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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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-- I. H. Merivale, von dem erst vor Kurzem gleichzeitig mit der
Bulwer'schen eine Uebersetzung der Schiller'schen Gedichte durchgängig
im Versmaß des Originals erschien, starb am 25. April in seinem
65. Jahre, wahrend er eine verbesserte zweite Auflage seiner Ueber-
>etzung mit großem Fleiße vorbereitete. Er ist von deutscher Herkunft.
-- seine Großmutter mütterlicher Seits war eine Lübeckerin -- lernte
aber erst im späten Alter, aus Liebe zur deutschen Literatur, die
deutsche Sprache. Als Frucht seines Studiums veröffentlichte er die
Uebersetzung der lyrischen Gedichte Schillers, die an Treue die Bul-
wer'sche übertrifft, obgleich sie nicht immer die rhetorische Gluth des Ori¬
ginals mit gleichem Glück wie Bulwer erreicht hat.

-- O'Connell's Haft ist keine so ritterliche mehr, wie anfangs;
er darf keine Deputationen empfangen und ist in seinem Verkehr mit
der Welt sehr beschränkt. Die Repealagitation scheint aber doch täg¬
lich an Jntensivität und Hartnäckigkeit zu gewinnen. Welcher Geist
in Irland herrschen muß, zeigt ein von allen Zeitungen erzählter Vor¬
fall. Aus einer Freischule in Dublin sind mehrere irische Knaben
ausgestoßen worden, weil sie sich geweigert hatten, den Repealknopf,
das verbotene Abzeichen ihrer Partei, auch nur während der Lehrstunde
abzulegen. Von solchem Eigensinn hat man wohl in Deutschland
heutzutage keinen Begriff.

-- Es wundert uns, daß die Heldengestalt Abd-el-Kader'ö noch
keinen Poeten begeistert hat. Nicht einmal im Ballet hat man ihn
und seine malerischen Schaaren angebracht. Der einzige Gewinn, den
der Algierkrieg, außer ein Paar Büchern, der europäischen Cultur gebracht
hat, ist -- der Burnus. Vielleicht ist Marocco, das jetzt Mode
wird, glücklicher. Poeten, die darauf reflectiren, sollten sich den Wink
nicht entgehen lassen, den alle Zeitungen geben; das Kriegsgeschrei
der Maroccaner besteht nämlich in einem dumpfen: Ha, ha, ha!

(Den unbekannten Herrn Einsender einiger sehr interessanten Mit¬
theilungen "von der polnischen Grenze" ersuchen wir freund¬
lichst, sich uns zu erkennen zu geben. So willkommen uns derglei¬
chen Einsendungen wären, so können wir ihnen, so lange sie aus u n-
bekannter Hand uns zukommen, keinen Platz in den Grenzboten
einräumen.


Die Redaction der Grenzboten.


Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

— I. H. Merivale, von dem erst vor Kurzem gleichzeitig mit der
Bulwer'schen eine Uebersetzung der Schiller'schen Gedichte durchgängig
im Versmaß des Originals erschien, starb am 25. April in seinem
65. Jahre, wahrend er eine verbesserte zweite Auflage seiner Ueber-
>etzung mit großem Fleiße vorbereitete. Er ist von deutscher Herkunft.
— seine Großmutter mütterlicher Seits war eine Lübeckerin — lernte
aber erst im späten Alter, aus Liebe zur deutschen Literatur, die
deutsche Sprache. Als Frucht seines Studiums veröffentlichte er die
Uebersetzung der lyrischen Gedichte Schillers, die an Treue die Bul-
wer'sche übertrifft, obgleich sie nicht immer die rhetorische Gluth des Ori¬
ginals mit gleichem Glück wie Bulwer erreicht hat.

— O'Connell's Haft ist keine so ritterliche mehr, wie anfangs;
er darf keine Deputationen empfangen und ist in seinem Verkehr mit
der Welt sehr beschränkt. Die Repealagitation scheint aber doch täg¬
lich an Jntensivität und Hartnäckigkeit zu gewinnen. Welcher Geist
in Irland herrschen muß, zeigt ein von allen Zeitungen erzählter Vor¬
fall. Aus einer Freischule in Dublin sind mehrere irische Knaben
ausgestoßen worden, weil sie sich geweigert hatten, den Repealknopf,
das verbotene Abzeichen ihrer Partei, auch nur während der Lehrstunde
abzulegen. Von solchem Eigensinn hat man wohl in Deutschland
heutzutage keinen Begriff.

— Es wundert uns, daß die Heldengestalt Abd-el-Kader'ö noch
keinen Poeten begeistert hat. Nicht einmal im Ballet hat man ihn
und seine malerischen Schaaren angebracht. Der einzige Gewinn, den
der Algierkrieg, außer ein Paar Büchern, der europäischen Cultur gebracht
hat, ist — der Burnus. Vielleicht ist Marocco, das jetzt Mode
wird, glücklicher. Poeten, die darauf reflectiren, sollten sich den Wink
nicht entgehen lassen, den alle Zeitungen geben; das Kriegsgeschrei
der Maroccaner besteht nämlich in einem dumpfen: Ha, ha, ha!

(Den unbekannten Herrn Einsender einiger sehr interessanten Mit¬
theilungen „von der polnischen Grenze" ersuchen wir freund¬
lichst, sich uns zu erkennen zu geben. So willkommen uns derglei¬
chen Einsendungen wären, so können wir ihnen, so lange sie aus u n-
bekannter Hand uns zukommen, keinen Platz in den Grenzboten
einräumen.


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Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0056] — I. H. Merivale, von dem erst vor Kurzem gleichzeitig mit der Bulwer'schen eine Uebersetzung der Schiller'schen Gedichte durchgängig im Versmaß des Originals erschien, starb am 25. April in seinem 65. Jahre, wahrend er eine verbesserte zweite Auflage seiner Ueber- >etzung mit großem Fleiße vorbereitete. Er ist von deutscher Herkunft. — seine Großmutter mütterlicher Seits war eine Lübeckerin — lernte aber erst im späten Alter, aus Liebe zur deutschen Literatur, die deutsche Sprache. Als Frucht seines Studiums veröffentlichte er die Uebersetzung der lyrischen Gedichte Schillers, die an Treue die Bul- wer'sche übertrifft, obgleich sie nicht immer die rhetorische Gluth des Ori¬ ginals mit gleichem Glück wie Bulwer erreicht hat. — O'Connell's Haft ist keine so ritterliche mehr, wie anfangs; er darf keine Deputationen empfangen und ist in seinem Verkehr mit der Welt sehr beschränkt. Die Repealagitation scheint aber doch täg¬ lich an Jntensivität und Hartnäckigkeit zu gewinnen. Welcher Geist in Irland herrschen muß, zeigt ein von allen Zeitungen erzählter Vor¬ fall. Aus einer Freischule in Dublin sind mehrere irische Knaben ausgestoßen worden, weil sie sich geweigert hatten, den Repealknopf, das verbotene Abzeichen ihrer Partei, auch nur während der Lehrstunde abzulegen. Von solchem Eigensinn hat man wohl in Deutschland heutzutage keinen Begriff. — Es wundert uns, daß die Heldengestalt Abd-el-Kader'ö noch keinen Poeten begeistert hat. Nicht einmal im Ballet hat man ihn und seine malerischen Schaaren angebracht. Der einzige Gewinn, den der Algierkrieg, außer ein Paar Büchern, der europäischen Cultur gebracht hat, ist — der Burnus. Vielleicht ist Marocco, das jetzt Mode wird, glücklicher. Poeten, die darauf reflectiren, sollten sich den Wink nicht entgehen lassen, den alle Zeitungen geben; das Kriegsgeschrei der Maroccaner besteht nämlich in einem dumpfen: Ha, ha, ha! (Den unbekannten Herrn Einsender einiger sehr interessanten Mit¬ theilungen „von der polnischen Grenze" ersuchen wir freund¬ lichst, sich uns zu erkennen zu geben. So willkommen uns derglei¬ chen Einsendungen wären, so können wir ihnen, so lange sie aus u n- bekannter Hand uns zukommen, keinen Platz in den Grenzboten einräumen. Die Redaction der Grenzboten. Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/56>, abgerufen am 10.06.2024.