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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ist er von hier abwesend, da er einige größere Austrage im Auslande
erhalten hat, namentlich vom Großherzog von Mecklenburg-Strelitz,
dem er ein Schloß im gothischen Styl aufführen soll. Für Dresden
aber würde der Verlust unersetzlich sein, wenn Semper sich versucht
fühlen sollte, seine hiesige Stellung als Director der Bauschule auf¬
zugeben und von hier fortzuziehen; darum wäre es sehr zu wünschen,
daß der Bau des Museums zu Stande käme, der ihn in eine grö¬
ßere Thätigkeit versetzte. Der Hofbaumcistcr von Wolframsdorf hat
durch seine Bauten auf der Terrasse eben kein erfreuliches Zeichen
seiner architektonischen Geschicklichkeit gegeben. -- Die nachbildenden
Künste sind hier ganz vorzüglich repräsentirt; von den Kupferstechern
nenne ich Seelilie, Thäter und Richter. Der erstgenannte hat einige
Werke geliefert, die zu den gelungensten Grabstichelarbeiten der Neu¬
zeit gehören, unter ihnen ist am meisten bekannt geworden die Hol-
beinsche Madonna; jetzt arbeitet er an der Sirtinischen Madonna
Raphael's und nach den Anlagen verspricht dieses eines der herr¬
lichsten Werke der Kupferstechkunst zu werden; es sind darum auch
eine Masse Bestellungen darauf bereits eingetroffen. Thäter sticht
im Auftrag des Münchener Kunstvereins den Einzug Friedrich Bar¬
barossa's in Venedig nach Schmorr's großem Carton. Auf eigene
Rechnung hat er die Karstenssche Zeichnung "Charon" gestochen
und herausgegeben; ein Blatt, das von den tüchtigsten Intentionen
des Künstlers zeigt. Wir rühmen uns, den ersten Lithographen
Deutschlands, Franz Hanfstängl, zu haben. Die Wirksamkeit dieses
Mannes ist wahrhaft bewunderungswürdig. Sein großes Werk
"die Dresdener Gemäldegalerie" ist bereits im 34. Hefte (welches
"den Herzog Sforza von Mailand" von Leonardo da Vinci, wie es
im Kataloge der Galerie heißt, enthält: doch ist es nach dem Ur¬
theil der Kenner ein Holbein aus dessen schönster Zeit; ferner "die
heilige Magdalena von Fr. Gessi und eine niederländische Bauern¬
hochzeit von D. Teniers) ausgegeben und naht seiner Vollendung,
denn das Ganze ist auf 40 Hefte berechnet. Wohl sind diese Co-
pien in der künstlichen Ausführung zu rühmen, wohl muß man
die Consequenz und Ausdauer eines Mannes bewundern, mit der
er sich an ein so gewaltiges Werk gewagt hat und in so würdiger
Weise zu Ende bringt. Doch ist das Verdienst Hanfstängl's darum
noch höher anzuschlagen, daß er künftigen Zeiten durch seine gelun^


ist er von hier abwesend, da er einige größere Austrage im Auslande
erhalten hat, namentlich vom Großherzog von Mecklenburg-Strelitz,
dem er ein Schloß im gothischen Styl aufführen soll. Für Dresden
aber würde der Verlust unersetzlich sein, wenn Semper sich versucht
fühlen sollte, seine hiesige Stellung als Director der Bauschule auf¬
zugeben und von hier fortzuziehen; darum wäre es sehr zu wünschen,
daß der Bau des Museums zu Stande käme, der ihn in eine grö¬
ßere Thätigkeit versetzte. Der Hofbaumcistcr von Wolframsdorf hat
durch seine Bauten auf der Terrasse eben kein erfreuliches Zeichen
seiner architektonischen Geschicklichkeit gegeben. — Die nachbildenden
Künste sind hier ganz vorzüglich repräsentirt; von den Kupferstechern
nenne ich Seelilie, Thäter und Richter. Der erstgenannte hat einige
Werke geliefert, die zu den gelungensten Grabstichelarbeiten der Neu¬
zeit gehören, unter ihnen ist am meisten bekannt geworden die Hol-
beinsche Madonna; jetzt arbeitet er an der Sirtinischen Madonna
Raphael's und nach den Anlagen verspricht dieses eines der herr¬
lichsten Werke der Kupferstechkunst zu werden; es sind darum auch
eine Masse Bestellungen darauf bereits eingetroffen. Thäter sticht
im Auftrag des Münchener Kunstvereins den Einzug Friedrich Bar¬
barossa's in Venedig nach Schmorr's großem Carton. Auf eigene
Rechnung hat er die Karstenssche Zeichnung „Charon" gestochen
und herausgegeben; ein Blatt, das von den tüchtigsten Intentionen
des Künstlers zeigt. Wir rühmen uns, den ersten Lithographen
Deutschlands, Franz Hanfstängl, zu haben. Die Wirksamkeit dieses
Mannes ist wahrhaft bewunderungswürdig. Sein großes Werk
„die Dresdener Gemäldegalerie" ist bereits im 34. Hefte (welches
„den Herzog Sforza von Mailand" von Leonardo da Vinci, wie es
im Kataloge der Galerie heißt, enthält: doch ist es nach dem Ur¬
theil der Kenner ein Holbein aus dessen schönster Zeit; ferner „die
heilige Magdalena von Fr. Gessi und eine niederländische Bauern¬
hochzeit von D. Teniers) ausgegeben und naht seiner Vollendung,
denn das Ganze ist auf 40 Hefte berechnet. Wohl sind diese Co-
pien in der künstlichen Ausführung zu rühmen, wohl muß man
die Consequenz und Ausdauer eines Mannes bewundern, mit der
er sich an ein so gewaltiges Werk gewagt hat und in so würdiger
Weise zu Ende bringt. Doch ist das Verdienst Hanfstängl's darum
noch höher anzuschlagen, daß er künftigen Zeiten durch seine gelun^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/100>, abgerufen am 17.06.2024.