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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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anat in einer Stadt, wo nicht der reiche Adel zuerst mit der Hilfe
bei der Hand ist; kein Künstler, der nicht vou den Arembergs, Me^
rotes, Urfels, Beaufords und wie sie Alle heißen, reiche Bestellungen
erhält; kein gutes Buch, keine gute Zeitung, wo nicht diese Namen
an der Spitze dex Subscriptionslisten , nicht selten für ein halbes
Dutzend Exemplare, stehn. Auf diese Weise wird das Volk gewöhnt,
sie als Patrizier zu betrachten, denen es, da sie keine höheren Rechte,
sondern nur eine höhere Achtung verlangen, diese gerne zollt. Und
warum sollte es nicht? In jedem Lande, in jeder Stadt wird man
die ältesten Familien, ob vom Adel oder von dem Bürgerstande, un-
willkürlich höher stellen, wenn sie ihre würdige Stellung von Ge^
schlecht zu Geschlecht behauptet haben. Der deutsche Adel mit seinen
vielen glänzenden historischen Namen könnte selbst in Mitte einer
Zeit, die keine mittelalterliche Privilegien anerkennen will, immer noch
die höchste Theilnahme und Popularität sich sichern, wenn er seine
Stellung uur begreifen würde. Thut er das? Wir wollen hier nur
im Namen der Literatur fragen, ob er, der doch so viel sürdie "gute
alte Zeit" schwärmt, so viel thut, als ebeu diese gute alte Zeit wenig-
stens für sie gethan hat. Er zeige uns, um was er sseine geerbten
Bibliotheken bereichert oder gar neue angelegt hat?

Ich will das kleine Ereigniß erzählen, was mich zu diesen Zeilen
angeregt hat. Vor wenigen Tagen stand ich in der Schröder'schen
Buchhandlung unter den Linden in Berlin. Eine glänzende Equi
page fuhr vor. Ein vornehmer Herr, dessen Namen ich verdchweige,
stieg aus, um einige französische Bücher in Empfang zu nehmen, die
für ihn bereit lagen. - Haben Sie den neuen Roman von Willi-
bald Alexis? fragte er. -Den Urban Grandier? hier ist er, sagte
der Commis; er kostet drei Thaler. - O ich will ihn nicht kaufen,
erwiderte jener; meine Frau wünscht ihn blos zu lesen und Sie
werden wohl so gefällig sein, mir ihn zu borgen.-^ Sehr gerne, Herr
Gras, allein wir können ein ausgeschnittenes Buch dann schwer ver-
kaufen. - Ich will Ihnen für das Lesen gerne etwas vergüten;
auch soll es blos vou der Seite aufgeschnitten werden. -Der Commis
protestirte gegen die Vergütung -mit der ironischen Bemerkung, daß
eine Buchhandlung keine Leihbibliothek sei. Der Gras nahm das Buch
und ging. Welche sarkastische Bemerkutgen der Commis hinter ihm
her machte, hörte er freilich nicht. Allein ich hätte ihn gefragt, ob


anat in einer Stadt, wo nicht der reiche Adel zuerst mit der Hilfe
bei der Hand ist; kein Künstler, der nicht vou den Arembergs, Me^
rotes, Urfels, Beaufords und wie sie Alle heißen, reiche Bestellungen
erhält; kein gutes Buch, keine gute Zeitung, wo nicht diese Namen
an der Spitze dex Subscriptionslisten , nicht selten für ein halbes
Dutzend Exemplare, stehn. Auf diese Weise wird das Volk gewöhnt,
sie als Patrizier zu betrachten, denen es, da sie keine höheren Rechte,
sondern nur eine höhere Achtung verlangen, diese gerne zollt. Und
warum sollte es nicht? In jedem Lande, in jeder Stadt wird man
die ältesten Familien, ob vom Adel oder von dem Bürgerstande, un-
willkürlich höher stellen, wenn sie ihre würdige Stellung von Ge^
schlecht zu Geschlecht behauptet haben. Der deutsche Adel mit seinen
vielen glänzenden historischen Namen könnte selbst in Mitte einer
Zeit, die keine mittelalterliche Privilegien anerkennen will, immer noch
die höchste Theilnahme und Popularität sich sichern, wenn er seine
Stellung uur begreifen würde. Thut er das? Wir wollen hier nur
im Namen der Literatur fragen, ob er, der doch so viel sürdie "gute
alte Zeit" schwärmt, so viel thut, als ebeu diese gute alte Zeit wenig-
stens für sie gethan hat. Er zeige uns, um was er sseine geerbten
Bibliotheken bereichert oder gar neue angelegt hat?

Ich will das kleine Ereigniß erzählen, was mich zu diesen Zeilen
angeregt hat. Vor wenigen Tagen stand ich in der Schröder'schen
Buchhandlung unter den Linden in Berlin. Eine glänzende Equi
page fuhr vor. Ein vornehmer Herr, dessen Namen ich verdchweige,
stieg aus, um einige französische Bücher in Empfang zu nehmen, die
für ihn bereit lagen. - Haben Sie den neuen Roman von Willi-
bald Alexis? fragte er. -Den Urban Grandier? hier ist er, sagte
der Commis; er kostet drei Thaler. - O ich will ihn nicht kaufen,
erwiderte jener; meine Frau wünscht ihn blos zu lesen und Sie
werden wohl so gefällig sein, mir ihn zu borgen.-^ Sehr gerne, Herr
Gras, allein wir können ein ausgeschnittenes Buch dann schwer ver-
kaufen. - Ich will Ihnen für das Lesen gerne etwas vergüten;
auch soll es blos vou der Seite aufgeschnitten werden. -Der Commis
protestirte gegen die Vergütung -mit der ironischen Bemerkung, daß
eine Buchhandlung keine Leihbibliothek sei. Der Gras nahm das Buch
und ging. Welche sarkastische Bemerkutgen der Commis hinter ihm
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/30>, abgerufen am 26.05.2024.