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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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in seinen Pariser Briefen dem FourrieriSmuö und Communismus
gewidmet bat und durch die Reklamationen der Pariser Fourrieri-
sten über ein Nichtvcrständniß von Seiten Gutzkow's, die Aufmerk¬
samkeit des deutschen Publikums auf diese socialistischen Bestrebungen
wieder hingelenkt worden. Ueberhaupt aber sind diese jetzt mehr als
je früher an'S offene, freie Tageslicht getreten, indem sie zu ihrer
Berechtigung auf die Bedürfnisse der Zeit hinwiesen, welche sie im
Voraus schon erkannt hatten und die sie befriedigen zu können glaub¬
ten. So sind aus chimärischen Utopien Theorien geworden, deren
Discussion von Nutzen ist und so sind sie aus dem Bereiche des
Phantastischen in das Gebiet der Wissenschaft übertrage!, worden.
Von da haben sie nun auch in die Cabinete der Staatsmänner und
Regierungsbeamten ihren Weg gesunden; wenigstens fürchten sich
diese nicht mehr, sie zu befragen und zuweilen verlangen sie sogar
einen guten Rath von ihnen. Die Nothwendigkeit der Oekonomie
als Wissenschaft und der Nutzen, den man aus einer aufmerksam¬
sten Prüfung selbst der gewagtesten Systeme in diesem Fache schö¬
pfen kann, sind heute unbestreitbar anerkannt und die ernstesten und
praktischsten Köpfe haben die Zeit nicht für verloren gehalten, welche
sie Untersuchungen der Art widmeten. Leider aber haben diese Stu¬
dien bisher nur einen beschränkten Vortheil gehabt. Denn wenn
die Reformatoren an den entscheidenden Wendepunkt gekommen wa¬
ren, wo sie praktische Vorschläge machen sollten, hatte sich in ihren
Ideen stets eine Verwirrung und eine Confusion eingeschlichen, die
davon herrührte, daß ihre, so lange sie das Bestehende schilderten
und analystrten, gefangen gehaltene Einbildungskraft nun plötzlich
einen gewaltigen Aufschwung nahm. Daher verloren sie sich denn
auch alle in den unbegrenzten Räumen des Unbestimmten, des Ide¬
alen, des Unmöglichen. So ging es Se. Simon, so Fourrier, so
Robert Owen mit ihren Systemen und Lehren. Sie beginnen mit
interessanten Untersuchungen über die Vergangenheit; sie geben eine
genaue Analyse unsrer Lage, sprechen mit warmer Beredsamkeit und
der Wahrheit getreu über die Leiden der arbeitenden Volksclassen
und schließen, jeder freilich mit ihm eigenthümlichen Modificirungen
in den Mitteln, aber alle damit, daß sie den Besitz und dessen Ver¬
erbung abgeschafft wissen wollen. Sie alle vernichten die Idee der
Familie und heben den Unterschied der Geschlechter auf. Sie über-


in seinen Pariser Briefen dem FourrieriSmuö und Communismus
gewidmet bat und durch die Reklamationen der Pariser Fourrieri-
sten über ein Nichtvcrständniß von Seiten Gutzkow's, die Aufmerk¬
samkeit des deutschen Publikums auf diese socialistischen Bestrebungen
wieder hingelenkt worden. Ueberhaupt aber sind diese jetzt mehr als
je früher an'S offene, freie Tageslicht getreten, indem sie zu ihrer
Berechtigung auf die Bedürfnisse der Zeit hinwiesen, welche sie im
Voraus schon erkannt hatten und die sie befriedigen zu können glaub¬
ten. So sind aus chimärischen Utopien Theorien geworden, deren
Discussion von Nutzen ist und so sind sie aus dem Bereiche des
Phantastischen in das Gebiet der Wissenschaft übertrage!, worden.
Von da haben sie nun auch in die Cabinete der Staatsmänner und
Regierungsbeamten ihren Weg gesunden; wenigstens fürchten sich
diese nicht mehr, sie zu befragen und zuweilen verlangen sie sogar
einen guten Rath von ihnen. Die Nothwendigkeit der Oekonomie
als Wissenschaft und der Nutzen, den man aus einer aufmerksam¬
sten Prüfung selbst der gewagtesten Systeme in diesem Fache schö¬
pfen kann, sind heute unbestreitbar anerkannt und die ernstesten und
praktischsten Köpfe haben die Zeit nicht für verloren gehalten, welche
sie Untersuchungen der Art widmeten. Leider aber haben diese Stu¬
dien bisher nur einen beschränkten Vortheil gehabt. Denn wenn
die Reformatoren an den entscheidenden Wendepunkt gekommen wa¬
ren, wo sie praktische Vorschläge machen sollten, hatte sich in ihren
Ideen stets eine Verwirrung und eine Confusion eingeschlichen, die
davon herrührte, daß ihre, so lange sie das Bestehende schilderten
und analystrten, gefangen gehaltene Einbildungskraft nun plötzlich
einen gewaltigen Aufschwung nahm. Daher verloren sie sich denn
auch alle in den unbegrenzten Räumen des Unbestimmten, des Ide¬
alen, des Unmöglichen. So ging es Se. Simon, so Fourrier, so
Robert Owen mit ihren Systemen und Lehren. Sie beginnen mit
interessanten Untersuchungen über die Vergangenheit; sie geben eine
genaue Analyse unsrer Lage, sprechen mit warmer Beredsamkeit und
der Wahrheit getreu über die Leiden der arbeitenden Volksclassen
und schließen, jeder freilich mit ihm eigenthümlichen Modificirungen
in den Mitteln, aber alle damit, daß sie den Besitz und dessen Ver¬
erbung abgeschafft wissen wollen. Sie alle vernichten die Idee der
Familie und heben den Unterschied der Geschlechter auf. Sie über-


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[0568] in seinen Pariser Briefen dem FourrieriSmuö und Communismus gewidmet bat und durch die Reklamationen der Pariser Fourrieri- sten über ein Nichtvcrständniß von Seiten Gutzkow's, die Aufmerk¬ samkeit des deutschen Publikums auf diese socialistischen Bestrebungen wieder hingelenkt worden. Ueberhaupt aber sind diese jetzt mehr als je früher an'S offene, freie Tageslicht getreten, indem sie zu ihrer Berechtigung auf die Bedürfnisse der Zeit hinwiesen, welche sie im Voraus schon erkannt hatten und die sie befriedigen zu können glaub¬ ten. So sind aus chimärischen Utopien Theorien geworden, deren Discussion von Nutzen ist und so sind sie aus dem Bereiche des Phantastischen in das Gebiet der Wissenschaft übertrage!, worden. Von da haben sie nun auch in die Cabinete der Staatsmänner und Regierungsbeamten ihren Weg gesunden; wenigstens fürchten sich diese nicht mehr, sie zu befragen und zuweilen verlangen sie sogar einen guten Rath von ihnen. Die Nothwendigkeit der Oekonomie als Wissenschaft und der Nutzen, den man aus einer aufmerksam¬ sten Prüfung selbst der gewagtesten Systeme in diesem Fache schö¬ pfen kann, sind heute unbestreitbar anerkannt und die ernstesten und praktischsten Köpfe haben die Zeit nicht für verloren gehalten, welche sie Untersuchungen der Art widmeten. Leider aber haben diese Stu¬ dien bisher nur einen beschränkten Vortheil gehabt. Denn wenn die Reformatoren an den entscheidenden Wendepunkt gekommen wa¬ ren, wo sie praktische Vorschläge machen sollten, hatte sich in ihren Ideen stets eine Verwirrung und eine Confusion eingeschlichen, die davon herrührte, daß ihre, so lange sie das Bestehende schilderten und analystrten, gefangen gehaltene Einbildungskraft nun plötzlich einen gewaltigen Aufschwung nahm. Daher verloren sie sich denn auch alle in den unbegrenzten Räumen des Unbestimmten, des Ide¬ alen, des Unmöglichen. So ging es Se. Simon, so Fourrier, so Robert Owen mit ihren Systemen und Lehren. Sie beginnen mit interessanten Untersuchungen über die Vergangenheit; sie geben eine genaue Analyse unsrer Lage, sprechen mit warmer Beredsamkeit und der Wahrheit getreu über die Leiden der arbeitenden Volksclassen und schließen, jeder freilich mit ihm eigenthümlichen Modificirungen in den Mitteln, aber alle damit, daß sie den Besitz und dessen Ver¬ erbung abgeschafft wissen wollen. Sie alle vernichten die Idee der Familie und heben den Unterschied der Geschlechter auf. Sie über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/568>, abgerufen am 21.05.2024.