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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ärmliche ist. Freilich hörte ich die verständigen Berliner die Man-
gelhaftigkeit der Technik, die "Schwäche des Pinsels" tadeln, aber
das ist bei Frauenbildern so hergebrachte Phrase. Elise Baumann
malt mit einer Kraft, einer Kühnheit, wie wir sie manchem süddeut¬
schen, oder nach Norden übersiedelten Maler wünschen würden;
dann fielen gewisse Bilder nicht so Hölzern und polirt aus. Die
Malerei der "Esther" und der "Iphigenia" ist so antik, daß die Na-
zarener Geschmack, Farbe, Reinheit des Styls und Objectivität der
Anschauung von ihr lernen könnten, wenn sich dergleichen überhaupt
lernen ließe. -- Elise ist aus Polen.

Riedel's "Italienerin mit den beiden schlafenden Kindern",
von denen das eine auf ihrem Schooße, das andere neben ihr auj
dem Boden ruht, könnte Stunden lang den Beschauer fesseln. Wo
sieht er eine schönere Idylle, wo eine zartere Sehnsucht, wo ein glücklicheres
Kinderalter ausgedrückt! Wie die schöne Mutter hinaussieht auf das Meer,
gewiß ihren schönen geliebten Gatten erwartend, wie ihr Mund lä¬
chelt, ihr Busen sich hebt, erinnert man sich an Waiblinger's Verse:


Und nicht so schön erhoben sich die Wellen
Und sanken, als ich ihren jungen Busen,
Das dünne Kleid sah auf- und niedcrschwellen.

Ja Riedel erscheint mir, wie die deutschen Poeten, z. B. Platen,
Waiblinger, die nach Italien zogen, wohin sie ihre deutsche Sehn¬
sucht trieb, und wo sie die schönsten Formen für die Ausbrüche ihres
Gemüthes fanden. Wie ganz anders malte Riedel und wie ganz
anders sangen Platen und Waiblinger, hätten sie nie Italien ge¬
sehen I

Der "Einzug Bernhard's von Weimar in Breisach" ist ein
großes Bild, und von dem gewiß noch jungen Maler ist Viel, sehr
Viel sür die Historienmalerei zu erwarten; bis jetzt aber weiß er
mit der Fülle von Kraft, mit selner Masse von Gestalten noch nicht
ökonomisch genug umzugehen; er überschüttet mit Motiven, wirst sei¬
nen Reichthum mit vollen Händen hin und läßt sich von Nebendin¬
gen verleiten, daß er die Hauptmomente vergißt. Zur größeren Be¬
lebung des Bildes fehlt übrigens der Firniß. Auch dieses hoffnungs¬
vollen Künstlers Namen habe ich vergessen; in einigen Jahren wird
dies Niemandem mit ihm passiren. -- "Patr des Dames", so arm
an Gestalten, so sehr einfach es auch als historisches Bild ist, ver-


ärmliche ist. Freilich hörte ich die verständigen Berliner die Man-
gelhaftigkeit der Technik, die „Schwäche des Pinsels" tadeln, aber
das ist bei Frauenbildern so hergebrachte Phrase. Elise Baumann
malt mit einer Kraft, einer Kühnheit, wie wir sie manchem süddeut¬
schen, oder nach Norden übersiedelten Maler wünschen würden;
dann fielen gewisse Bilder nicht so Hölzern und polirt aus. Die
Malerei der „Esther" und der „Iphigenia" ist so antik, daß die Na-
zarener Geschmack, Farbe, Reinheit des Styls und Objectivität der
Anschauung von ihr lernen könnten, wenn sich dergleichen überhaupt
lernen ließe. — Elise ist aus Polen.

Riedel's „Italienerin mit den beiden schlafenden Kindern",
von denen das eine auf ihrem Schooße, das andere neben ihr auj
dem Boden ruht, könnte Stunden lang den Beschauer fesseln. Wo
sieht er eine schönere Idylle, wo eine zartere Sehnsucht, wo ein glücklicheres
Kinderalter ausgedrückt! Wie die schöne Mutter hinaussieht auf das Meer,
gewiß ihren schönen geliebten Gatten erwartend, wie ihr Mund lä¬
chelt, ihr Busen sich hebt, erinnert man sich an Waiblinger's Verse:


Und nicht so schön erhoben sich die Wellen
Und sanken, als ich ihren jungen Busen,
Das dünne Kleid sah auf- und niedcrschwellen.

Ja Riedel erscheint mir, wie die deutschen Poeten, z. B. Platen,
Waiblinger, die nach Italien zogen, wohin sie ihre deutsche Sehn¬
sucht trieb, und wo sie die schönsten Formen für die Ausbrüche ihres
Gemüthes fanden. Wie ganz anders malte Riedel und wie ganz
anders sangen Platen und Waiblinger, hätten sie nie Italien ge¬
sehen I

Der „Einzug Bernhard's von Weimar in Breisach" ist ein
großes Bild, und von dem gewiß noch jungen Maler ist Viel, sehr
Viel sür die Historienmalerei zu erwarten; bis jetzt aber weiß er
mit der Fülle von Kraft, mit selner Masse von Gestalten noch nicht
ökonomisch genug umzugehen; er überschüttet mit Motiven, wirst sei¬
nen Reichthum mit vollen Händen hin und läßt sich von Nebendin¬
gen verleiten, daß er die Hauptmomente vergißt. Zur größeren Be¬
lebung des Bildes fehlt übrigens der Firniß. Auch dieses hoffnungs¬
vollen Künstlers Namen habe ich vergessen; in einigen Jahren wird
dies Niemandem mit ihm passiren. — „Patr des Dames", so arm
an Gestalten, so sehr einfach es auch als historisches Bild ist, ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/232>, abgerufen am 04.06.2024.