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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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"Ich winkte unbemerkt meinen Reisegefährten mit den Augen
und wir antworteten im Chorus: "El freilich."

Der Deutsche. "Was mag wohl der Beweggrund sein, weß-
halb dieser Maler sich in neuester Zeit davon enthält, uns
Gemälde zu schenken? Hat er nicht Lorbeeren genug geerntet,
als er 1836 eine Winterlandschaft in Düsseldorf ausstellte und
hat nicht auch die Sommerlandschaft, die er im folgenden Jahre
hinsandte, alle Stimmen für sich gehabt?"

Ein Zweiter. "Das erste Gemälde hat wenigstens allgemein
gefallen. Ueber das zweite hat man sich freilich zu schreiben
erlaubt: Dieser Kuckuk singe seltsamer Weise den Winter besser,
als im Sommer. Vielleicht haben diese Aeußerungen den
Maler in üble Laune gegen uns versetzt."

Der Erste. "Das kann ich doch kaum glauben."

I es. "Ich bin vielmehr der Meinung, daß er nicht die Zeit hat,
die ihm nothwendig wäre, um für jede Ausstellung ein bedeu¬
tendes Bild zu arbeiten; denn er hat bis über den Kopf mit
bestellten Gemälden zu thun. Was die Kritik betrifft, so be¬
achtet er nur diejenige, die mit Sachkemitniß geschrieben ist,
und das ist leider nur sehr selten der Fall; Artikel, in denen
sich die Unwissenheit hinter einem Gewände spöttischer, geist¬
reich sein sollender Witzeleien verbirgt, läßt er gänzlich unbe¬
achtet. Denn die Kritik soll den Künstler belehren, nicht aber
sich mit ihm necken oder ihn durch Persönlichkeiten verletzen."

Rudolph. "Ach, die Herren Kritiker verfallen zuweilen in gar
sonderbare Irrthümer. Und wie kann es auch anders sein?
Die meisten von ihnen verstehen eigentlich von der Kunst
wenig; sie lassen sich also in ihren Urtheilen von irgend einem
unbeschäftigten, also verdienstlosen Maler, leiten, der ihnen als
Cicerone durch die Säle einer Ausstellung dient, der aber aus
neidischer Gehässigkeit die wenigsten Gemälde richtig würdigt."

Ein deutscher College. "Sie sagen, Koekkoek sei mit Be¬
stellungen überhäuft; warum schickte er alsdann nicht diese be¬
stellten Gemälde vorher auf die Ausstellung?"

Ich. "Die meisten Liebhaber wollen ihre Bilder nicht an öffent¬
lichen Orten figuriren sehen."

Der Deutsche. "Wenn ich Koekkoek wäre, so wollte ich für


„Ich winkte unbemerkt meinen Reisegefährten mit den Augen
und wir antworteten im Chorus: „El freilich."

Der Deutsche. „Was mag wohl der Beweggrund sein, weß-
halb dieser Maler sich in neuester Zeit davon enthält, uns
Gemälde zu schenken? Hat er nicht Lorbeeren genug geerntet,
als er 1836 eine Winterlandschaft in Düsseldorf ausstellte und
hat nicht auch die Sommerlandschaft, die er im folgenden Jahre
hinsandte, alle Stimmen für sich gehabt?"

Ein Zweiter. „Das erste Gemälde hat wenigstens allgemein
gefallen. Ueber das zweite hat man sich freilich zu schreiben
erlaubt: Dieser Kuckuk singe seltsamer Weise den Winter besser,
als im Sommer. Vielleicht haben diese Aeußerungen den
Maler in üble Laune gegen uns versetzt."

Der Erste. „Das kann ich doch kaum glauben."

I es. „Ich bin vielmehr der Meinung, daß er nicht die Zeit hat,
die ihm nothwendig wäre, um für jede Ausstellung ein bedeu¬
tendes Bild zu arbeiten; denn er hat bis über den Kopf mit
bestellten Gemälden zu thun. Was die Kritik betrifft, so be¬
achtet er nur diejenige, die mit Sachkemitniß geschrieben ist,
und das ist leider nur sehr selten der Fall; Artikel, in denen
sich die Unwissenheit hinter einem Gewände spöttischer, geist¬
reich sein sollender Witzeleien verbirgt, läßt er gänzlich unbe¬
achtet. Denn die Kritik soll den Künstler belehren, nicht aber
sich mit ihm necken oder ihn durch Persönlichkeiten verletzen."

Rudolph. „Ach, die Herren Kritiker verfallen zuweilen in gar
sonderbare Irrthümer. Und wie kann es auch anders sein?
Die meisten von ihnen verstehen eigentlich von der Kunst
wenig; sie lassen sich also in ihren Urtheilen von irgend einem
unbeschäftigten, also verdienstlosen Maler, leiten, der ihnen als
Cicerone durch die Säle einer Ausstellung dient, der aber aus
neidischer Gehässigkeit die wenigsten Gemälde richtig würdigt."

Ein deutscher College. „Sie sagen, Koekkoek sei mit Be¬
stellungen überhäuft; warum schickte er alsdann nicht diese be¬
stellten Gemälde vorher auf die Ausstellung?"

Ich. „Die meisten Liebhaber wollen ihre Bilder nicht an öffent¬
lichen Orten figuriren sehen."

Der Deutsche. „Wenn ich Koekkoek wäre, so wollte ich für


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[0376] „Ich winkte unbemerkt meinen Reisegefährten mit den Augen und wir antworteten im Chorus: „El freilich." Der Deutsche. „Was mag wohl der Beweggrund sein, weß- halb dieser Maler sich in neuester Zeit davon enthält, uns Gemälde zu schenken? Hat er nicht Lorbeeren genug geerntet, als er 1836 eine Winterlandschaft in Düsseldorf ausstellte und hat nicht auch die Sommerlandschaft, die er im folgenden Jahre hinsandte, alle Stimmen für sich gehabt?" Ein Zweiter. „Das erste Gemälde hat wenigstens allgemein gefallen. Ueber das zweite hat man sich freilich zu schreiben erlaubt: Dieser Kuckuk singe seltsamer Weise den Winter besser, als im Sommer. Vielleicht haben diese Aeußerungen den Maler in üble Laune gegen uns versetzt." Der Erste. „Das kann ich doch kaum glauben." I es. „Ich bin vielmehr der Meinung, daß er nicht die Zeit hat, die ihm nothwendig wäre, um für jede Ausstellung ein bedeu¬ tendes Bild zu arbeiten; denn er hat bis über den Kopf mit bestellten Gemälden zu thun. Was die Kritik betrifft, so be¬ achtet er nur diejenige, die mit Sachkemitniß geschrieben ist, und das ist leider nur sehr selten der Fall; Artikel, in denen sich die Unwissenheit hinter einem Gewände spöttischer, geist¬ reich sein sollender Witzeleien verbirgt, läßt er gänzlich unbe¬ achtet. Denn die Kritik soll den Künstler belehren, nicht aber sich mit ihm necken oder ihn durch Persönlichkeiten verletzen." Rudolph. „Ach, die Herren Kritiker verfallen zuweilen in gar sonderbare Irrthümer. Und wie kann es auch anders sein? Die meisten von ihnen verstehen eigentlich von der Kunst wenig; sie lassen sich also in ihren Urtheilen von irgend einem unbeschäftigten, also verdienstlosen Maler, leiten, der ihnen als Cicerone durch die Säle einer Ausstellung dient, der aber aus neidischer Gehässigkeit die wenigsten Gemälde richtig würdigt." Ein deutscher College. „Sie sagen, Koekkoek sei mit Be¬ stellungen überhäuft; warum schickte er alsdann nicht diese be¬ stellten Gemälde vorher auf die Ausstellung?" Ich. „Die meisten Liebhaber wollen ihre Bilder nicht an öffent¬ lichen Orten figuriren sehen." Der Deutsche. „Wenn ich Koekkoek wäre, so wollte ich für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/376>, abgerufen am 22.05.2024.