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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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im Fischbein-Rocke.
sullst myne Dochter wohl föhren en den Himmel,
wo de Engel met Külen dantzen. (Zur Frau Glaube-
leichtin:)
Wat meent se wohl Frau Nabern! Eck
schak em myne Dochter en't Huuß, dat he se sall
en der Reelgon enfermeeren; denn eck wöll se op
Ostern tom heilgen Avendmaal nehmen. On de
verflookte Keerl es dem Meeken allerly gottloß Tüg
anmoden. Eck seh! se siht ut! se grient; eck frag
er: Endlich kömmt't herrut, wat Herr Schein-
fromm vor een schöner Herr es. Da sall em de
Düvel der veer halen! Eck wöll'm vor 't Constorien
kriegen; da sall he my en een Loch kruupe, wor em
nicht Sonn nich Maand beschienen sall.
Frau Glaubeleichtin.
Ach liebe Frau Nachbarin! bedenckt doch, was
ihr redet; Herr Scheinfromm ist ein heiliger Mann.
Herr Scheinfromm.
Mein GOtt! du schickst mir diese Versuchung
zu. Jch dancke dir auch dafür!
Frau Seuffzerin.
Seht doch! wie gedultig der fromme Mann bey
seinem Leiden ist. Ach! ihr seyd eine böse Frau!
Frau Zanckenheimin.
Packt euch fort; ehe wir euch die Treppe hin-
unter werffen lassen. Wer weiß, was eure Toch-
ter vor ein Thierchen ist; und mit wem sie sich so
gemein gemacht hat. Jetzo will sie es auf diesen
heiligen Mann schieben.

Frau
im Fiſchbein-Rocke.
ſullſt myne Dochter wohl foͤhren en den Himmel,
wo de Engel met Kuͤlen dantzen. (Zur Frau Glaube-
leichtin:)
Wat meent ſe wohl Frau Nabern! Eck
ſchak em myne Dochter en’t Huuß, dat he ſe ſall
en der Reelgon enfermeeren; denn eck woͤll ſe op
Oſtern tom heilgen Avendmaal nehmen. On de
verflookte Keerl es dem Meeken allerly gottloß Tuͤg
anmoden. Eck ſeh! ſe ſiht ut! ſe grient; eck frag
er: Endlich koͤmmt’t herrut, wat Herr Schein-
fromm vor een ſchoͤner Herr es. Da ſall em de
Duͤvel der veer halen! Eck woͤll’m vor ’t Conſtorien
kriegen; da ſall he my en een Loch kruupe, wor em
nicht Sonn nich Maand beſchienen ſall.
Frau Glaubeleichtin.
Ach liebe Frau Nachbarin! bedenckt doch, was
ihr redet; Herr Scheinfromm iſt ein heiliger Mann.
Herr Scheinfromm.
Mein GOtt! du ſchickſt mir dieſe Verſuchung
zu. Jch dancke dir auch dafuͤr!
Frau Seuffzerin.
Seht doch! wie gedultig der fromme Mann bey
ſeinem Leiden iſt. Ach! ihr ſeyd eine boͤſe Frau!
Frau Zanckenheimin.
Packt euch fort; ehe wir euch die Treppe hin-
unter werffen laſſen. Wer weiß, was eure Toch-
ter vor ein Thierchen iſt; und mit wem ſie ſich ſo
gemein gemacht hat. Jetzo will ſie es auf dieſen
heiligen Mann ſchieben.

Frau
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[109/0129] im Fiſchbein-Rocke. ſullſt myne Dochter wohl foͤhren en den Himmel, wo de Engel met Kuͤlen dantzen. (Zur Frau Glaube- leichtin:) Wat meent ſe wohl Frau Nabern! Eck ſchak em myne Dochter en’t Huuß, dat he ſe ſall en der Reelgon enfermeeren; denn eck woͤll ſe op Oſtern tom heilgen Avendmaal nehmen. On de verflookte Keerl es dem Meeken allerly gottloß Tuͤg anmoden. Eck ſeh! ſe ſiht ut! ſe grient; eck frag er: Endlich koͤmmt’t herrut, wat Herr Schein- fromm vor een ſchoͤner Herr es. Da ſall em de Duͤvel der veer halen! Eck woͤll’m vor ’t Conſtorien kriegen; da ſall he my en een Loch kruupe, wor em nicht Sonn nich Maand beſchienen ſall. Frau Glaubeleichtin. Ach liebe Frau Nachbarin! bedenckt doch, was ihr redet; Herr Scheinfromm iſt ein heiliger Mann. Herr Scheinfromm. Mein GOtt! du ſchickſt mir dieſe Verſuchung zu. Jch dancke dir auch dafuͤr! Frau Seuffzerin. Seht doch! wie gedultig der fromme Mann bey ſeinem Leiden iſt. Ach! ihr ſeyd eine boͤſe Frau! Frau Zanckenheimin. Packt euch fort; ehe wir euch die Treppe hin- unter werffen laſſen. Wer weiß, was eure Toch- ter vor ein Thierchen iſt; und mit wem ſie ſich ſo gemein gemacht hat. Jetzo will ſie es auf dieſen heiligen Mann ſchieben. Frau

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/129>, abgerufen am 29.04.2024.