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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Welches Glück habe ich an diesem reizenden Orte empfunden!
Wie viele jener mächtigen Gefühle, die das Herz erheben, schwellten
da meine Brust: Mein Auge netzte sich mit Thränen, meine Seele
empfing Eindrücke, wie alle Erhabenheiten der Erde sie weder zu ver¬
wischen noch zu verleihen im Stande sind!

Ich hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als in die bewunderungs¬
würdige Mannigfaltigkeit der heiligen und schönen Natur tief ein¬
dringen und sie mit Hülfe des Pinsels auf der Leinwand wiedergeben
können. Mein ganzes Wesen glühte vor Begeisterung, und ich pries
den Menschen glücklich, dessen Herz Sinn hat für die Schönheiten
der Natur. . . .

Wir setzten unsern Weg durch die Grotte fort und kamen zur
Dussel. Erstaunt riefen wir alle aus: "Wie? Ist dies die Düffel,
die sich bei Düsseldorf so prosaisch und kaum bemerkt in den ge¬
waltigen Rhein verliert?"

Wir befanden uns am Ufer eines Flusses, der mit großem Ge¬
räusch zwischen den Felsen hindurchströmt und über den in wil¬
dester Unordnung Bäume aller Art sich hinneigen, die im Fels¬
gestein Wurzel gefaßt haben. Der Fußsteig, der sich hier in
ein Labyrinth von Gesträuch und Steinen verliert, führte uns auf
den Gipfel der Felsen, wo wir, ungewiß, welchen Weg wir einschla-
gen sollten, vor einer zweiten Grotte, zweihundert Fuß über dem
Flußbette stehen blieben. -- Aber unsere Ungewißheit endete bald;
denn der Weg führt nicht anderswohin, sondern gerade Hieher und
schon die bloße Neugter zog uns an, diesen Weg weiter zu verfol¬
gen. Als wir nun aus diesem neuen Tunnel herauskamen, waren
wir auf das Gewölbe der Grotte gelangt und genossen daselbst den
Anblick einer der schönsten Landschaften, die Deutschland bietet.

Zu unseren Füßen dehnte sich ein Thal hin voll Wunder. Das
Murmeln des Baches und der Wasserfälle gelangte bis zu uns her¬
auf, unser Auge tauchte sich in malerische Massen von Bäumen und
Dickicht, um den silberschäumenden Bach herauszufinden, der in tau¬
send Krümmungen durch neue Felsschluchten sich hindurchwindet, die
bald steiler Nacktheit dastehen, bald mit Bäumen bedeckt sind;
hinten eröffnete sich uns ein Horizont, dessen Schönheiten, besonders
wenn die sanften Strahlen eines Sonnenunterganges sich an ihm
brechen, unbeschreiblich sind.


Welches Glück habe ich an diesem reizenden Orte empfunden!
Wie viele jener mächtigen Gefühle, die das Herz erheben, schwellten
da meine Brust: Mein Auge netzte sich mit Thränen, meine Seele
empfing Eindrücke, wie alle Erhabenheiten der Erde sie weder zu ver¬
wischen noch zu verleihen im Stande sind!

Ich hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als in die bewunderungs¬
würdige Mannigfaltigkeit der heiligen und schönen Natur tief ein¬
dringen und sie mit Hülfe des Pinsels auf der Leinwand wiedergeben
können. Mein ganzes Wesen glühte vor Begeisterung, und ich pries
den Menschen glücklich, dessen Herz Sinn hat für die Schönheiten
der Natur. . . .

Wir setzten unsern Weg durch die Grotte fort und kamen zur
Dussel. Erstaunt riefen wir alle aus: „Wie? Ist dies die Düffel,
die sich bei Düsseldorf so prosaisch und kaum bemerkt in den ge¬
waltigen Rhein verliert?"

Wir befanden uns am Ufer eines Flusses, der mit großem Ge¬
räusch zwischen den Felsen hindurchströmt und über den in wil¬
dester Unordnung Bäume aller Art sich hinneigen, die im Fels¬
gestein Wurzel gefaßt haben. Der Fußsteig, der sich hier in
ein Labyrinth von Gesträuch und Steinen verliert, führte uns auf
den Gipfel der Felsen, wo wir, ungewiß, welchen Weg wir einschla-
gen sollten, vor einer zweiten Grotte, zweihundert Fuß über dem
Flußbette stehen blieben. — Aber unsere Ungewißheit endete bald;
denn der Weg führt nicht anderswohin, sondern gerade Hieher und
schon die bloße Neugter zog uns an, diesen Weg weiter zu verfol¬
gen. Als wir nun aus diesem neuen Tunnel herauskamen, waren
wir auf das Gewölbe der Grotte gelangt und genossen daselbst den
Anblick einer der schönsten Landschaften, die Deutschland bietet.

Zu unseren Füßen dehnte sich ein Thal hin voll Wunder. Das
Murmeln des Baches und der Wasserfälle gelangte bis zu uns her¬
auf, unser Auge tauchte sich in malerische Massen von Bäumen und
Dickicht, um den silberschäumenden Bach herauszufinden, der in tau¬
send Krümmungen durch neue Felsschluchten sich hindurchwindet, die
bald steiler Nacktheit dastehen, bald mit Bäumen bedeckt sind;
hinten eröffnete sich uns ein Horizont, dessen Schönheiten, besonders
wenn die sanften Strahlen eines Sonnenunterganges sich an ihm
brechen, unbeschreiblich sind.


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[0364] Welches Glück habe ich an diesem reizenden Orte empfunden! Wie viele jener mächtigen Gefühle, die das Herz erheben, schwellten da meine Brust: Mein Auge netzte sich mit Thränen, meine Seele empfing Eindrücke, wie alle Erhabenheiten der Erde sie weder zu ver¬ wischen noch zu verleihen im Stande sind! Ich hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als in die bewunderungs¬ würdige Mannigfaltigkeit der heiligen und schönen Natur tief ein¬ dringen und sie mit Hülfe des Pinsels auf der Leinwand wiedergeben können. Mein ganzes Wesen glühte vor Begeisterung, und ich pries den Menschen glücklich, dessen Herz Sinn hat für die Schönheiten der Natur. . . . Wir setzten unsern Weg durch die Grotte fort und kamen zur Dussel. Erstaunt riefen wir alle aus: „Wie? Ist dies die Düffel, die sich bei Düsseldorf so prosaisch und kaum bemerkt in den ge¬ waltigen Rhein verliert?" Wir befanden uns am Ufer eines Flusses, der mit großem Ge¬ räusch zwischen den Felsen hindurchströmt und über den in wil¬ dester Unordnung Bäume aller Art sich hinneigen, die im Fels¬ gestein Wurzel gefaßt haben. Der Fußsteig, der sich hier in ein Labyrinth von Gesträuch und Steinen verliert, führte uns auf den Gipfel der Felsen, wo wir, ungewiß, welchen Weg wir einschla- gen sollten, vor einer zweiten Grotte, zweihundert Fuß über dem Flußbette stehen blieben. — Aber unsere Ungewißheit endete bald; denn der Weg führt nicht anderswohin, sondern gerade Hieher und schon die bloße Neugter zog uns an, diesen Weg weiter zu verfol¬ gen. Als wir nun aus diesem neuen Tunnel herauskamen, waren wir auf das Gewölbe der Grotte gelangt und genossen daselbst den Anblick einer der schönsten Landschaften, die Deutschland bietet. Zu unseren Füßen dehnte sich ein Thal hin voll Wunder. Das Murmeln des Baches und der Wasserfälle gelangte bis zu uns her¬ auf, unser Auge tauchte sich in malerische Massen von Bäumen und Dickicht, um den silberschäumenden Bach herauszufinden, der in tau¬ send Krümmungen durch neue Felsschluchten sich hindurchwindet, die bald steiler Nacktheit dastehen, bald mit Bäumen bedeckt sind; hinten eröffnete sich uns ein Horizont, dessen Schönheiten, besonders wenn die sanften Strahlen eines Sonnenunterganges sich an ihm brechen, unbeschreiblich sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/364>, abgerufen am 21.05.2024.