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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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wächsen, war ein Gestell mit allerlei Pfeifen und orientalischen Waffen.
An zwanzig Griffen von Bronze hingen an langen wollenen Fäden, Bil¬
der von den ausgezeichnetsten Meistern der neuern französischen Malerschule.
Landschaften von Cicero und Martyns, Portraits von Court und Ziegler,
wunderschöne Chargen von Granville und noch zehn andere Bilder, lebende
Zeugen von den ausgezeichneten Bekanntschaften des Eigenthümers dieses
Wartesaals, geben dieser kleinen Gallerie einen unschätzbaren Werth. Dan¬
tan, den ein Besuch bis jetzt aufgehalten hatte, hatte sich nun frei gemacht
und stand zu unsern Diensten. Er ist ein noch junger Mann in den
Dreißigen, seine Züge haben etwas Freundliches und Offenes, sind aber
sonst ohne besondere anziehende Eigenthümlichkcit. Sein etwas magerer
Körper kam unter einem höchst einfachen baumwollenen Hausrocke zum
Vorschein; als er uns sah, schwang er sein kleines Mützchen zum Gruße
etwas in die Höhe; dieser Gruß, den er mit einigen höchst freundlichen
und verbindlichen Redensarten begleitete, zeigte uns welch ungezierter Auf¬
nahme wir gewärtig sein konnten. -- Wir machten es uns bequem.

Es ist schwierig, in Worten den Eindruck zu beschreiben, den auf mich
der erste Anblick der Werkstätte machte, deren Thüre der Künstler uns eben
öffnete. Es war dieser Eindruck einen: ausschweifenden phantastischen Traume
zu vergleichen. Man stelle sich einen großen Saal vor, ganz von Fußgestellen
umgeben, in deren Mitte wieder andere Fußgestelle, und alle mit einer
großen Menge von Büsten, Figürchen, weißen Statuetten umstellt, theils
zusammengekauert, sich in einander verschlingend, groß, klein, lang, kurz,
dick, dünn, weinend, lachend, Grimassen schneidend, verdreht und verkrüp-
pelt! Alles zusammen stellte ein wüstes Bachanal vor, in dessen Mitte
das umherschweifende Auge nichts Vollkommenes fassen kann. Hier ein
grotesk lachendes, da ein vor sich hinstarrendes Gesicht, dort eine Grimasse
-- eine wahre Traumerscheinung, die mich ganz verblüfft machte. Das ist
die Werkstätte Dantans, des Erfinders eines Genres, dem er seine Be¬
rühmtheit verdankt, der eine Popularität genießt, wie selten ein Künstler bei
Lebzeiten sie erringen konnte. Denn der Triumphzug, den Thorwaldsen
vor einigen Monaten durch Deutschland machte, galt mehr dem Menschen,
als dem Künstler; die ihm dargebrachten Huldigungen waren mehr der
Ausfluß eines nationalen-politischen Gefühls, als artistischer Begeisterung,
mau ehrte den Verherrlichen zweier Nationalerheroen -- Guttenbergs und
Schillers. Dantan ist wegen seiner Bilder ohne alle Nebenrücksicht bekannt.
Wo man ein groteskes Gesicht sieht, sagt man: den konnte Dantan brau¬
chen. Der Name des Callot der Sculptur hat jenen kleinen Alaba¬
sterfiguren allenthalben als Reisepaß gedient, sie sind in den Sälen der
Reichen heimisch geworden. Wie wenige Personen in Deutschland ken-

wächsen, war ein Gestell mit allerlei Pfeifen und orientalischen Waffen.
An zwanzig Griffen von Bronze hingen an langen wollenen Fäden, Bil¬
der von den ausgezeichnetsten Meistern der neuern französischen Malerschule.
Landschaften von Cicero und Martyns, Portraits von Court und Ziegler,
wunderschöne Chargen von Granville und noch zehn andere Bilder, lebende
Zeugen von den ausgezeichneten Bekanntschaften des Eigenthümers dieses
Wartesaals, geben dieser kleinen Gallerie einen unschätzbaren Werth. Dan¬
tan, den ein Besuch bis jetzt aufgehalten hatte, hatte sich nun frei gemacht
und stand zu unsern Diensten. Er ist ein noch junger Mann in den
Dreißigen, seine Züge haben etwas Freundliches und Offenes, sind aber
sonst ohne besondere anziehende Eigenthümlichkcit. Sein etwas magerer
Körper kam unter einem höchst einfachen baumwollenen Hausrocke zum
Vorschein; als er uns sah, schwang er sein kleines Mützchen zum Gruße
etwas in die Höhe; dieser Gruß, den er mit einigen höchst freundlichen
und verbindlichen Redensarten begleitete, zeigte uns welch ungezierter Auf¬
nahme wir gewärtig sein konnten. — Wir machten es uns bequem.

Es ist schwierig, in Worten den Eindruck zu beschreiben, den auf mich
der erste Anblick der Werkstätte machte, deren Thüre der Künstler uns eben
öffnete. Es war dieser Eindruck einen: ausschweifenden phantastischen Traume
zu vergleichen. Man stelle sich einen großen Saal vor, ganz von Fußgestellen
umgeben, in deren Mitte wieder andere Fußgestelle, und alle mit einer
großen Menge von Büsten, Figürchen, weißen Statuetten umstellt, theils
zusammengekauert, sich in einander verschlingend, groß, klein, lang, kurz,
dick, dünn, weinend, lachend, Grimassen schneidend, verdreht und verkrüp-
pelt! Alles zusammen stellte ein wüstes Bachanal vor, in dessen Mitte
das umherschweifende Auge nichts Vollkommenes fassen kann. Hier ein
grotesk lachendes, da ein vor sich hinstarrendes Gesicht, dort eine Grimasse
— eine wahre Traumerscheinung, die mich ganz verblüfft machte. Das ist
die Werkstätte Dantans, des Erfinders eines Genres, dem er seine Be¬
rühmtheit verdankt, der eine Popularität genießt, wie selten ein Künstler bei
Lebzeiten sie erringen konnte. Denn der Triumphzug, den Thorwaldsen
vor einigen Monaten durch Deutschland machte, galt mehr dem Menschen,
als dem Künstler; die ihm dargebrachten Huldigungen waren mehr der
Ausfluß eines nationalen-politischen Gefühls, als artistischer Begeisterung,
mau ehrte den Verherrlichen zweier Nationalerheroen — Guttenbergs und
Schillers. Dantan ist wegen seiner Bilder ohne alle Nebenrücksicht bekannt.
Wo man ein groteskes Gesicht sieht, sagt man: den konnte Dantan brau¬
chen. Der Name des Callot der Sculptur hat jenen kleinen Alaba¬
sterfiguren allenthalben als Reisepaß gedient, sie sind in den Sälen der
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[226/0234] wächsen, war ein Gestell mit allerlei Pfeifen und orientalischen Waffen. An zwanzig Griffen von Bronze hingen an langen wollenen Fäden, Bil¬ der von den ausgezeichnetsten Meistern der neuern französischen Malerschule. Landschaften von Cicero und Martyns, Portraits von Court und Ziegler, wunderschöne Chargen von Granville und noch zehn andere Bilder, lebende Zeugen von den ausgezeichneten Bekanntschaften des Eigenthümers dieses Wartesaals, geben dieser kleinen Gallerie einen unschätzbaren Werth. Dan¬ tan, den ein Besuch bis jetzt aufgehalten hatte, hatte sich nun frei gemacht und stand zu unsern Diensten. Er ist ein noch junger Mann in den Dreißigen, seine Züge haben etwas Freundliches und Offenes, sind aber sonst ohne besondere anziehende Eigenthümlichkcit. Sein etwas magerer Körper kam unter einem höchst einfachen baumwollenen Hausrocke zum Vorschein; als er uns sah, schwang er sein kleines Mützchen zum Gruße etwas in die Höhe; dieser Gruß, den er mit einigen höchst freundlichen und verbindlichen Redensarten begleitete, zeigte uns welch ungezierter Auf¬ nahme wir gewärtig sein konnten. — Wir machten es uns bequem. Es ist schwierig, in Worten den Eindruck zu beschreiben, den auf mich der erste Anblick der Werkstätte machte, deren Thüre der Künstler uns eben öffnete. Es war dieser Eindruck einen: ausschweifenden phantastischen Traume zu vergleichen. Man stelle sich einen großen Saal vor, ganz von Fußgestellen umgeben, in deren Mitte wieder andere Fußgestelle, und alle mit einer großen Menge von Büsten, Figürchen, weißen Statuetten umstellt, theils zusammengekauert, sich in einander verschlingend, groß, klein, lang, kurz, dick, dünn, weinend, lachend, Grimassen schneidend, verdreht und verkrüp- pelt! Alles zusammen stellte ein wüstes Bachanal vor, in dessen Mitte das umherschweifende Auge nichts Vollkommenes fassen kann. Hier ein grotesk lachendes, da ein vor sich hinstarrendes Gesicht, dort eine Grimasse — eine wahre Traumerscheinung, die mich ganz verblüfft machte. Das ist die Werkstätte Dantans, des Erfinders eines Genres, dem er seine Be¬ rühmtheit verdankt, der eine Popularität genießt, wie selten ein Künstler bei Lebzeiten sie erringen konnte. Denn der Triumphzug, den Thorwaldsen vor einigen Monaten durch Deutschland machte, galt mehr dem Menschen, als dem Künstler; die ihm dargebrachten Huldigungen waren mehr der Ausfluß eines nationalen-politischen Gefühls, als artistischer Begeisterung, mau ehrte den Verherrlichen zweier Nationalerheroen — Guttenbergs und Schillers. Dantan ist wegen seiner Bilder ohne alle Nebenrücksicht bekannt. Wo man ein groteskes Gesicht sieht, sagt man: den konnte Dantan brau¬ chen. Der Name des Callot der Sculptur hat jenen kleinen Alaba¬ sterfiguren allenthalben als Reisepaß gedient, sie sind in den Sälen der Reichen heimisch geworden. Wie wenige Personen in Deutschland ken-

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/234>, abgerufen am 27.04.2024.