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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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roher, als bereits verarbeiteter Gestalt, sofort einem hohem Zoll als
bisher zu unterwerfen sei und vom I. September ab, wo auch für
englisches, schwedisches und anderes ausländisches Eisen eine höhere
Besteuerung eintritt, noch fünfzig Procent mehr an Steuer entrichten
soll, als das Eisen des übrigen Auslandes. "Diese letztere Anord¬
nung", heißt es wörtlich in jener Cabinetsordre, "soll außer Wirk¬
samreit treten, wenn die von der königl. belgischen Regierung dazu
gegebene Veranlassung wegfällt." Also "Karnickel hat angefangen",
wie man auf Berlinisch zu sagen pflegt. Belgien will nämlich die
deutschen Mosel- und Rheinweine so wie die in Elberfeld, Krefeld
und Berlin fabricirten Seidenwaaren nicht mehr zu demselben er¬
mäßigten Zollsatze zulassen, zu welchem es die Bordeaux- und Cham¬
pagner-Weine, so wie die Lyoner Seidenwaaren zuläßt. Hier ist also
das bekannte Wort in Anwendung gebracht: "Schlägst Du meinen
Juden, so schlag ick) Deinen Juden." Es fragt sich nur, wie dabei
die christlichen Consumenten fahren und ob der christlich-germanische
Staat gegen einen andern, wenn auch nur halb germanischen, doch
ganz christlichen Staat solche Grundsätze in Anwendung bringen darf.
Wir bezweifeln übrigens sehr, daß die vom Zollverein angewandte
Netorsion in Belgien die erwarteten Folgen haben werde; wenigstens
hat man bis jetzt noch nicht vernommen, daß sich Frankreich durch
die im vorigen Jahre stattgefundene deutsche Zollcrhöhung einiger
Pariser Modeartikel habe bewegen lassen, die von ihm gegen Deutsch¬
land in Anwendung gebrachten Differentialzölle zurückzunehmen.

Ein ganz ähnlicher Cartelvertrag, wie kürzlich zwischen Preußen
und Rußland, ist jetzt auch zwischen Preußen und dem Großherzog-
thum Luxemburg abgeschlossen worden. Auf Deserteurs brauchte die¬
ser Vertrag nicht ausgedehnt zu werden, weil ein Cartel über die
Auslieferung derselben schon durch die Bundesverfassung zwischen allen
zum deutschen Bunde gehörenden Staaten besteht. Die einzige Merk¬
würdigkeit an diesem Vertrag ist übrigens, daß ein deutscher Freiherr,
der Staatskanzler für das deutsche Großherzogthum Luxemburg, unter
einer in deutscher Sprache abgefaßten Urkunde seinen Namen nicht
anders als "de Blochausen" unterzeichnet. Es ist dies ein recht cha¬
rakteristisches Merkmal von dem französieren, Wesen in Luxemburg,
das auch durch die jetzt dort begründete ultcakatholisch-absolutistisch¬
deutsche Zeitung schwerlich wieder gcrmanisirt werden wird.

X<1 vocem germanisiren muß ich doch auch des von den Her¬
ren Wöniger, Firmenich und von Holtzendorff beabsichtigten Vereins
zur Erhaltung der deutschen Nationalität gedenken. Von diesem Ver¬
ein hat man bisher Manches in auswärtigen, aber noch kein Wort
in hiesigen Blattern gelesen, und nun hören wir, daß wir diesen
Umstand unserer Censur zu verdanken haben, welche den Druck der
Aufforderung zur Begründung jenes Unternehmens nicht eher gestad-


roher, als bereits verarbeiteter Gestalt, sofort einem hohem Zoll als
bisher zu unterwerfen sei und vom I. September ab, wo auch für
englisches, schwedisches und anderes ausländisches Eisen eine höhere
Besteuerung eintritt, noch fünfzig Procent mehr an Steuer entrichten
soll, als das Eisen des übrigen Auslandes. „Diese letztere Anord¬
nung", heißt es wörtlich in jener Cabinetsordre, „soll außer Wirk¬
samreit treten, wenn die von der königl. belgischen Regierung dazu
gegebene Veranlassung wegfällt." Also „Karnickel hat angefangen",
wie man auf Berlinisch zu sagen pflegt. Belgien will nämlich die
deutschen Mosel- und Rheinweine so wie die in Elberfeld, Krefeld
und Berlin fabricirten Seidenwaaren nicht mehr zu demselben er¬
mäßigten Zollsatze zulassen, zu welchem es die Bordeaux- und Cham¬
pagner-Weine, so wie die Lyoner Seidenwaaren zuläßt. Hier ist also
das bekannte Wort in Anwendung gebracht: „Schlägst Du meinen
Juden, so schlag ick) Deinen Juden." Es fragt sich nur, wie dabei
die christlichen Consumenten fahren und ob der christlich-germanische
Staat gegen einen andern, wenn auch nur halb germanischen, doch
ganz christlichen Staat solche Grundsätze in Anwendung bringen darf.
Wir bezweifeln übrigens sehr, daß die vom Zollverein angewandte
Netorsion in Belgien die erwarteten Folgen haben werde; wenigstens
hat man bis jetzt noch nicht vernommen, daß sich Frankreich durch
die im vorigen Jahre stattgefundene deutsche Zollcrhöhung einiger
Pariser Modeartikel habe bewegen lassen, die von ihm gegen Deutsch¬
land in Anwendung gebrachten Differentialzölle zurückzunehmen.

Ein ganz ähnlicher Cartelvertrag, wie kürzlich zwischen Preußen
und Rußland, ist jetzt auch zwischen Preußen und dem Großherzog-
thum Luxemburg abgeschlossen worden. Auf Deserteurs brauchte die¬
ser Vertrag nicht ausgedehnt zu werden, weil ein Cartel über die
Auslieferung derselben schon durch die Bundesverfassung zwischen allen
zum deutschen Bunde gehörenden Staaten besteht. Die einzige Merk¬
würdigkeit an diesem Vertrag ist übrigens, daß ein deutscher Freiherr,
der Staatskanzler für das deutsche Großherzogthum Luxemburg, unter
einer in deutscher Sprache abgefaßten Urkunde seinen Namen nicht
anders als „de Blochausen" unterzeichnet. Es ist dies ein recht cha¬
rakteristisches Merkmal von dem französieren, Wesen in Luxemburg,
das auch durch die jetzt dort begründete ultcakatholisch-absolutistisch¬
deutsche Zeitung schwerlich wieder gcrmanisirt werden wird.

X<1 vocem germanisiren muß ich doch auch des von den Her¬
ren Wöniger, Firmenich und von Holtzendorff beabsichtigten Vereins
zur Erhaltung der deutschen Nationalität gedenken. Von diesem Ver¬
ein hat man bisher Manches in auswärtigen, aber noch kein Wort
in hiesigen Blattern gelesen, und nun hören wir, daß wir diesen
Umstand unserer Censur zu verdanken haben, welche den Druck der
Aufforderung zur Begründung jenes Unternehmens nicht eher gestad-


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[0236] roher, als bereits verarbeiteter Gestalt, sofort einem hohem Zoll als bisher zu unterwerfen sei und vom I. September ab, wo auch für englisches, schwedisches und anderes ausländisches Eisen eine höhere Besteuerung eintritt, noch fünfzig Procent mehr an Steuer entrichten soll, als das Eisen des übrigen Auslandes. „Diese letztere Anord¬ nung", heißt es wörtlich in jener Cabinetsordre, „soll außer Wirk¬ samreit treten, wenn die von der königl. belgischen Regierung dazu gegebene Veranlassung wegfällt." Also „Karnickel hat angefangen", wie man auf Berlinisch zu sagen pflegt. Belgien will nämlich die deutschen Mosel- und Rheinweine so wie die in Elberfeld, Krefeld und Berlin fabricirten Seidenwaaren nicht mehr zu demselben er¬ mäßigten Zollsatze zulassen, zu welchem es die Bordeaux- und Cham¬ pagner-Weine, so wie die Lyoner Seidenwaaren zuläßt. Hier ist also das bekannte Wort in Anwendung gebracht: „Schlägst Du meinen Juden, so schlag ick) Deinen Juden." Es fragt sich nur, wie dabei die christlichen Consumenten fahren und ob der christlich-germanische Staat gegen einen andern, wenn auch nur halb germanischen, doch ganz christlichen Staat solche Grundsätze in Anwendung bringen darf. Wir bezweifeln übrigens sehr, daß die vom Zollverein angewandte Netorsion in Belgien die erwarteten Folgen haben werde; wenigstens hat man bis jetzt noch nicht vernommen, daß sich Frankreich durch die im vorigen Jahre stattgefundene deutsche Zollcrhöhung einiger Pariser Modeartikel habe bewegen lassen, die von ihm gegen Deutsch¬ land in Anwendung gebrachten Differentialzölle zurückzunehmen. Ein ganz ähnlicher Cartelvertrag, wie kürzlich zwischen Preußen und Rußland, ist jetzt auch zwischen Preußen und dem Großherzog- thum Luxemburg abgeschlossen worden. Auf Deserteurs brauchte die¬ ser Vertrag nicht ausgedehnt zu werden, weil ein Cartel über die Auslieferung derselben schon durch die Bundesverfassung zwischen allen zum deutschen Bunde gehörenden Staaten besteht. Die einzige Merk¬ würdigkeit an diesem Vertrag ist übrigens, daß ein deutscher Freiherr, der Staatskanzler für das deutsche Großherzogthum Luxemburg, unter einer in deutscher Sprache abgefaßten Urkunde seinen Namen nicht anders als „de Blochausen" unterzeichnet. Es ist dies ein recht cha¬ rakteristisches Merkmal von dem französieren, Wesen in Luxemburg, das auch durch die jetzt dort begründete ultcakatholisch-absolutistisch¬ deutsche Zeitung schwerlich wieder gcrmanisirt werden wird. X<1 vocem germanisiren muß ich doch auch des von den Her¬ ren Wöniger, Firmenich und von Holtzendorff beabsichtigten Vereins zur Erhaltung der deutschen Nationalität gedenken. Von diesem Ver¬ ein hat man bisher Manches in auswärtigen, aber noch kein Wort in hiesigen Blattern gelesen, und nun hören wir, daß wir diesen Umstand unserer Censur zu verdanken haben, welche den Druck der Aufforderung zur Begründung jenes Unternehmens nicht eher gestad-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/236>, abgerufen am 28.05.2024.