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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Von den Bewegungen unter den Kattundruckern, die hier in der
vorigen Woche nach dem Beispiele Prags stattgefunden, ist jetzt keine
Spur mehr, da alle wieder zu ihrer Arbeit zurückgekehrt sind, und
zwar ohne daß ihnen irgend ein Zugeständnis) gemacht worden. Wir
haben jedoch das Vertrauen zu der Humanität der hiesigen, größten-
theils sehr achtbar renommirten Kattundruckcreibesitzer, daß sie, wenn
erst die jetzige Aufregung vorüber sein wird, die Beschwerden ihrer
Untergebenen gründlich untersuchen und da, wo es der Stand der
Fabrikation irgend zuläßt, ihnen Zuschüsse zu ihren Arbeitslöhnen be¬
willigen werden.
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>),. Pcutz, der jetzt in Halle domicilirt, war auf einige Wochen
hier anwesend, um den Proben und ersten Aufführungen seines "Mo¬
ritz von Sachsen" beizuwohnen. Von letzteren hat er jedoch nur Eine
sehen können, da es vorläufig dabei geblieben ist, und wie es scheint,
auch keine zweite Aufführung stattfinden wird. Nicht etwa hat das
Stück mißfallen; im Gegentheil, man kann sagen, daß seit langer
Zeit kein Drama bei seiner ersten Darstellung vom Publicum mit
so stürmischem Beifall aufgenommen worden. Prutz wurde sowohl im
Laufe, als nach Beendigung des Stückes hervorgerufen und hielt
eine Anrede an das Publicum, worin er das Verdienst des Abends
von sich ablehnte und die Ursache der großen Theilnahme in der Idee
der Freiheit suchte, die in diesem Drama behandelt werde. Möchte
nur, fügte er hinzu, diese Idee bald auch im Leben unter uns ihre
würdigen Vertreter finden! Man glaubt, daß es gerade der Beifall
war, den diese Worte gefunden, was den Anstoß zur NichtWiederauf¬
führung des Stückes gab, denn angekündigt auf dem Zettel war es
bereits, als mit einem Male unvorhergesehene Hindernisse dazwischen
kamen.

Nestrov beendigt in diesen Tagen sein Gastspiel auf dem König¬
städtischen Theater. Man kann eben nicht sagen, daß er Furore ge¬
macht, wiewohl er gerade bei dem gebildeten Theile des Publi¬
kums, dem er als ein gemüthvoller Darsteller erschien, der sich fern
von aller Possenreißer" hält, den meisten Beifall fand. Höchst wider¬
wärtig war die Art und Weise, wie die Kritik der Bossischen Zei¬
tung, die hier in Theatersachen ein sehr einflußreiches Organ ist, den
geschätzten Gast behandelte. Herr Professor Gubitz, der diesen Theil
der Vossischen Theaterkritik schreibt, hat den Groll gegen das Königs¬
städtische Theater, dessen Komödienzettel nicht mehr in seiner Officin
gedruckt werden, auch auf die fremden Gäste übertragen, und das ist
doch wohl mehr als ungastfreundlich! Es ist hohe Zeit, daß die Thea¬
terkritik der Vossischen Zeitung sich regenerire, wenn sie nicht riskiren
will, selbst auf das geduldigste Publicum ihren Einfluß zu verlieren.


Justus.
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Von den Bewegungen unter den Kattundruckern, die hier in der
vorigen Woche nach dem Beispiele Prags stattgefunden, ist jetzt keine
Spur mehr, da alle wieder zu ihrer Arbeit zurückgekehrt sind, und
zwar ohne daß ihnen irgend ein Zugeständnis) gemacht worden. Wir
haben jedoch das Vertrauen zu der Humanität der hiesigen, größten-
theils sehr achtbar renommirten Kattundruckcreibesitzer, daß sie, wenn
erst die jetzige Aufregung vorüber sein wird, die Beschwerden ihrer
Untergebenen gründlich untersuchen und da, wo es der Stand der
Fabrikation irgend zuläßt, ihnen Zuschüsse zu ihren Arbeitslöhnen be¬
willigen werden.
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>),. Pcutz, der jetzt in Halle domicilirt, war auf einige Wochen
hier anwesend, um den Proben und ersten Aufführungen seines „Mo¬
ritz von Sachsen" beizuwohnen. Von letzteren hat er jedoch nur Eine
sehen können, da es vorläufig dabei geblieben ist, und wie es scheint,
auch keine zweite Aufführung stattfinden wird. Nicht etwa hat das
Stück mißfallen; im Gegentheil, man kann sagen, daß seit langer
Zeit kein Drama bei seiner ersten Darstellung vom Publicum mit
so stürmischem Beifall aufgenommen worden. Prutz wurde sowohl im
Laufe, als nach Beendigung des Stückes hervorgerufen und hielt
eine Anrede an das Publicum, worin er das Verdienst des Abends
von sich ablehnte und die Ursache der großen Theilnahme in der Idee
der Freiheit suchte, die in diesem Drama behandelt werde. Möchte
nur, fügte er hinzu, diese Idee bald auch im Leben unter uns ihre
würdigen Vertreter finden! Man glaubt, daß es gerade der Beifall
war, den diese Worte gefunden, was den Anstoß zur NichtWiederauf¬
führung des Stückes gab, denn angekündigt auf dem Zettel war es
bereits, als mit einem Male unvorhergesehene Hindernisse dazwischen
kamen.

Nestrov beendigt in diesen Tagen sein Gastspiel auf dem König¬
städtischen Theater. Man kann eben nicht sagen, daß er Furore ge¬
macht, wiewohl er gerade bei dem gebildeten Theile des Publi¬
kums, dem er als ein gemüthvoller Darsteller erschien, der sich fern
von aller Possenreißer« hält, den meisten Beifall fand. Höchst wider¬
wärtig war die Art und Weise, wie die Kritik der Bossischen Zei¬
tung, die hier in Theatersachen ein sehr einflußreiches Organ ist, den
geschätzten Gast behandelte. Herr Professor Gubitz, der diesen Theil
der Vossischen Theaterkritik schreibt, hat den Groll gegen das Königs¬
städtische Theater, dessen Komödienzettel nicht mehr in seiner Officin
gedruckt werden, auch auf die fremden Gäste übertragen, und das ist
doch wohl mehr als ungastfreundlich! Es ist hohe Zeit, daß die Thea¬
terkritik der Vossischen Zeitung sich regenerire, wenn sie nicht riskiren
will, selbst auf das geduldigste Publicum ihren Einfluß zu verlieren.


Justus.
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Grcnzbote» t8ii. II. 6le
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/481>, abgerufen am 17.06.2024.