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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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bereit, dem Sie vorhin so unachtsam in Gedanken ausgewichen sind.
Wollen Sie zu meiner Entführung Ihre Stimme geben?

-- Zur Hälfte, Herr Graf. Ich stimme dafür, daß Sie mich
eine gute Strecke durch die schöne Landschaft entführen, und Sie las¬
sen dafür Ihren Wunsch auf das Weitere verzichten.

-- So kommen Sie, daß ich die frohe halbe Stunde gleich zu
genießen beginne.

Mehrere Dorfbewohner haben von verschiedenen Seiten diesem
wunderbaren, in der Gegend nie erlebten Ereignisse zugesehen, daß
ein gräflicher Wagen, mit zwei Prachtschimmeln, mit Kutscher und
Jäger in glänzender Livrve, angehalten habe, daß dann der Jäger
und darauf der Graf selbst abgestiegen und unserem jungen Wan¬
derer nachgegangen sei. Man rief sich zu, dahin zu sehen, das an¬
zuschauen, das Wunder zu betrachten. Größere und kleinere Grup¬
pen Zuschauer stehen jetzt vor den Häusern und auf kleinen Anhöhen,
wo sie zusammengelaufen sind, um den Schauplatz zu sehen, wo der
Graf, den jüngst aus Wien heimgekehrten Sohn ihres Nachbars am
Arm, dem Wagen zuschreitet.

Laut ruft man seine Verwunderung durcheinander.

-- Schaut hin! Schaut hin! Was ist denn nur das? Schaut hin!

-- Du lieblicher, gütiger Himmel!

-- O Jesu, betrachtet nur das!

-- Steigt der Graf selbst ab und geht ihm entgegen und nimmt
ihn am Arm.

-- Nimmt ihn am Arm, o Jesu -- und fahren nun beide im
Wagen davon!

-- O lieblicher Gott!

-- Was muß es nur sein, daß unser Graf das thut! Daß er
ihn in seinen eigenen Wagen nimmt und mit ihm fortfährt?

-- Hat der Vater ein Glück mit seinem Sohn!

-- Hat der Sohn ein Glück!

Unser Vater kommt lange nicht zur Sprache. Es laufen die
Leute um ihn zusammen und bestürmen ihn mit Fragen, die er nicht
beantwortet oder nicht hört. Ohne es selbst zu wissen,, hat er den
Hut feurig gegen das rechte Ohr gerückt und lehnt mit der Schulter
am Baum, leidenschaftlich vorgebeugt, und schaut dem gräflichen
Wagen nach mit den zwei Prachtschimmcln, mit Kutscher und Jäger


bereit, dem Sie vorhin so unachtsam in Gedanken ausgewichen sind.
Wollen Sie zu meiner Entführung Ihre Stimme geben?

— Zur Hälfte, Herr Graf. Ich stimme dafür, daß Sie mich
eine gute Strecke durch die schöne Landschaft entführen, und Sie las¬
sen dafür Ihren Wunsch auf das Weitere verzichten.

— So kommen Sie, daß ich die frohe halbe Stunde gleich zu
genießen beginne.

Mehrere Dorfbewohner haben von verschiedenen Seiten diesem
wunderbaren, in der Gegend nie erlebten Ereignisse zugesehen, daß
ein gräflicher Wagen, mit zwei Prachtschimmeln, mit Kutscher und
Jäger in glänzender Livrve, angehalten habe, daß dann der Jäger
und darauf der Graf selbst abgestiegen und unserem jungen Wan¬
derer nachgegangen sei. Man rief sich zu, dahin zu sehen, das an¬
zuschauen, das Wunder zu betrachten. Größere und kleinere Grup¬
pen Zuschauer stehen jetzt vor den Häusern und auf kleinen Anhöhen,
wo sie zusammengelaufen sind, um den Schauplatz zu sehen, wo der
Graf, den jüngst aus Wien heimgekehrten Sohn ihres Nachbars am
Arm, dem Wagen zuschreitet.

Laut ruft man seine Verwunderung durcheinander.

— Schaut hin! Schaut hin! Was ist denn nur das? Schaut hin!

— Du lieblicher, gütiger Himmel!

— O Jesu, betrachtet nur das!

— Steigt der Graf selbst ab und geht ihm entgegen und nimmt
ihn am Arm.

— Nimmt ihn am Arm, o Jesu — und fahren nun beide im
Wagen davon!

— O lieblicher Gott!

— Was muß es nur sein, daß unser Graf das thut! Daß er
ihn in seinen eigenen Wagen nimmt und mit ihm fortfährt?

— Hat der Vater ein Glück mit seinem Sohn!

— Hat der Sohn ein Glück!

Unser Vater kommt lange nicht zur Sprache. Es laufen die
Leute um ihn zusammen und bestürmen ihn mit Fragen, die er nicht
beantwortet oder nicht hört. Ohne es selbst zu wissen,, hat er den
Hut feurig gegen das rechte Ohr gerückt und lehnt mit der Schulter
am Baum, leidenschaftlich vorgebeugt, und schaut dem gräflichen
Wagen nach mit den zwei Prachtschimmcln, mit Kutscher und Jäger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/50>, abgerufen am 18.05.2024.