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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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knechtlein das Recht zu haben meint, gesessene Bauren
verachten zu können und verhöhnen zu dürfen.

"Endlich wurden sie in den Rittersaal entboten; vor
ihnen öffnete sich die schwere Thüre; drinnen saßen um
den schweren Eichentisch die schwarzbraunen Ritter, wilde
Hunde zu ihren Füßen, und obenan der von Stoffeln,
ein wilder mächtiger Mann, der einen Kopf hatte wie
ein doppelt Bernmäß, Augen machte wie Pflugsräder,
und einen Bart hatte wie eine alte Löwenmähne. Kei¬
ner ging gerne zuerst hinein, einer stieß den andern vor;
da lachten die Ritter, daß der Wein über die Humpen
spritzte und wüthend stürzten die Hunde vor; denn wenn
diese zitternde, zagende Glieder sehen, so meinen sie,
dieselben gehören einem zu jagenden Wilde. Den Bauren
aber ward nicht gut zu Muthe, es dünkte sie, wenn sie
nur wieder daheim wären und einer drückte sich hinter
den andern. Als endlich Hunde und Ritter schwiegen,
erhob der von Stoffeln seine Stimme und sie tönte wie
aus einer hundertjährigen Eiche. "Mein Schloß ist fer¬
tig, doch noch eins fehlt, der Sommer kömmt und dro¬
ben ist kein Schattengang. In Zeit eines Monates sollt
ihr mir einen pflanzen, sollt einhundert ausgewachsene
Buchen nehmen aus dem Münneberg, mit Aesten und
Wurzeln, und sollt sie mir pflanzen auf Bärhegen und
wenn eine einzige Buche fehlt, so büßt ihr mir es mit
Gut und Blut. Drunten steht Trunk und Imbiß, aber
morgen soll die erste Buche auf Bärhegen stehn." Als
von Trunk und Imbiß einer hörte, meinte er, der Ritter
sei gnädig und gut gelaunt, und begann zu reden von
ihrer nothwendigen Arbeit und dem Hunger von Weib
und Kind und vom Winter, wo die Sache besser zu
machen wäre. Da begann der Zorn des Ritters Kopf
größer und größer zu schwellen und seine Stimme brach

knechtlein das Recht zu haben meint, geſeſſene Bauren
verachten zu können und verhöhnen zu dürfen.

„Endlich wurden ſie in den Ritterſaal entboten; vor
ihnen öffnete ſich die ſchwere Thüre; drinnen ſaßen um
den ſchweren Eichentiſch die ſchwarzbraunen Ritter, wilde
Hunde zu ihren Füßen, und obenan der von Stoffeln,
ein wilder mächtiger Mann, der einen Kopf hatte wie
ein doppelt Bernmäß, Augen machte wie Pflugsräder,
und einen Bart hatte wie eine alte Löwenmähne. Kei¬
ner ging gerne zuerſt hinein, einer ſtieß den andern vor;
da lachten die Ritter, daß der Wein über die Humpen
ſpritzte und wüthend ſtürzten die Hunde vor; denn wenn
dieſe zitternde, zagende Glieder ſehen, ſo meinen ſie,
dieſelben gehören einem zu jagenden Wilde. Den Bauren
aber ward nicht gut zu Muthe, es dünkte ſie, wenn ſie
nur wieder daheim wären und einer drückte ſich hinter
den andern. Als endlich Hunde und Ritter ſchwiegen,
erhob der von Stoffeln ſeine Stimme und ſie tönte wie
aus einer hundertjährigen Eiche. „Mein Schloß iſt fer¬
tig, doch noch eins fehlt, der Sommer kömmt und dro¬
ben iſt kein Schattengang. In Zeit eines Monates ſollt
ihr mir einen pflanzen, ſollt einhundert ausgewachſene
Buchen nehmen aus dem Münneberg, mit Aeſten und
Wurzeln, und ſollt ſie mir pflanzen auf Bärhegen und
wenn eine einzige Buche fehlt, ſo büßt ihr mir es mit
Gut und Blut. Drunten ſteht Trunk und Imbiß, aber
morgen ſoll die erſte Buche auf Bärhegen ſtehn.“ Als
von Trunk und Imbiß einer hörte, meinte er, der Ritter
ſei gnädig und gut gelaunt, und begann zu reden von
ihrer nothwendigen Arbeit und dem Hunger von Weib
und Kind und vom Winter, wo die Sache beſſer zu
machen wäre. Da begann der Zorn des Ritters Kopf
größer und größer zu ſchwellen und ſeine Stimme brach

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[29/0039] knechtlein das Recht zu haben meint, geſeſſene Bauren verachten zu können und verhöhnen zu dürfen. „Endlich wurden ſie in den Ritterſaal entboten; vor ihnen öffnete ſich die ſchwere Thüre; drinnen ſaßen um den ſchweren Eichentiſch die ſchwarzbraunen Ritter, wilde Hunde zu ihren Füßen, und obenan der von Stoffeln, ein wilder mächtiger Mann, der einen Kopf hatte wie ein doppelt Bernmäß, Augen machte wie Pflugsräder, und einen Bart hatte wie eine alte Löwenmähne. Kei¬ ner ging gerne zuerſt hinein, einer ſtieß den andern vor; da lachten die Ritter, daß der Wein über die Humpen ſpritzte und wüthend ſtürzten die Hunde vor; denn wenn dieſe zitternde, zagende Glieder ſehen, ſo meinen ſie, dieſelben gehören einem zu jagenden Wilde. Den Bauren aber ward nicht gut zu Muthe, es dünkte ſie, wenn ſie nur wieder daheim wären und einer drückte ſich hinter den andern. Als endlich Hunde und Ritter ſchwiegen, erhob der von Stoffeln ſeine Stimme und ſie tönte wie aus einer hundertjährigen Eiche. „Mein Schloß iſt fer¬ tig, doch noch eins fehlt, der Sommer kömmt und dro¬ ben iſt kein Schattengang. In Zeit eines Monates ſollt ihr mir einen pflanzen, ſollt einhundert ausgewachſene Buchen nehmen aus dem Münneberg, mit Aeſten und Wurzeln, und ſollt ſie mir pflanzen auf Bärhegen und wenn eine einzige Buche fehlt, ſo büßt ihr mir es mit Gut und Blut. Drunten ſteht Trunk und Imbiß, aber morgen ſoll die erſte Buche auf Bärhegen ſtehn.“ Als von Trunk und Imbiß einer hörte, meinte er, der Ritter ſei gnädig und gut gelaunt, und begann zu reden von ihrer nothwendigen Arbeit und dem Hunger von Weib und Kind und vom Winter, wo die Sache beſſer zu machen wäre. Da begann der Zorn des Ritters Kopf größer und größer zu ſchwellen und ſeine Stimme brach

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/39>, abgerufen am 27.04.2024.