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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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nicht bedarf, deren Anschauung aber dem nicht sehr phantasiereichen
Leser nöthig ist, um ein lebensvolles Bild zu gewinnen;
5) ergänzend aus der Geschichte, der Gegend- und Sittenschilderung den
Gefühlen und Gedanken der Handelnden zu liefern, was der Dialog
im Drama, zumal bei dem Zweck für die Darstellung, nicht gestattet
zu entfalten, soweit es nämlich zum Verständniß des historischen Theils
oder der Characteristik der Personen nothwendig ist;
6) in Rücksicht auf den Styl -- im weitesten Sinne genommen -- keine
poetische Schönheit im Gedanken des Dichters zu unterdrücken, *) höch¬
stens die für ein Lebensbild nicht geeignete Ueppigkeit der Lyrik zu
beschneiden, jeden (!) Pathos und Wortschwall zu vermeiden; dagegen
einfach und wahr jeden Aufschwung der Gefühle und jede gegebene
Gedankenrichtung der Dichtung walten zu lassen. Unvermeidlich ist
dabei das Zerstören des Versmaßes.

"Die Kunst (!) dabei besteht nur darin: an die Stelle der schönen Verse
eine nicht minder gefällige naturwahre Prosa zu setzen, die eben so leicht
in der Rede fließt, und eben so bezeichnend und kräftig ausspricht, was der
Dichter in seinen Versen sagen wollte.

"Die Aufgabe ist nicht leicht. -- Wie, sie gelungen ist, möge der Le¬
ser beurtheilen, indem er versuche das Buch laut vorzulesen. Finden sich
Härten darin, so bin ich geschlagen.-- -- --**)

"Wenn daher diese Bearbeitung an Schillers Dichtung nichts Wesentli¬
ches zerstört, so kann nur von den Zuthaten die Rede sein.(!) Als solche
aber erscheint zuerst die Schilderung des Vierwaldstättersees, so wie die
der übrigen classischen Stellen in der Schweiz, worauf dieses Drama spielt.
-- Der Gesang des Fischerknaben, Hirten und Jägers, womit die erste
Scene des Drama so idyllisch lieblich eröffnet wird, ist nicht naturwahr
genug, (!) um so ohne Weiteres in die erzählende Form aufgenommen werden
zu können; doch zu schön, um ihn wegzulassen;***) ich verwob ihn daher in
eine poetische Schilderung der Oertlichkeit, gleichsam als eine Phantasie
des Dichters, einem halben Traumleben entquollen, aus welchen allmälig
die ideale Unschuldswelt in die rauhere Wirklichkeit übergeht." --



Wir brauchen kaum noch ein Wort hinzuzufügen, um die ungeheuren
Verdienste, welche sich Herr Belani durch sein Unternehmen, um die deutsche




*) Großmüthiger Mann!
**) Bescheidenheit ziert den Großen!
***) Wirklich?
nicht bedarf, deren Anschauung aber dem nicht sehr phantasiereichen
Leser nöthig ist, um ein lebensvolles Bild zu gewinnen;
5) ergänzend aus der Geschichte, der Gegend- und Sittenschilderung den
Gefühlen und Gedanken der Handelnden zu liefern, was der Dialog
im Drama, zumal bei dem Zweck für die Darstellung, nicht gestattet
zu entfalten, soweit es nämlich zum Verständniß des historischen Theils
oder der Characteristik der Personen nothwendig ist;
6) in Rücksicht auf den Styl — im weitesten Sinne genommen — keine
poetische Schönheit im Gedanken des Dichters zu unterdrücken, *) höch¬
stens die für ein Lebensbild nicht geeignete Ueppigkeit der Lyrik zu
beschneiden, jeden (!) Pathos und Wortschwall zu vermeiden; dagegen
einfach und wahr jeden Aufschwung der Gefühle und jede gegebene
Gedankenrichtung der Dichtung walten zu lassen. Unvermeidlich ist
dabei das Zerstören des Versmaßes.

„Die Kunst (!) dabei besteht nur darin: an die Stelle der schönen Verse
eine nicht minder gefällige naturwahre Prosa zu setzen, die eben so leicht
in der Rede fließt, und eben so bezeichnend und kräftig ausspricht, was der
Dichter in seinen Versen sagen wollte.

„Die Aufgabe ist nicht leicht. — Wie, sie gelungen ist, möge der Le¬
ser beurtheilen, indem er versuche das Buch laut vorzulesen. Finden sich
Härten darin, so bin ich geschlagen.— — —**)

„Wenn daher diese Bearbeitung an Schillers Dichtung nichts Wesentli¬
ches zerstört, so kann nur von den Zuthaten die Rede sein.(!) Als solche
aber erscheint zuerst die Schilderung des Vierwaldstättersees, so wie die
der übrigen classischen Stellen in der Schweiz, worauf dieses Drama spielt.
— Der Gesang des Fischerknaben, Hirten und Jägers, womit die erste
Scene des Drama so idyllisch lieblich eröffnet wird, ist nicht naturwahr
genug, (!) um so ohne Weiteres in die erzählende Form aufgenommen werden
zu können; doch zu schön, um ihn wegzulassen;***) ich verwob ihn daher in
eine poetische Schilderung der Oertlichkeit, gleichsam als eine Phantasie
des Dichters, einem halben Traumleben entquollen, aus welchen allmälig
die ideale Unschuldswelt in die rauhere Wirklichkeit übergeht.“ —



Wir brauchen kaum noch ein Wort hinzuzufügen, um die ungeheuren
Verdienste, welche sich Herr Belani durch sein Unternehmen, um die deutsche




*) Großmüthiger Mann!
**) Bescheidenheit ziert den Großen!
***) Wirklich?
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[285/0293] nicht bedarf, deren Anschauung aber dem nicht sehr phantasiereichen Leser nöthig ist, um ein lebensvolles Bild zu gewinnen; 5) ergänzend aus der Geschichte, der Gegend- und Sittenschilderung den Gefühlen und Gedanken der Handelnden zu liefern, was der Dialog im Drama, zumal bei dem Zweck für die Darstellung, nicht gestattet zu entfalten, soweit es nämlich zum Verständniß des historischen Theils oder der Characteristik der Personen nothwendig ist; 6) in Rücksicht auf den Styl — im weitesten Sinne genommen — keine poetische Schönheit im Gedanken des Dichters zu unterdrücken, *) höch¬ stens die für ein Lebensbild nicht geeignete Ueppigkeit der Lyrik zu beschneiden, jeden (!) Pathos und Wortschwall zu vermeiden; dagegen einfach und wahr jeden Aufschwung der Gefühle und jede gegebene Gedankenrichtung der Dichtung walten zu lassen. Unvermeidlich ist dabei das Zerstören des Versmaßes. „Die Kunst (!) dabei besteht nur darin: an die Stelle der schönen Verse eine nicht minder gefällige naturwahre Prosa zu setzen, die eben so leicht in der Rede fließt, und eben so bezeichnend und kräftig ausspricht, was der Dichter in seinen Versen sagen wollte. „Die Aufgabe ist nicht leicht. — Wie, sie gelungen ist, möge der Le¬ ser beurtheilen, indem er versuche das Buch laut vorzulesen. Finden sich Härten darin, so bin ich geschlagen.— — —**) „Wenn daher diese Bearbeitung an Schillers Dichtung nichts Wesentli¬ ches zerstört, so kann nur von den Zuthaten die Rede sein.(!) Als solche aber erscheint zuerst die Schilderung des Vierwaldstättersees, so wie die der übrigen classischen Stellen in der Schweiz, worauf dieses Drama spielt. — Der Gesang des Fischerknaben, Hirten und Jägers, womit die erste Scene des Drama so idyllisch lieblich eröffnet wird, ist nicht naturwahr genug, (!) um so ohne Weiteres in die erzählende Form aufgenommen werden zu können; doch zu schön, um ihn wegzulassen;***) ich verwob ihn daher in eine poetische Schilderung der Oertlichkeit, gleichsam als eine Phantasie des Dichters, einem halben Traumleben entquollen, aus welchen allmälig die ideale Unschuldswelt in die rauhere Wirklichkeit übergeht.“ — Wir brauchen kaum noch ein Wort hinzuzufügen, um die ungeheuren Verdienste, welche sich Herr Belani durch sein Unternehmen, um die deutsche *) Großmüthiger Mann! **) Bescheidenheit ziert den Großen! ***) Wirklich?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/293>, abgerufen am 28.04.2024.