Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

"Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, ras¬
selnd in schwerer Rüstung, fast sieben Schuh hoch, mit
rothen Augenbraunen fast fingerslang. Sein graues
Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte
sein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬
sam schienen in seiner Bärenbrunst. Da nahm der
Müller sein Herz in beide Hände, stellte sich ihm unter
das Gesicht und bat mit demüthigen Geberden gar
dringlich: daß der hohe Herr ihm doch gestatten möchte,
zu Hause zu bleiben mit noch Einigen, zu schwellen
an der Emme, sonst gehe Haus und Hof zu Grunde.
Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg fast
so breit wie der Schloßweg; schon regne es warm
über die Berge und Schwelle sei keine mehr, wie der
Freiherr selbst gesehen. Wie er so geredet, schlug mit
eisernem Handschuh der Ritter den Müller aufs Maul,
und donnerte die Worte ihm zu: "Wohl, die Steine
magst du lassen, aber die Bären hilfst du treiben; die
Steine fährst du morgen; die Mühle ist mein, und
was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht."
Der Müller wollte noch einmal ansetzen zur Rede,
aber der Ritter, schon zu Roß, schlug ihn auf den
Kopf mit der Eisenfaust, trieb ihn mit bäumendem
Rosse zum Thore hinaus, und voran durch den schmel¬
zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit
altem Buchenlaube wischte der Müller sein blutend
Gesicht ab, aber sein wuthblutendes Herz konnte er
mit keinem Laube abwischen.

"Rasch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬
ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war;
rasch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach.
Als sie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit
außen auf der Egg, fand sich die Bärenspur und

„Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, raſ¬
ſelnd in ſchwerer Rüſtung, faſt ſieben Schuh hoch, mit
rothen Augenbraunen faſt fingerslang. Sein graues
Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte
ſein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬
ſam ſchienen in ſeiner Bärenbrunſt. Da nahm der
Müller ſein Herz in beide Hände, ſtellte ſich ihm unter
das Geſicht und bat mit demüthigen Geberden gar
dringlich: daß der hohe Herr ihm doch geſtatten möchte,
zu Hauſe zu bleiben mit noch Einigen, zu ſchwellen
an der Emme, ſonſt gehe Haus und Hof zu Grunde.
Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg faſt
ſo breit wie der Schloßweg; ſchon regne es warm
über die Berge und Schwelle ſei keine mehr, wie der
Freiherr ſelbſt geſehen. Wie er ſo geredet, ſchlug mit
eiſernem Handſchuh der Ritter den Müller aufs Maul,
und donnerte die Worte ihm zu: „Wohl, die Steine
magſt du laſſen, aber die Bären hilfſt du treiben; die
Steine fährſt du morgen; die Mühle iſt mein, und
was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht.“
Der Müller wollte noch einmal anſetzen zur Rede,
aber der Ritter, ſchon zu Roß, ſchlug ihn auf den
Kopf mit der Eiſenfauſt, trieb ihn mit bäumendem
Roſſe zum Thore hinaus, und voran durch den ſchmel¬
zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit
altem Buchenlaube wiſchte der Müller ſein blutend
Geſicht ab, aber ſein wuthblutendes Herz konnte er
mit keinem Laube abwiſchen.

„Raſch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬
ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war;
raſch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach.
Als ſie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit
außen auf der Egg, fand ſich die Bärenſpur und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0137" n="127"/>
        <p>&#x201E;Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, ra&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;elnd in &#x017F;chwerer Rü&#x017F;tung, fa&#x017F;t &#x017F;ieben Schuh hoch, mit<lb/>
rothen Augenbraunen fa&#x017F;t fingerslang. Sein graues<lb/>
Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte<lb/>
&#x017F;ein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬<lb/>
&#x017F;am &#x017F;chienen in &#x017F;einer Bärenbrun&#x017F;t. Da nahm der<lb/>
Müller &#x017F;ein Herz in beide Hände, &#x017F;tellte &#x017F;ich ihm unter<lb/>
das Ge&#x017F;icht und bat mit demüthigen Geberden gar<lb/>
dringlich: daß der hohe Herr ihm doch ge&#x017F;tatten möchte,<lb/>
zu Hau&#x017F;e zu bleiben mit noch Einigen, zu &#x017F;chwellen<lb/>
an der Emme, &#x017F;on&#x017F;t gehe Haus und Hof zu Grunde.<lb/>
Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o breit wie der Schloßweg; &#x017F;chon regne es warm<lb/>
über die Berge und Schwelle &#x017F;ei keine mehr, wie der<lb/>
Freiherr &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen. Wie er &#x017F;o geredet, &#x017F;chlug mit<lb/>
ei&#x017F;ernem Hand&#x017F;chuh der Ritter den Müller aufs Maul,<lb/>
und donnerte die Worte ihm zu: &#x201E;Wohl, die Steine<lb/>
mag&#x017F;t du la&#x017F;&#x017F;en, aber die Bären hilf&#x017F;t du treiben; die<lb/>
Steine fähr&#x017F;t du morgen; die Mühle i&#x017F;t mein, und<lb/>
was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht.&#x201C;<lb/>
Der Müller wollte noch einmal an&#x017F;etzen zur Rede,<lb/>
aber der Ritter, &#x017F;chon zu Roß, &#x017F;chlug ihn auf den<lb/>
Kopf mit der Ei&#x017F;enfau&#x017F;t, trieb ihn mit bäumendem<lb/>
Ro&#x017F;&#x017F;e zum Thore hinaus, und voran durch den &#x017F;chmel¬<lb/>
zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit<lb/>
altem Buchenlaube wi&#x017F;chte der Müller &#x017F;ein blutend<lb/>
Ge&#x017F;icht ab, aber &#x017F;ein wuthblutendes Herz konnte er<lb/>
mit keinem Laube abwi&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ra&#x017F;ch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬<lb/>
ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war;<lb/>
ra&#x017F;ch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach.<lb/>
Als &#x017F;ie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit<lb/>
außen auf der Egg, fand &#x017F;ich die Bären&#x017F;pur und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0137] „Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, raſ¬ ſelnd in ſchwerer Rüſtung, faſt ſieben Schuh hoch, mit rothen Augenbraunen faſt fingerslang. Sein graues Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte ſein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬ ſam ſchienen in ſeiner Bärenbrunſt. Da nahm der Müller ſein Herz in beide Hände, ſtellte ſich ihm unter das Geſicht und bat mit demüthigen Geberden gar dringlich: daß der hohe Herr ihm doch geſtatten möchte, zu Hauſe zu bleiben mit noch Einigen, zu ſchwellen an der Emme, ſonſt gehe Haus und Hof zu Grunde. Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg faſt ſo breit wie der Schloßweg; ſchon regne es warm über die Berge und Schwelle ſei keine mehr, wie der Freiherr ſelbſt geſehen. Wie er ſo geredet, ſchlug mit eiſernem Handſchuh der Ritter den Müller aufs Maul, und donnerte die Worte ihm zu: „Wohl, die Steine magſt du laſſen, aber die Bären hilfſt du treiben; die Steine fährſt du morgen; die Mühle iſt mein, und was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht.“ Der Müller wollte noch einmal anſetzen zur Rede, aber der Ritter, ſchon zu Roß, ſchlug ihn auf den Kopf mit der Eiſenfauſt, trieb ihn mit bäumendem Roſſe zum Thore hinaus, und voran durch den ſchmel¬ zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit altem Buchenlaube wiſchte der Müller ſein blutend Geſicht ab, aber ſein wuthblutendes Herz konnte er mit keinem Laube abwiſchen. „Raſch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬ ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war; raſch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach. Als ſie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit außen auf der Egg, fand ſich die Bärenſpur und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/137
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/137>, abgerufen am 12.05.2024.