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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Bilder aus dem deutschen Universitätsleben.
Bon
Ed. Müller,
l.
Deutsche Studentenwelt.



3Rom Frau von Stael an bis auf den Akademiker Victor
Hugo ist Vielerlei über Deutschland geschrieben worden. Wir ha¬
ben viele Schmeicheleien ertragen müssen, wir konnten dieselben mit
dem besten Willen nicht von uns abwehren; man hat uns manchen
bittern Kelch eingeschüttet, und wir haben auch da der Nagelprobe
uns nicht entzogen. Am schwierigsten mag es wohl dem Reisenden
über'in Rhein und Kanal her werden, sich in ein Element unserer
bunt zusammengesetzten gesellschaftlichen Welt zu finden, wofür er
in seinem Lande nichts Analoges hat, ich meine den deutschen Stu¬
denten oder Burschen. So ist es französischen Beobachtern begegnet,
- den Studenten mit dem wandernden Handwerker zu verwechseln,
ein ungeheurer Irrthum,' der in das Bild des Ersteren Züge ge¬
bracht hat, die vollkommen das ausdrücken, was er nicht ist. Man
stellt den Studenten viel zu niedrig, man verkennt das Gefühl, das
er in sich trägt, die Bedeutung, die er in selner Sphäre sich giebt,
wenn man ihn für nichts weiter als einen abenteuerlichen Sonder¬
ling nimmt. Er ist nicht ein bloßes Residuum der Vorzeit, eine


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Bilder aus dem deutschen Universitätsleben.
Bon
Ed. Müller,
l.
Deutsche Studentenwelt.



3Rom Frau von Stael an bis auf den Akademiker Victor
Hugo ist Vielerlei über Deutschland geschrieben worden. Wir ha¬
ben viele Schmeicheleien ertragen müssen, wir konnten dieselben mit
dem besten Willen nicht von uns abwehren; man hat uns manchen
bittern Kelch eingeschüttet, und wir haben auch da der Nagelprobe
uns nicht entzogen. Am schwierigsten mag es wohl dem Reisenden
über'in Rhein und Kanal her werden, sich in ein Element unserer
bunt zusammengesetzten gesellschaftlichen Welt zu finden, wofür er
in seinem Lande nichts Analoges hat, ich meine den deutschen Stu¬
denten oder Burschen. So ist es französischen Beobachtern begegnet,
- den Studenten mit dem wandernden Handwerker zu verwechseln,
ein ungeheurer Irrthum,' der in das Bild des Ersteren Züge ge¬
bracht hat, die vollkommen das ausdrücken, was er nicht ist. Man
stellt den Studenten viel zu niedrig, man verkennt das Gefühl, das
er in sich trägt, die Bedeutung, die er in selner Sphäre sich giebt,
wenn man ihn für nichts weiter als einen abenteuerlichen Sonder¬
ling nimmt. Er ist nicht ein bloßes Residuum der Vorzeit, eine


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[0209] Bilder aus dem deutschen Universitätsleben. Bon Ed. Müller, l. Deutsche Studentenwelt. 3Rom Frau von Stael an bis auf den Akademiker Victor Hugo ist Vielerlei über Deutschland geschrieben worden. Wir ha¬ ben viele Schmeicheleien ertragen müssen, wir konnten dieselben mit dem besten Willen nicht von uns abwehren; man hat uns manchen bittern Kelch eingeschüttet, und wir haben auch da der Nagelprobe uns nicht entzogen. Am schwierigsten mag es wohl dem Reisenden über'in Rhein und Kanal her werden, sich in ein Element unserer bunt zusammengesetzten gesellschaftlichen Welt zu finden, wofür er in seinem Lande nichts Analoges hat, ich meine den deutschen Stu¬ denten oder Burschen. So ist es französischen Beobachtern begegnet, - den Studenten mit dem wandernden Handwerker zu verwechseln, ein ungeheurer Irrthum,' der in das Bild des Ersteren Züge ge¬ bracht hat, die vollkommen das ausdrücken, was er nicht ist. Man stellt den Studenten viel zu niedrig, man verkennt das Gefühl, das er in sich trägt, die Bedeutung, die er in selner Sphäre sich giebt, wenn man ihn für nichts weiter als einen abenteuerlichen Sonder¬ ling nimmt. Er ist nicht ein bloßes Residuum der Vorzeit, eine 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/209>, abgerufen am 22.05.2024.