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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von Jdyllen, Eclogen und Schäfer-Gedichten.
Palämon.
Jch sage, was ein jeder spricht.
Thyrsis.
Ey, wäre was daran, er hätte dran gedacht,
Und seine Liebe mir vor andern kund gemacht.
Freund, laß dich nicht durch falsche Nachricht blenden.
Palämon.
Die Zeitung kommt aus guten Händen.
Thyrsis.
Jch glaub es kaum; denn dencke selber nach,
Wie heilig er es mir, und wie ichs ihm versprach,
Wenn wir einmahl was schönes lieben sollten,
Daß wirs einander schreiben wollten.
Doch endlich; es kan seyn. Nur, ist sein Schatz auch schön?
Palämon.
Jch sage dir kein Wort, du wirst es selbst gestehn.
Cythere nennt sie sich, du kennst auch ihr Gemüthe!
Thyrsis.
O wie erreget sich vor Freuden mein Geblüte!
Jch kenne diese Schäferin,
Jch weiß daß ich ihr selbst geneigt gewesen bin.
Sie hat an Artigkeit und Zucht kaum ihres gleichen,
Es muß ihr Galathee und Chloris selber weichen.
Die schöne Galathee, die an der Pleiße lebt,
Die alles, was sie kennt, ja einmahl sieht, erhebt.
Und Chloris, die allhier die Schäfer an der Saal,
Gleich auf das allererstemahl
Durch ihre Reitzungen vermögend ist zu zwingen.
O möcht es mir einmahl im Freyen so gelingen!
Palämon.
Du wünschest gantz umsonst. Dergleichen seltnes Glück,
Erlangt nur der, den keiner Schönen Blick,
Jns Buhler-Netz gezogen.
Thyrsis.
So meynst du denn, ich wäre schon betrogen?
Palämon nein! mich fängt so leicht kein Weib,
Mein Lieben ist ein Schertz und bloßer Zeitvertreib,
Man muß ja offt der lieben Mädgen lachen,
Wenn manche, der man wo ein Blumensträußchen schenckt,
Sogleich vergnügt in ihrem Hertzen denckt,
Man
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Von Jdyllen, Eclogen und Schaͤfer-Gedichten.
Palaͤmon.
Jch ſage, was ein jeder ſpricht.
Thyrſis.
Ey, waͤre was daran, er haͤtte dran gedacht,
Und ſeine Liebe mir vor andern kund gemacht.
Freund, laß dich nicht durch falſche Nachricht blenden.
Palaͤmon.
Die Zeitung kommt aus guten Haͤnden.
Thyrſis.
Jch glaub es kaum; denn dencke ſelber nach,
Wie heilig er es mir, und wie ichs ihm verſprach,
Wenn wir einmahl was ſchoͤnes lieben ſollten,
Daß wirs einander ſchreiben wollten.
Doch endlich; es kan ſeyn. Nur, iſt ſein Schatz auch ſchoͤn?
Palaͤmon.
Jch ſage dir kein Wort, du wirſt es ſelbſt geſtehn.
Cythere nennt ſie ſich, du kennſt auch ihr Gemuͤthe!
Thyrſis.
O wie erreget ſich vor Freuden mein Gebluͤte!
Jch kenne dieſe Schaͤferin,
Jch weiß daß ich ihr ſelbſt geneigt geweſen bin.
Sie hat an Artigkeit und Zucht kaum ihres gleichen,
Es muß ihr Galathee und Chloris ſelber weichen.
Die ſchoͤne Galathee, die an der Pleiße lebt,
Die alles, was ſie kennt, ja einmahl ſieht, erhebt.
Und Chloris, die allhier die Schaͤfer an der Saal,
Gleich auf das allererſtemahl
Durch ihre Reitzungen vermoͤgend iſt zu zwingen.
O moͤcht es mir einmahl im Freyen ſo gelingen!
Palaͤmon.
Du wuͤnſcheſt gantz umſonſt. Dergleichen ſeltnes Gluͤck,
Erlangt nur der, den keiner Schoͤnen Blick,
Jns Buhler-Netz gezogen.
Thyrſis.
So meynſt du denn, ich waͤre ſchon betrogen?
Palaͤmon nein! mich faͤngt ſo leicht kein Weib,
Mein Lieben iſt ein Schertz und bloßer Zeitvertreib,
Man muß ja offt der lieben Maͤdgen lachen,
Wenn manche, der man wo ein Blumenſtraͤußchen ſchenckt,
Sogleich vergnuͤgt in ihrem Hertzen denckt,
Man
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[405/0433] Von Jdyllen, Eclogen und Schaͤfer-Gedichten. Palaͤmon. Jch ſage, was ein jeder ſpricht. Thyrſis. Ey, waͤre was daran, er haͤtte dran gedacht, Und ſeine Liebe mir vor andern kund gemacht. Freund, laß dich nicht durch falſche Nachricht blenden. Palaͤmon. Die Zeitung kommt aus guten Haͤnden. Thyrſis. Jch glaub es kaum; denn dencke ſelber nach, Wie heilig er es mir, und wie ichs ihm verſprach, Wenn wir einmahl was ſchoͤnes lieben ſollten, Daß wirs einander ſchreiben wollten. Doch endlich; es kan ſeyn. Nur, iſt ſein Schatz auch ſchoͤn? Palaͤmon. Jch ſage dir kein Wort, du wirſt es ſelbſt geſtehn. Cythere nennt ſie ſich, du kennſt auch ihr Gemuͤthe! Thyrſis. O wie erreget ſich vor Freuden mein Gebluͤte! Jch kenne dieſe Schaͤferin, Jch weiß daß ich ihr ſelbſt geneigt geweſen bin. Sie hat an Artigkeit und Zucht kaum ihres gleichen, Es muß ihr Galathee und Chloris ſelber weichen. Die ſchoͤne Galathee, die an der Pleiße lebt, Die alles, was ſie kennt, ja einmahl ſieht, erhebt. Und Chloris, die allhier die Schaͤfer an der Saal, Gleich auf das allererſtemahl Durch ihre Reitzungen vermoͤgend iſt zu zwingen. O moͤcht es mir einmahl im Freyen ſo gelingen! Palaͤmon. Du wuͤnſcheſt gantz umſonſt. Dergleichen ſeltnes Gluͤck, Erlangt nur der, den keiner Schoͤnen Blick, Jns Buhler-Netz gezogen. Thyrſis. So meynſt du denn, ich waͤre ſchon betrogen? Palaͤmon nein! mich faͤngt ſo leicht kein Weib, Mein Lieben iſt ein Schertz und bloßer Zeitvertreib, Man muß ja offt der lieben Maͤdgen lachen, Wenn manche, der man wo ein Blumenſtraͤußchen ſchenckt, Sogleich vergnuͤgt in ihrem Hertzen denckt, Man C c 3

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/433>, abgerufen am 27.04.2024.