, die selten sich findenden Buchen rötheten sich in den Besten, wie Mädchen in der ersten Liebe, es grünte im niedern Gebüsche, mit kläglichem Geschrei trieben eifersüchtige Häher sich in den Eichen herum, in süßem Verlangen ruggete und girrte eine zärtliche Taube von hoher Tanne her, in stiller, zarter Liebe hüpften die kleinen Vögel durch das niedere Gezweige, und schwarze Amseln koseten süß und schossen dann rasch über den Boden

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[0191] suchten Pfeile wieder, welche nicht getroffen, lachten sich aus und balgten sich, thaten übermüthig oder schämten sich, je nach dem Erfolge ihrer Thaten. Gewild war beständig in ihrem Gesichtskreise. Es war nicht wie jetzt, wo man drei Tage wandern muß, ehe man ein Eichhörnchen sieht oder einen Häher, und sieben Tage, ehe man die Spuren eines Hasen findet, der vor acht Tagen da durchgelaufen. Wie man jetzt bei jedem Schritt auf Kinder und Bettler stößt, traf man damals bei jedem Schritte auf Thiere: Thiere waren auf den Bäumen, sie liefen im Felde, sie wimmelten in den Sümpfen, des großen Heerlagers des Waldes nicht zu gedenken. Der Vater schritt gedankenvoll weiter, näher und näher dem Brunnen zu, mischte sich in die kleinen Fehden der Jungen nicht, aber wenn einer einen guten Schuß gethan auf einen Reiher im Sumpf oder ein Eichhörnchen, das neugierig seine Nase hinter einem Baumstamme hervorstreckte, flog es hell über sein Gesicht, und ein gutes Wort kriegte der Junge. Noch waren die Eichen nicht belaubt, die selten sich findenden Buchen rötheten sich in den Besten, wie Mädchen in der ersten Liebe, es grünte im niedern Gebüsche, mit kläglichem Geschrei trieben eifersüchtige Häher sich in den Eichen herum, in süßem Verlangen ruggete und girrte eine zärtliche Taube von hoher Tanne her, in stiller, zarter Liebe hüpften die kleinen Vögel durch das niedere Gezweige, und schwarze Amseln koseten süß und schossen dann rasch über den Boden

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/191>, abgerufen am 28.04.2024.