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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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bedeutendsten Geschichtswerke der allerneuesten Zeit^) eine Charakte¬
ristik Philipps II. und seines vorzüglichsten Ministers in den Nie¬
derlanden, Anton Perrcnot's von Granvella den Lesern mit, weil
der Verfasser die schwierige Rolle eines Vertheidigers übernommen
und den König, den die deutsche Poesie einstimmig mit der Geschichts¬
schreibung mit schwarzen Schatten gezeichnet hat, in ein besseres
Licht zu bringen sich bemüht. Daß wir für die Gesinnung, welche
sich in diesen Aeußerungen kundgiebt, jede Complicität ablehnen,
brauchen wir wohl kaum zu sagen; nur wollen wir kurz den Stand¬
punkt andeuten, von dem aus wir diese Mittheilung gewürdigt zu
sehen wünschen. Wir sind nämlich der Ansicht, daß historische Dar¬
stellungen, selbst wenn sie so offenbar von dem Standpunkte einer
Partei aus geschrieben sind, wie es hier der Fall ist, doch von mehr¬
fachem Nutzen sind. Der unbefangene, unparteiische Geschichtsforscher
wird sie mit andern, von entgegengesetzten Ansichten ausgehenden
Darstellungen vergleichen und hierdurch fordernde Elemente zur Fest¬
stellung und zur Beurtheilung vieldeutiger Thatsachen gewinnen.
Für die Gegenwart erwächst aus solchen Werken ein doppelter Vor¬
theil. Die Kämpfer auf politischem und religiösem Gebiete erhalten
durch sie stets neue Waffen gegen ihre Gegner; denn alle Geschichts¬
epochen bieten ja Analogien und Aehnlichkeiten unter einander dar.
Die Zuschauer endlich, die außerhalb der Parteien oder unter ihnen



Anm. d. Red.
*) Ilistoirs lin I^o^anas <Ich I^s-Vas -lexnis 1814 jus<in'su I83V
x-er 15. V. as (ZerweKo 3 Vol. I<!clition aiigmentve et eoirigLS 1842. Der
Verfasser dieses Werkes gehört zu den Reigen- und Stimmführern der katholi¬
schen Partei Belgiens. Als Mitglied der Generalstaaten des früheren König¬
reichs der Niederlande war er einer der Vorkämpfer der katholisch-liberalen
Opposition: nach der Revolution war er Präsident des belgischen National-
congrcsses und der Deputation, welche dem jetzigen König die Krone überreichte:
später dann eine Zeitlang Präsident der Deputirtenkammer. Jetzt ist er erster
Präsident des Cassationshofes und beschäftigt sich viel mit nationalhistorischen
Studien, wie er auch Vorstand der Geschichts-Commission Belgiens ist. Sein
Werk ist besonders wichtig wegen der vielen bisher unbenützten Urkunden und
andern Quellen und wegen der zahlreichen I-iöcss lustiticativvs, die der 3teBd.
enthält und die meist erst in der 2ten, gänzlich umgearbeiteten Auflage hinzu¬
gekommen sind. Die hier mitgetheilten Stellen sind dem ersten Bande entlehnt,
dessen größter Theil einleitend die Geschichte der Niederlande bis 1314 erzählt.

bedeutendsten Geschichtswerke der allerneuesten Zeit^) eine Charakte¬
ristik Philipps II. und seines vorzüglichsten Ministers in den Nie¬
derlanden, Anton Perrcnot's von Granvella den Lesern mit, weil
der Verfasser die schwierige Rolle eines Vertheidigers übernommen
und den König, den die deutsche Poesie einstimmig mit der Geschichts¬
schreibung mit schwarzen Schatten gezeichnet hat, in ein besseres
Licht zu bringen sich bemüht. Daß wir für die Gesinnung, welche
sich in diesen Aeußerungen kundgiebt, jede Complicität ablehnen,
brauchen wir wohl kaum zu sagen; nur wollen wir kurz den Stand¬
punkt andeuten, von dem aus wir diese Mittheilung gewürdigt zu
sehen wünschen. Wir sind nämlich der Ansicht, daß historische Dar¬
stellungen, selbst wenn sie so offenbar von dem Standpunkte einer
Partei aus geschrieben sind, wie es hier der Fall ist, doch von mehr¬
fachem Nutzen sind. Der unbefangene, unparteiische Geschichtsforscher
wird sie mit andern, von entgegengesetzten Ansichten ausgehenden
Darstellungen vergleichen und hierdurch fordernde Elemente zur Fest¬
stellung und zur Beurtheilung vieldeutiger Thatsachen gewinnen.
Für die Gegenwart erwächst aus solchen Werken ein doppelter Vor¬
theil. Die Kämpfer auf politischem und religiösem Gebiete erhalten
durch sie stets neue Waffen gegen ihre Gegner; denn alle Geschichts¬
epochen bieten ja Analogien und Aehnlichkeiten unter einander dar.
Die Zuschauer endlich, die außerhalb der Parteien oder unter ihnen



Anm. d. Red.
*) Ilistoirs lin I^o^anas <Ich I^s-Vas -lexnis 1814 jus<in'su I83V
x-er 15. V. as (ZerweKo 3 Vol. I<!clition aiigmentve et eoirigLS 1842. Der
Verfasser dieses Werkes gehört zu den Reigen- und Stimmführern der katholi¬
schen Partei Belgiens. Als Mitglied der Generalstaaten des früheren König¬
reichs der Niederlande war er einer der Vorkämpfer der katholisch-liberalen
Opposition: nach der Revolution war er Präsident des belgischen National-
congrcsses und der Deputation, welche dem jetzigen König die Krone überreichte:
später dann eine Zeitlang Präsident der Deputirtenkammer. Jetzt ist er erster
Präsident des Cassationshofes und beschäftigt sich viel mit nationalhistorischen
Studien, wie er auch Vorstand der Geschichts-Commission Belgiens ist. Sein
Werk ist besonders wichtig wegen der vielen bisher unbenützten Urkunden und
andern Quellen und wegen der zahlreichen I-iöcss lustiticativvs, die der 3teBd.
enthält und die meist erst in der 2ten, gänzlich umgearbeiteten Auflage hinzu¬
gekommen sind. Die hier mitgetheilten Stellen sind dem ersten Bande entlehnt,
dessen größter Theil einleitend die Geschichte der Niederlande bis 1314 erzählt.
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[0135] bedeutendsten Geschichtswerke der allerneuesten Zeit^) eine Charakte¬ ristik Philipps II. und seines vorzüglichsten Ministers in den Nie¬ derlanden, Anton Perrcnot's von Granvella den Lesern mit, weil der Verfasser die schwierige Rolle eines Vertheidigers übernommen und den König, den die deutsche Poesie einstimmig mit der Geschichts¬ schreibung mit schwarzen Schatten gezeichnet hat, in ein besseres Licht zu bringen sich bemüht. Daß wir für die Gesinnung, welche sich in diesen Aeußerungen kundgiebt, jede Complicität ablehnen, brauchen wir wohl kaum zu sagen; nur wollen wir kurz den Stand¬ punkt andeuten, von dem aus wir diese Mittheilung gewürdigt zu sehen wünschen. Wir sind nämlich der Ansicht, daß historische Dar¬ stellungen, selbst wenn sie so offenbar von dem Standpunkte einer Partei aus geschrieben sind, wie es hier der Fall ist, doch von mehr¬ fachem Nutzen sind. Der unbefangene, unparteiische Geschichtsforscher wird sie mit andern, von entgegengesetzten Ansichten ausgehenden Darstellungen vergleichen und hierdurch fordernde Elemente zur Fest¬ stellung und zur Beurtheilung vieldeutiger Thatsachen gewinnen. Für die Gegenwart erwächst aus solchen Werken ein doppelter Vor¬ theil. Die Kämpfer auf politischem und religiösem Gebiete erhalten durch sie stets neue Waffen gegen ihre Gegner; denn alle Geschichts¬ epochen bieten ja Analogien und Aehnlichkeiten unter einander dar. Die Zuschauer endlich, die außerhalb der Parteien oder unter ihnen Anm. d. Red. *) Ilistoirs lin I^o^anas <Ich I^s-Vas -lexnis 1814 jus<in'su I83V x-er 15. V. as (ZerweKo 3 Vol. I<!clition aiigmentve et eoirigLS 1842. Der Verfasser dieses Werkes gehört zu den Reigen- und Stimmführern der katholi¬ schen Partei Belgiens. Als Mitglied der Generalstaaten des früheren König¬ reichs der Niederlande war er einer der Vorkämpfer der katholisch-liberalen Opposition: nach der Revolution war er Präsident des belgischen National- congrcsses und der Deputation, welche dem jetzigen König die Krone überreichte: später dann eine Zeitlang Präsident der Deputirtenkammer. Jetzt ist er erster Präsident des Cassationshofes und beschäftigt sich viel mit nationalhistorischen Studien, wie er auch Vorstand der Geschichts-Commission Belgiens ist. Sein Werk ist besonders wichtig wegen der vielen bisher unbenützten Urkunden und andern Quellen und wegen der zahlreichen I-iöcss lustiticativvs, die der 3teBd. enthält und die meist erst in der 2ten, gänzlich umgearbeiteten Auflage hinzu¬ gekommen sind. Die hier mitgetheilten Stellen sind dem ersten Bande entlehnt, dessen größter Theil einleitend die Geschichte der Niederlande bis 1314 erzählt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/135>, abgerufen am 22.05.2024.