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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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so ohne allen Glauben, daß sie nicht einmal an das Schicksal glaubt, welches über
den Coulissen eines Theaters.schwebt. Wie viele Theaterdichter und Tbeatcrdirectoren
haben schon auf diesem Odeon-Theater Ruf und Vermögen verloren! ES ist Wie
jene schwimmenden Inseln, die von Zeit zu Zeit auf der Oberfläche des Meeres
erscheinen, webe dem, der sich darauf wagt -- das grüne Eiland lockt so freund¬
lich, aber kurze Zeit, und es geht unter. Wie oft wurde das Odeon-Theater schon
geöffnet, und wie oft, wieder geschlossen I Die Lust der Faubourg Se. Vermaln
ist den Helden der Juliusepoche nicht günstig, dort, wohin die Ueberreste der Restau¬
ration und des alten Regimes sich zurückgezogen, dort ist kein Heil für die neuro¬
mantischen Dichter und Directoren, und Herr Balzac hat gestern wieder eine Probe
davon erlebt.

Die französische Comödie wird mit jedem Tage immer mehr ein Gegenstand
des Handels als der Kunst. Vielleicht ruft man aus Deutschland einige von den >
hundert acht und vierzig Lustspieldichtcrn, die in Berlin um den Preis von too
Ducaten buhlen, hierher? Wenn auch die Stücke schlecht sind, 100Ducaten, bringt
man in Paris immer noch heraus. Wissen Sie, auf welche Art Herr Balzac seine
schlechte Comödie ausgebeutet hat? Er hat den Saal des Odeon für die 3 ersten
Vorstellungen von dein Director gepachtet ^1000 Franken den Abend; dieEintrittS-
karten ließ er sodann auf seine eigne Rechnung zu doppelten und dreifach erhöhten
Preisen verlaufen. Sie werden mich auszischen, sagte er zu seinen Freunden, aber
sie sollen mir wenigstens dafür bezahlen. Sie sehen //Handwerk hat einen goldenen
Boden!",-- Ich will Sie mit der Handlung des Stückes verschonen, denn Sie
müßten mir das halbe Heft Ihrer Zeitschrift einräumen, wenn ich Sie Ihnen nur
ein wenig deutlich erzählen sollte. Sieben Auszüge! ,das ist kein Spaß. Und
dieser Theaterzettel -- mit einer solchen Anzahl Personen können die Engländer
China erobern. Aber die Pariser sind keine Chinesen, sie haben mit Händen und
Füßen, mit Stöcken und Pfeifen gegen das Opium protestier, welches Herr Balzac
zu Markt brachte, sie haben gefunden, daß dieses Opium nicht sowohl einschläfert,
als die Leute zu Dummköpfen macht, oder vielmehr voraussehe, daß sie es sind.
Das Stück spielt im ig. Jahrhundert, und hat ein Genie, Namens Fontanares,
zum Helden, gegen den Fulton und James Watt miserable Affen sind -- denn
Fontanares kömmt lange vor ihnen ans die Idee, ein Dampfschiffzn bauen. Aber
wie alle großen Geister, hat er Alles, nur kein Geld. Da begiebt sich sein Lump
von Bedienten, ein Bandit, der die Leute znmBencsice seines Herrn bei Nacht an¬
fällt und beraubt -- an den Hof des Königs Philipp II. und erzählt ihm von
dein Geheimniß feines Herrn. Dieser Philipp II., den Schiller so schrecklich ver¬
leumdet hat, ist ein ganz prächtiger Mensch, ein guter Kerl, der nur an diesem
Tage etwas übler Laune ist, weil ihm grade die Nachricht von dem Untergänge


so ohne allen Glauben, daß sie nicht einmal an das Schicksal glaubt, welches über
den Coulissen eines Theaters.schwebt. Wie viele Theaterdichter und Tbeatcrdirectoren
haben schon auf diesem Odeon-Theater Ruf und Vermögen verloren! ES ist Wie
jene schwimmenden Inseln, die von Zeit zu Zeit auf der Oberfläche des Meeres
erscheinen, webe dem, der sich darauf wagt — das grüne Eiland lockt so freund¬
lich, aber kurze Zeit, und es geht unter. Wie oft wurde das Odeon-Theater schon
geöffnet, und wie oft, wieder geschlossen I Die Lust der Faubourg Se. Vermaln
ist den Helden der Juliusepoche nicht günstig, dort, wohin die Ueberreste der Restau¬
ration und des alten Regimes sich zurückgezogen, dort ist kein Heil für die neuro¬
mantischen Dichter und Directoren, und Herr Balzac hat gestern wieder eine Probe
davon erlebt.

Die französische Comödie wird mit jedem Tage immer mehr ein Gegenstand
des Handels als der Kunst. Vielleicht ruft man aus Deutschland einige von den >
hundert acht und vierzig Lustspieldichtcrn, die in Berlin um den Preis von too
Ducaten buhlen, hierher? Wenn auch die Stücke schlecht sind, 100Ducaten, bringt
man in Paris immer noch heraus. Wissen Sie, auf welche Art Herr Balzac seine
schlechte Comödie ausgebeutet hat? Er hat den Saal des Odeon für die 3 ersten
Vorstellungen von dein Director gepachtet ^1000 Franken den Abend; dieEintrittS-
karten ließ er sodann auf seine eigne Rechnung zu doppelten und dreifach erhöhten
Preisen verlaufen. Sie werden mich auszischen, sagte er zu seinen Freunden, aber
sie sollen mir wenigstens dafür bezahlen. Sie sehen //Handwerk hat einen goldenen
Boden!",— Ich will Sie mit der Handlung des Stückes verschonen, denn Sie
müßten mir das halbe Heft Ihrer Zeitschrift einräumen, wenn ich Sie Ihnen nur
ein wenig deutlich erzählen sollte. Sieben Auszüge! ,das ist kein Spaß. Und
dieser Theaterzettel — mit einer solchen Anzahl Personen können die Engländer
China erobern. Aber die Pariser sind keine Chinesen, sie haben mit Händen und
Füßen, mit Stöcken und Pfeifen gegen das Opium protestier, welches Herr Balzac
zu Markt brachte, sie haben gefunden, daß dieses Opium nicht sowohl einschläfert,
als die Leute zu Dummköpfen macht, oder vielmehr voraussehe, daß sie es sind.
Das Stück spielt im ig. Jahrhundert, und hat ein Genie, Namens Fontanares,
zum Helden, gegen den Fulton und James Watt miserable Affen sind — denn
Fontanares kömmt lange vor ihnen ans die Idee, ein Dampfschiffzn bauen. Aber
wie alle großen Geister, hat er Alles, nur kein Geld. Da begiebt sich sein Lump
von Bedienten, ein Bandit, der die Leute znmBencsice seines Herrn bei Nacht an¬
fällt und beraubt — an den Hof des Königs Philipp II. und erzählt ihm von
dein Geheimniß feines Herrn. Dieser Philipp II., den Schiller so schrecklich ver¬
leumdet hat, ist ein ganz prächtiger Mensch, ein guter Kerl, der nur an diesem
Tage etwas übler Laune ist, weil ihm grade die Nachricht von dem Untergänge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/322>, abgerufen am 16.06.2024.