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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Männerstimmen ansprechende Compositionen vortrugen, so wenig war
die Veranstaltung doch, was sie zu sein vorgab, der Würde des Mu¬
sikfestes entsprechend. Das Getreide und Gewirre eines öffentlichen
Ortes und das Klappern der Kaffeetassen wollen sich dazu nicht Schil-
ler. Am Ende thut das für die Wirkung beim Musikfest Gewesenen
eben so viel nicht; sie erfahren wohl den rechten Grund solchen Be¬
ginnens, amüstren sich dabei und vergessen das Nebending. Allein
nach Außen nimmt sich solcher kleinlicher Hader traurig aus. Die Ver¬
herrlichung der Kunst ist das Ziel eines so künstlerisch bedeutsamen
Festes und da geben sich in Köln selbst Kunstfreunde solcher erbärm¬
lichen Eifersüchtelei hin über eine der zweckmäßigsten Veranstaltungen,
die seit der Stiftung unserer Musikfeste getroffen worden ist! Aber
ihre Umtriebe haben der Herrlichkeit des Festes doch keinen Eintrag
gethan; die Energie des städtischen Kapellmeisters H. Dorn, des Di¬
rigenten des Festes, wußte die mehr als sechshundert Sänger und
Instrumente, welche zusammenwirkten, zur einmüthigsten Erecution
der schwierigsten Tonwerke, von denen wieder Beethoven's Missa ei¬
nes der schwierigsten ist, zu beseelen, und vor der Meisterschaft des
Erfolgs ist glücklicherweise alle Einrede und alle Mißliebigkeit elen¬
diglich zu Schanden geworden.


lV.
Notizen.

Nikolaus in Braunschweig. -- Lürtich. -- O'Connell und Jordan. -- Berich¬
tigungen.-- Das junge China. -- Türkische Grciuel und christliche Diplomatie.

-- Wir Deutschen sind ein empfängliches Volk. In "bstr-u^o
fressen wir Welsche und Slaven, daß es ein Grauen ist, aber ein
Mächtiger, woher immer, darf sich nur zeigen, um bei Tausenden
nicht blos gerechte Bewunderung, sondern dienstwillige Anbetung zu
finden. Ja, man ließe sich von einem Solchen unterjochen, damit er
nur nicht glaube, wir wüßten seine Größe nicht zu würdigen. Viele
thun jetzt empört über die Vergötterung, die Napoleon bei uns er¬
fuhr, als er der Herr Europas war; das Traurigste ist, daß Napo¬
leon eben so gut von Osten hätte kommen dürfen, ohne den Triumph¬
wagen der Revolution, ohne ein Gefolge heilsamer Reformen, und er
wäre vielleicht von Denselben, die jetzt mit nationalem Hasse seines
Namens prahlen, wie ein gottgesandter Herrscher aufgenommen wor¬
den. Czar Nikolaus reicht lange nicht an den Schatten des großen
Eorfen, allein er ist ein großmächtiger Herr, ein energischer Souve¬
rän, der, ungleich den anderen Monarchen, "die Nacht am Fußboden
auf Strohdecken verbringt"; und stehe da, er kann nicht durch Deutsch¬
land reisen, jenes Deutschland, wo man endlich die Pentarchie zu be-


Männerstimmen ansprechende Compositionen vortrugen, so wenig war
die Veranstaltung doch, was sie zu sein vorgab, der Würde des Mu¬
sikfestes entsprechend. Das Getreide und Gewirre eines öffentlichen
Ortes und das Klappern der Kaffeetassen wollen sich dazu nicht Schil-
ler. Am Ende thut das für die Wirkung beim Musikfest Gewesenen
eben so viel nicht; sie erfahren wohl den rechten Grund solchen Be¬
ginnens, amüstren sich dabei und vergessen das Nebending. Allein
nach Außen nimmt sich solcher kleinlicher Hader traurig aus. Die Ver¬
herrlichung der Kunst ist das Ziel eines so künstlerisch bedeutsamen
Festes und da geben sich in Köln selbst Kunstfreunde solcher erbärm¬
lichen Eifersüchtelei hin über eine der zweckmäßigsten Veranstaltungen,
die seit der Stiftung unserer Musikfeste getroffen worden ist! Aber
ihre Umtriebe haben der Herrlichkeit des Festes doch keinen Eintrag
gethan; die Energie des städtischen Kapellmeisters H. Dorn, des Di¬
rigenten des Festes, wußte die mehr als sechshundert Sänger und
Instrumente, welche zusammenwirkten, zur einmüthigsten Erecution
der schwierigsten Tonwerke, von denen wieder Beethoven's Missa ei¬
nes der schwierigsten ist, zu beseelen, und vor der Meisterschaft des
Erfolgs ist glücklicherweise alle Einrede und alle Mißliebigkeit elen¬
diglich zu Schanden geworden.


lV.
Notizen.

Nikolaus in Braunschweig. — Lürtich. — O'Connell und Jordan. — Berich¬
tigungen.— Das junge China. — Türkische Grciuel und christliche Diplomatie.

— Wir Deutschen sind ein empfängliches Volk. In »bstr-u^o
fressen wir Welsche und Slaven, daß es ein Grauen ist, aber ein
Mächtiger, woher immer, darf sich nur zeigen, um bei Tausenden
nicht blos gerechte Bewunderung, sondern dienstwillige Anbetung zu
finden. Ja, man ließe sich von einem Solchen unterjochen, damit er
nur nicht glaube, wir wüßten seine Größe nicht zu würdigen. Viele
thun jetzt empört über die Vergötterung, die Napoleon bei uns er¬
fuhr, als er der Herr Europas war; das Traurigste ist, daß Napo¬
leon eben so gut von Osten hätte kommen dürfen, ohne den Triumph¬
wagen der Revolution, ohne ein Gefolge heilsamer Reformen, und er
wäre vielleicht von Denselben, die jetzt mit nationalem Hasse seines
Namens prahlen, wie ein gottgesandter Herrscher aufgenommen wor¬
den. Czar Nikolaus reicht lange nicht an den Schatten des großen
Eorfen, allein er ist ein großmächtiger Herr, ein energischer Souve¬
rän, der, ungleich den anderen Monarchen, „die Nacht am Fußboden
auf Strohdecken verbringt"; und stehe da, er kann nicht durch Deutsch¬
land reisen, jenes Deutschland, wo man endlich die Pentarchie zu be-


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[0804] Männerstimmen ansprechende Compositionen vortrugen, so wenig war die Veranstaltung doch, was sie zu sein vorgab, der Würde des Mu¬ sikfestes entsprechend. Das Getreide und Gewirre eines öffentlichen Ortes und das Klappern der Kaffeetassen wollen sich dazu nicht Schil- ler. Am Ende thut das für die Wirkung beim Musikfest Gewesenen eben so viel nicht; sie erfahren wohl den rechten Grund solchen Be¬ ginnens, amüstren sich dabei und vergessen das Nebending. Allein nach Außen nimmt sich solcher kleinlicher Hader traurig aus. Die Ver¬ herrlichung der Kunst ist das Ziel eines so künstlerisch bedeutsamen Festes und da geben sich in Köln selbst Kunstfreunde solcher erbärm¬ lichen Eifersüchtelei hin über eine der zweckmäßigsten Veranstaltungen, die seit der Stiftung unserer Musikfeste getroffen worden ist! Aber ihre Umtriebe haben der Herrlichkeit des Festes doch keinen Eintrag gethan; die Energie des städtischen Kapellmeisters H. Dorn, des Di¬ rigenten des Festes, wußte die mehr als sechshundert Sänger und Instrumente, welche zusammenwirkten, zur einmüthigsten Erecution der schwierigsten Tonwerke, von denen wieder Beethoven's Missa ei¬ nes der schwierigsten ist, zu beseelen, und vor der Meisterschaft des Erfolgs ist glücklicherweise alle Einrede und alle Mißliebigkeit elen¬ diglich zu Schanden geworden. lV. Notizen. Nikolaus in Braunschweig. — Lürtich. — O'Connell und Jordan. — Berich¬ tigungen.— Das junge China. — Türkische Grciuel und christliche Diplomatie. — Wir Deutschen sind ein empfängliches Volk. In »bstr-u^o fressen wir Welsche und Slaven, daß es ein Grauen ist, aber ein Mächtiger, woher immer, darf sich nur zeigen, um bei Tausenden nicht blos gerechte Bewunderung, sondern dienstwillige Anbetung zu finden. Ja, man ließe sich von einem Solchen unterjochen, damit er nur nicht glaube, wir wüßten seine Größe nicht zu würdigen. Viele thun jetzt empört über die Vergötterung, die Napoleon bei uns er¬ fuhr, als er der Herr Europas war; das Traurigste ist, daß Napo¬ leon eben so gut von Osten hätte kommen dürfen, ohne den Triumph¬ wagen der Revolution, ohne ein Gefolge heilsamer Reformen, und er wäre vielleicht von Denselben, die jetzt mit nationalem Hasse seines Namens prahlen, wie ein gottgesandter Herrscher aufgenommen wor¬ den. Czar Nikolaus reicht lange nicht an den Schatten des großen Eorfen, allein er ist ein großmächtiger Herr, ein energischer Souve¬ rän, der, ungleich den anderen Monarchen, „die Nacht am Fußboden auf Strohdecken verbringt"; und stehe da, er kann nicht durch Deutsch¬ land reisen, jenes Deutschland, wo man endlich die Pentarchie zu be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/804>, abgerufen am 27.05.2024.