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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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vor allen Dingen Ruhe verordneten, ein Element, in welchem jedoch
die Nichte Napoleons eben so wenig als einst er selbst zu leben ver¬
mag und deshalb trotz einer Übeln Nacht andern Morgens doch
schon wieder im Wagen saß, um Abends in Conegliano neue Kuren
zu beginnen. Hatten diese nun angeschlagen, oder half sich die gute
Natur der Prinzessin von selbst, kurz, sie verließ diesen Ort fast ganz
hergestellt und lud mich in Palma-nuova, wo ein Phaeton mit eig¬
nen Pferden ihrer harrte, freundlichst ein, denselben mit ihr zu be¬
steigen, worauf sie mich alsdann mit kräftiger Hand die 8 Miglien,
welche wir noch von Villa-Elisa entfernt waren, kutschirte.

Da haben Sie einen Maßstab dieser 36 jährigen originellen Frau,
die Alles ist, nur kein Weib, deren Geist aber häufig Funken sprüht,
die an den ihres großen Oheims erinnern!

Sie ist, wie Sie bereits wissen, die Tochter Elisa'ö -- einer
Schwester Desjenigen, der Kaiser von Frankreich war, als er diese
zur Großherzogin von Toscana stempelte, -- und des Prinzen Felir
Bacciochi, eines Corsen. Mit vielen Anlagen geboren, doch in all
ihren Eigenthümlichkeiten und Liebhabereien auf das männliche Ge¬
biet hinüberspielend, hätte sie wohl einer besonders sorgsamen Leitung
bedurft, um sich harmonisch zu entwickeln, während der frühzeitige
Tod ihrer Mutter -- Elisa starb bereits im Jahr 1820 -- in ihrer
Erziehung große Lücken ließ, die der Vater mit dem besten Willen
nicht auszufüllen wußte. Es war und blieb ein seltsames Wesen diese
Prinzessin Napoleon -- wie sie mit Bornamen heißt -- voll der
heterogensten Elemente, die zu verschmelzen man endlich den Plan
entwarf, sie mit einem jungen schönen Mann zu verheirathen, der zu¬
dem Erbe eines in Italien hochgeehrten Namens und ansehnlicher,
wenn gleich verschuldeter Besitzungen war. So wurde unsre Heldin
im I9den Jahre die Gemahlin des Grafen Philipp Camerata. Aber
das Glück dieser jungen Ehe war kaum nach Monaten zu zählen,
denn die geistige Unbedeutendheit des Mannes konnte eine Frau wie
diese am wenigsten ertragen, und es fand nur zu bald eine gänzliche
Trennung Statt, in welcher der einzige Berührungspunkt, ja fort¬
dauernder Zankapfel zwischen Beiden ihr einziger Sohn geblieben ist,
dessen Erziehung jedoch hauptsächlich die Prinzessin leitet. Sie hat
seinem Vater, welcher in Ancona lebt, dagegen ihre sehr reiche Aus¬
steuer überlassen und nie Geldansprüche an ihn gemacht, was der


Grenzboten 1"4i. it. It)

vor allen Dingen Ruhe verordneten, ein Element, in welchem jedoch
die Nichte Napoleons eben so wenig als einst er selbst zu leben ver¬
mag und deshalb trotz einer Übeln Nacht andern Morgens doch
schon wieder im Wagen saß, um Abends in Conegliano neue Kuren
zu beginnen. Hatten diese nun angeschlagen, oder half sich die gute
Natur der Prinzessin von selbst, kurz, sie verließ diesen Ort fast ganz
hergestellt und lud mich in Palma-nuova, wo ein Phaeton mit eig¬
nen Pferden ihrer harrte, freundlichst ein, denselben mit ihr zu be¬
steigen, worauf sie mich alsdann mit kräftiger Hand die 8 Miglien,
welche wir noch von Villa-Elisa entfernt waren, kutschirte.

Da haben Sie einen Maßstab dieser 36 jährigen originellen Frau,
die Alles ist, nur kein Weib, deren Geist aber häufig Funken sprüht,
die an den ihres großen Oheims erinnern!

Sie ist, wie Sie bereits wissen, die Tochter Elisa'ö — einer
Schwester Desjenigen, der Kaiser von Frankreich war, als er diese
zur Großherzogin von Toscana stempelte, — und des Prinzen Felir
Bacciochi, eines Corsen. Mit vielen Anlagen geboren, doch in all
ihren Eigenthümlichkeiten und Liebhabereien auf das männliche Ge¬
biet hinüberspielend, hätte sie wohl einer besonders sorgsamen Leitung
bedurft, um sich harmonisch zu entwickeln, während der frühzeitige
Tod ihrer Mutter — Elisa starb bereits im Jahr 1820 — in ihrer
Erziehung große Lücken ließ, die der Vater mit dem besten Willen
nicht auszufüllen wußte. Es war und blieb ein seltsames Wesen diese
Prinzessin Napoleon — wie sie mit Bornamen heißt — voll der
heterogensten Elemente, die zu verschmelzen man endlich den Plan
entwarf, sie mit einem jungen schönen Mann zu verheirathen, der zu¬
dem Erbe eines in Italien hochgeehrten Namens und ansehnlicher,
wenn gleich verschuldeter Besitzungen war. So wurde unsre Heldin
im I9den Jahre die Gemahlin des Grafen Philipp Camerata. Aber
das Glück dieser jungen Ehe war kaum nach Monaten zu zählen,
denn die geistige Unbedeutendheit des Mannes konnte eine Frau wie
diese am wenigsten ertragen, und es fand nur zu bald eine gänzliche
Trennung Statt, in welcher der einzige Berührungspunkt, ja fort¬
dauernder Zankapfel zwischen Beiden ihr einziger Sohn geblieben ist,
dessen Erziehung jedoch hauptsächlich die Prinzessin leitet. Sie hat
seinem Vater, welcher in Ancona lebt, dagegen ihre sehr reiche Aus¬
steuer überlassen und nie Geldansprüche an ihn gemacht, was der


Grenzboten 1«4i. it. It)
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[0081] vor allen Dingen Ruhe verordneten, ein Element, in welchem jedoch die Nichte Napoleons eben so wenig als einst er selbst zu leben ver¬ mag und deshalb trotz einer Übeln Nacht andern Morgens doch schon wieder im Wagen saß, um Abends in Conegliano neue Kuren zu beginnen. Hatten diese nun angeschlagen, oder half sich die gute Natur der Prinzessin von selbst, kurz, sie verließ diesen Ort fast ganz hergestellt und lud mich in Palma-nuova, wo ein Phaeton mit eig¬ nen Pferden ihrer harrte, freundlichst ein, denselben mit ihr zu be¬ steigen, worauf sie mich alsdann mit kräftiger Hand die 8 Miglien, welche wir noch von Villa-Elisa entfernt waren, kutschirte. Da haben Sie einen Maßstab dieser 36 jährigen originellen Frau, die Alles ist, nur kein Weib, deren Geist aber häufig Funken sprüht, die an den ihres großen Oheims erinnern! Sie ist, wie Sie bereits wissen, die Tochter Elisa'ö — einer Schwester Desjenigen, der Kaiser von Frankreich war, als er diese zur Großherzogin von Toscana stempelte, — und des Prinzen Felir Bacciochi, eines Corsen. Mit vielen Anlagen geboren, doch in all ihren Eigenthümlichkeiten und Liebhabereien auf das männliche Ge¬ biet hinüberspielend, hätte sie wohl einer besonders sorgsamen Leitung bedurft, um sich harmonisch zu entwickeln, während der frühzeitige Tod ihrer Mutter — Elisa starb bereits im Jahr 1820 — in ihrer Erziehung große Lücken ließ, die der Vater mit dem besten Willen nicht auszufüllen wußte. Es war und blieb ein seltsames Wesen diese Prinzessin Napoleon — wie sie mit Bornamen heißt — voll der heterogensten Elemente, die zu verschmelzen man endlich den Plan entwarf, sie mit einem jungen schönen Mann zu verheirathen, der zu¬ dem Erbe eines in Italien hochgeehrten Namens und ansehnlicher, wenn gleich verschuldeter Besitzungen war. So wurde unsre Heldin im I9den Jahre die Gemahlin des Grafen Philipp Camerata. Aber das Glück dieser jungen Ehe war kaum nach Monaten zu zählen, denn die geistige Unbedeutendheit des Mannes konnte eine Frau wie diese am wenigsten ertragen, und es fand nur zu bald eine gänzliche Trennung Statt, in welcher der einzige Berührungspunkt, ja fort¬ dauernder Zankapfel zwischen Beiden ihr einziger Sohn geblieben ist, dessen Erziehung jedoch hauptsächlich die Prinzessin leitet. Sie hat seinem Vater, welcher in Ancona lebt, dagegen ihre sehr reiche Aus¬ steuer überlassen und nie Geldansprüche an ihn gemacht, was der Grenzboten 1«4i. it. It)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/81>, abgerufen am 10.06.2024.