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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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umsah! Wie hätte es ihrem Gefühl geschmeichelt, wenn sie ihn ab¬
getrennt von der allgemeinen Freude, ihrer gedenkend, sie vermissend,
still in sich gekehrt dastehen erblickt hätte! Aber ach! diese halbeHvffnung
mußte nur zu bald in ihr Nichts zerrinnen! Denn jene schone, be¬
wegliche Männergestalt dort an der Seite der reizenden Fremden, die
heute alle Künste der Toilette erschöpft hatte, um ihren natürlichen
Vorzügen zu Hilfe zu kommen, der Marquise von Garcia: war es
nicht Thomaso, in einer Pause des Tanzes das lebhafteste Ge¬
spräch mit seiner Dame führend? Freilich eilte er, sobald er später
Elisens ansichtig wurde, froh überrascht zu ihr hin und gab ihr sein
Vergnügen in gewiß innig empfundenen Worten zu erkennen, aber
sein Gesicht hatte auch ohne sie, und einer Andern gegenüber, vor
Freude gestrahlt, und der Fürstin höhnender Ausruf: Du bist nicht
die Erste, die er geliebt, und wirst nicht die Letzte sein! hallte, un¬
barmherzig ihr Inneres zerwühlend, durch dasselbe wider.

Arme, thörichte Elisa, von einem Manne und noch dazu von
einem Italiener das ausschließliche Gefühl zu erwarten, das höchstens
in dem reinen Frauenherzen wohnt! Empfand doch selbst Petrarca,
trotz seiner vergötternden Liebe für die schöne Laura, weder ästhetische
noch moralische Gewissensbisse, als er neben dieser reinen, ihn durch¬
dringenden Flamme noch andere nährte, die weniger zu seiner Läu¬
terung beitrugen!

Wie schon bemerkt, nimmt die großherzogliche Familie an die¬
sem Feste Antheil. Damit sie die Erleuchtungen und Feuerwerke
draußen besser schaue und zugleich von dem drunten wogenden Volke
gesehen werde, ist an diesem Tage eine eigene Tribune nach dem
Arno hin erbaut, auf welche sie mehrere Male hinaustritt. Laute
Vivats begleiten dann immer ihre Erscheinung. Ueberhaupt wird
Leopold II., der den schönen Thron der Medicäer jetzt besitzt, auf¬
richtig geliebt von seinen Unterthanen; ein Tribut, der seiner gerech¬
ten und humanen Negierung auch in vollem Maße zukommt, wie
denn ohne Frage dieser Theil von Italien aufs Vortheilhafteste ge¬
gen seine Brüder absticht, und der deutsche Einfluß darin unverkenn¬
bar ist. So wird, wenn der Großherzog mit den Seinen unter sich
weilt, nur deutsch gesprochen, und selbst seine Gemahlin, die es kaum
versteht, muß sich darein fügen, wie der ganze Hof in Manches, was
mit Grund und Boden, Sitten, Sprache und Klima des Landes,


umsah! Wie hätte es ihrem Gefühl geschmeichelt, wenn sie ihn ab¬
getrennt von der allgemeinen Freude, ihrer gedenkend, sie vermissend,
still in sich gekehrt dastehen erblickt hätte! Aber ach! diese halbeHvffnung
mußte nur zu bald in ihr Nichts zerrinnen! Denn jene schone, be¬
wegliche Männergestalt dort an der Seite der reizenden Fremden, die
heute alle Künste der Toilette erschöpft hatte, um ihren natürlichen
Vorzügen zu Hilfe zu kommen, der Marquise von Garcia: war es
nicht Thomaso, in einer Pause des Tanzes das lebhafteste Ge¬
spräch mit seiner Dame führend? Freilich eilte er, sobald er später
Elisens ansichtig wurde, froh überrascht zu ihr hin und gab ihr sein
Vergnügen in gewiß innig empfundenen Worten zu erkennen, aber
sein Gesicht hatte auch ohne sie, und einer Andern gegenüber, vor
Freude gestrahlt, und der Fürstin höhnender Ausruf: Du bist nicht
die Erste, die er geliebt, und wirst nicht die Letzte sein! hallte, un¬
barmherzig ihr Inneres zerwühlend, durch dasselbe wider.

Arme, thörichte Elisa, von einem Manne und noch dazu von
einem Italiener das ausschließliche Gefühl zu erwarten, das höchstens
in dem reinen Frauenherzen wohnt! Empfand doch selbst Petrarca,
trotz seiner vergötternden Liebe für die schöne Laura, weder ästhetische
noch moralische Gewissensbisse, als er neben dieser reinen, ihn durch¬
dringenden Flamme noch andere nährte, die weniger zu seiner Läu¬
terung beitrugen!

Wie schon bemerkt, nimmt die großherzogliche Familie an die¬
sem Feste Antheil. Damit sie die Erleuchtungen und Feuerwerke
draußen besser schaue und zugleich von dem drunten wogenden Volke
gesehen werde, ist an diesem Tage eine eigene Tribune nach dem
Arno hin erbaut, auf welche sie mehrere Male hinaustritt. Laute
Vivats begleiten dann immer ihre Erscheinung. Ueberhaupt wird
Leopold II., der den schönen Thron der Medicäer jetzt besitzt, auf¬
richtig geliebt von seinen Unterthanen; ein Tribut, der seiner gerech¬
ten und humanen Negierung auch in vollem Maße zukommt, wie
denn ohne Frage dieser Theil von Italien aufs Vortheilhafteste ge¬
gen seine Brüder absticht, und der deutsche Einfluß darin unverkenn¬
bar ist. So wird, wenn der Großherzog mit den Seinen unter sich
weilt, nur deutsch gesprochen, und selbst seine Gemahlin, die es kaum
versteht, muß sich darein fügen, wie der ganze Hof in Manches, was
mit Grund und Boden, Sitten, Sprache und Klima des Landes,


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[0304] umsah! Wie hätte es ihrem Gefühl geschmeichelt, wenn sie ihn ab¬ getrennt von der allgemeinen Freude, ihrer gedenkend, sie vermissend, still in sich gekehrt dastehen erblickt hätte! Aber ach! diese halbeHvffnung mußte nur zu bald in ihr Nichts zerrinnen! Denn jene schone, be¬ wegliche Männergestalt dort an der Seite der reizenden Fremden, die heute alle Künste der Toilette erschöpft hatte, um ihren natürlichen Vorzügen zu Hilfe zu kommen, der Marquise von Garcia: war es nicht Thomaso, in einer Pause des Tanzes das lebhafteste Ge¬ spräch mit seiner Dame führend? Freilich eilte er, sobald er später Elisens ansichtig wurde, froh überrascht zu ihr hin und gab ihr sein Vergnügen in gewiß innig empfundenen Worten zu erkennen, aber sein Gesicht hatte auch ohne sie, und einer Andern gegenüber, vor Freude gestrahlt, und der Fürstin höhnender Ausruf: Du bist nicht die Erste, die er geliebt, und wirst nicht die Letzte sein! hallte, un¬ barmherzig ihr Inneres zerwühlend, durch dasselbe wider. Arme, thörichte Elisa, von einem Manne und noch dazu von einem Italiener das ausschließliche Gefühl zu erwarten, das höchstens in dem reinen Frauenherzen wohnt! Empfand doch selbst Petrarca, trotz seiner vergötternden Liebe für die schöne Laura, weder ästhetische noch moralische Gewissensbisse, als er neben dieser reinen, ihn durch¬ dringenden Flamme noch andere nährte, die weniger zu seiner Läu¬ terung beitrugen! Wie schon bemerkt, nimmt die großherzogliche Familie an die¬ sem Feste Antheil. Damit sie die Erleuchtungen und Feuerwerke draußen besser schaue und zugleich von dem drunten wogenden Volke gesehen werde, ist an diesem Tage eine eigene Tribune nach dem Arno hin erbaut, auf welche sie mehrere Male hinaustritt. Laute Vivats begleiten dann immer ihre Erscheinung. Ueberhaupt wird Leopold II., der den schönen Thron der Medicäer jetzt besitzt, auf¬ richtig geliebt von seinen Unterthanen; ein Tribut, der seiner gerech¬ ten und humanen Negierung auch in vollem Maße zukommt, wie denn ohne Frage dieser Theil von Italien aufs Vortheilhafteste ge¬ gen seine Brüder absticht, und der deutsche Einfluß darin unverkenn¬ bar ist. So wird, wenn der Großherzog mit den Seinen unter sich weilt, nur deutsch gesprochen, und selbst seine Gemahlin, die es kaum versteht, muß sich darein fügen, wie der ganze Hof in Manches, was mit Grund und Boden, Sitten, Sprache und Klima des Landes,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/304>, abgerufen am 19.05.2024.