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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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i.
Notizen aus Wien.

Wiener Zeitungsleser. -- Concordia. -- Stegmayer. -- Holbein. -- Tanz¬
revolution. -- Tengoborsky. -- Karl Weck. -- Verbotene Journale.

Wie wenig politische Bildung und Theilnahme an deutschen An¬
gelegenheiten hier zu finden ist, konnte man in diesen Tagen bei Ge¬
legenheit der Beröffcntlichnng deö rheinischen LandtagSabschicdes bemer¬
ken. Ich habe wohl an zwanzig Personen aus den gebildetsten Stän¬
den gesprochen: Advocaten und Schriftsteller; die meisten antworteten mir
"sie überschlugen derlei für den Oesterreicher uninteres-
sante Artikel in den Zeitungen"; die Wenigen, welche den
Landtagsabschied gelesen haben, ^hatten doch keine Ahnung von der
Bedeutung dieses Actenstückes für die Zustände Deutschlands. Jeder
fege vor seiner Thüre, heißt das deutsche Sprüchwort, das so viel Un-
rath im Gesammtvatcrlande anhäufen ließ. Was geht uns der Koth
in andern Straßen an? -- Die Gesellschaft "Concordia" (eine Art
Litcratcnvercin, nur fröhlicherer und minder ernster Natur als der
vielbesprochene Leipziger) hat diese Woche durch ein glänzendes Fest
den zweillndsünfzigstcn Geburtstag Grillparzer's verherrlicht. Gegen
achtzig Personen, Maler, Musiker und Schriftsteller waren versammelt,
und die Politik, die alle Welt beleckt, hatte auch auf dieses Fest sich
erstreckt. Baucrnfeld, Witthaucr, Hammer hatten Verse geliefert,
voll bitterer Polemik gegen die Kümmernisse, mit welchen der öster¬
reichische Dichter zu kämpfen hat und gegen den Mangel an Unter¬
stützung, die ihm von Seiten des Staates zu Theil wird. In den
hiesigen Journalen darf die "Concordia" nicht beim Namen genannt
werden und muß officiell "ein Kreis von Künstlern" heißen. -- Stcg-
mavcr, ein drolliger aber talentvoller hiesiger Lyriker (er schrieb ein
Bündchen Gedichte unter dem Titel: Klänge aus der Teufe) war sechs-


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i.
Notizen aus Wien.

Wiener Zeitungsleser. — Concordia. — Stegmayer. — Holbein. — Tanz¬
revolution. — Tengoborsky. — Karl Weck. — Verbotene Journale.

Wie wenig politische Bildung und Theilnahme an deutschen An¬
gelegenheiten hier zu finden ist, konnte man in diesen Tagen bei Ge¬
legenheit der Beröffcntlichnng deö rheinischen LandtagSabschicdes bemer¬
ken. Ich habe wohl an zwanzig Personen aus den gebildetsten Stän¬
den gesprochen: Advocaten und Schriftsteller; die meisten antworteten mir
„sie überschlugen derlei für den Oesterreicher uninteres-
sante Artikel in den Zeitungen"; die Wenigen, welche den
Landtagsabschied gelesen haben, ^hatten doch keine Ahnung von der
Bedeutung dieses Actenstückes für die Zustände Deutschlands. Jeder
fege vor seiner Thüre, heißt das deutsche Sprüchwort, das so viel Un-
rath im Gesammtvatcrlande anhäufen ließ. Was geht uns der Koth
in andern Straßen an? — Die Gesellschaft „Concordia" (eine Art
Litcratcnvercin, nur fröhlicherer und minder ernster Natur als der
vielbesprochene Leipziger) hat diese Woche durch ein glänzendes Fest
den zweillndsünfzigstcn Geburtstag Grillparzer's verherrlicht. Gegen
achtzig Personen, Maler, Musiker und Schriftsteller waren versammelt,
und die Politik, die alle Welt beleckt, hatte auch auf dieses Fest sich
erstreckt. Baucrnfeld, Witthaucr, Hammer hatten Verse geliefert,
voll bitterer Polemik gegen die Kümmernisse, mit welchen der öster¬
reichische Dichter zu kämpfen hat und gegen den Mangel an Unter¬
stützung, die ihm von Seiten des Staates zu Theil wird. In den
hiesigen Journalen darf die „Concordia" nicht beim Namen genannt
werden und muß officiell „ein Kreis von Künstlern" heißen. — Stcg-
mavcr, ein drolliger aber talentvoller hiesiger Lyriker (er schrieb ein
Bündchen Gedichte unter dem Titel: Klänge aus der Teufe) war sechs-


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[0203] T a g e b u et,. i. Notizen aus Wien. Wiener Zeitungsleser. — Concordia. — Stegmayer. — Holbein. — Tanz¬ revolution. — Tengoborsky. — Karl Weck. — Verbotene Journale. Wie wenig politische Bildung und Theilnahme an deutschen An¬ gelegenheiten hier zu finden ist, konnte man in diesen Tagen bei Ge¬ legenheit der Beröffcntlichnng deö rheinischen LandtagSabschicdes bemer¬ ken. Ich habe wohl an zwanzig Personen aus den gebildetsten Stän¬ den gesprochen: Advocaten und Schriftsteller; die meisten antworteten mir „sie überschlugen derlei für den Oesterreicher uninteres- sante Artikel in den Zeitungen"; die Wenigen, welche den Landtagsabschied gelesen haben, ^hatten doch keine Ahnung von der Bedeutung dieses Actenstückes für die Zustände Deutschlands. Jeder fege vor seiner Thüre, heißt das deutsche Sprüchwort, das so viel Un- rath im Gesammtvatcrlande anhäufen ließ. Was geht uns der Koth in andern Straßen an? — Die Gesellschaft „Concordia" (eine Art Litcratcnvercin, nur fröhlicherer und minder ernster Natur als der vielbesprochene Leipziger) hat diese Woche durch ein glänzendes Fest den zweillndsünfzigstcn Geburtstag Grillparzer's verherrlicht. Gegen achtzig Personen, Maler, Musiker und Schriftsteller waren versammelt, und die Politik, die alle Welt beleckt, hatte auch auf dieses Fest sich erstreckt. Baucrnfeld, Witthaucr, Hammer hatten Verse geliefert, voll bitterer Polemik gegen die Kümmernisse, mit welchen der öster¬ reichische Dichter zu kämpfen hat und gegen den Mangel an Unter¬ stützung, die ihm von Seiten des Staates zu Theil wird. In den hiesigen Journalen darf die „Concordia" nicht beim Namen genannt werden und muß officiell „ein Kreis von Künstlern" heißen. — Stcg- mavcr, ein drolliger aber talentvoller hiesiger Lyriker (er schrieb ein Bündchen Gedichte unter dem Titel: Klänge aus der Teufe) war sechs- Äi-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/203>, abgerufen am 17.06.2024.