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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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vinzialzeitungen. Die arme Stiria soll Gelehrten und Laien, dem
Romantiker und Historiker, Alt und Jung, den "Kindern der Welt
und den Frommen" gefallen, dies ist zu viel verlangt!! -- Uebrigens
hat leder unserer Vereine sein Blatt als Organ seines Wirkens, aber
es überschreitet auch selten den Kreis seines Faches und seines Pub-
^ licums.


III.
Aus Hamburg.
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Das winterliche Hamburg? Markt- und Familienleben. -- Das Bürgcrwn--
ben der Fremden. -- Die Juden. -- Abraham Bauer, das Project der Dampf¬
schiffahrt zwischen Hull und Glückstadt, die Polemik der Journale und die
Anrufung der Censur dagegen.

Das Jahr wird seine Marschroute bald wieder einmal zurückge¬
legt haben. Die Herbststürme pfeifen uns ihr unheimlich Lied. Ka¬
nonenschüsse werden mit Nächstem wieder, was übrigens auch im so¬
genannten Sommer der Fall sein kann, die Gefahr des hohen Was¬
sers melden. In den Straßen, namentlich solchen, wo die Siehlbau-
Maulwürfe in der Nähe wühlen, liegt ein Schmutz, der nur den
Auqiasstallbewohnern und den Hamburgern nicht anstößig vorkommen
kann. Die Landpartien werden seltener, die Dampfschifffahrt schmach¬
tet schon nach Passagieren. Die Sommerwohnungen sind geräumt;
der Mensch, das zweibeinige Bchaglichkeitsthier, zieht den Kopf zurück,
so weit er kann, und flüchtet zum warmen Ofen. Unser Elbstrand-
winter ist allerdings durchschnittlich nur eine Spottgeburt von Schmutz
und Feuer, wie der Mephisto, aber trotz des Letzteren, woran kein
Mangel, befindet sich gewiß der Lappländer bei seinem Nordpolfroste
minder unbehaglich, als wir in der naßkalten Nebelatmosphäre, die
vom Meer herüberzieht. Dafür ist freilich das Familienleben gemüth¬
lich und anheimelnd. Die gute alte Zeit hat da noch manche Spur
von ihrer biederen Gastlichkeit und Denkungsart zurückgelassen. Da¬
von kann der Fremde Vortheil ziehen, wie der Einheimische. Die
Empfehlungsbrief-Diners, die Abfütterungen auf Recommenoation oder
aus geschäftlicher Rücksicht hab' ich damit nicht im Sinne. Einfüh¬
rungsschreiben öffnen nur die Thüren der Häuser, hier wie anderswo,
der Mensch selbst muß die Schlüssel zu den Herzen mit sich bringen.
Bei uns einfachen Norddeutschen sind diese Herzcnsschlösser selten ver¬
rostet oder störrisch-verdreht. Das affectirte, überbildete Wesen, welches
von Jedermann etwas Apartes erwartet, wie es selbst solches zu
geben glaubt, findet sich nicht oft. Der lebendige, meist leichtsinnige
Gang des großstädtischen Lebens gibt zu viel regen Anstoß, es sind zu
viel gesunde Elemente darin, worunter die geistigen freilich nicht die
häusigsten -- so daß Menschen jedes Schlages, vorausgesetzt, daß sie


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vinzialzeitungen. Die arme Stiria soll Gelehrten und Laien, dem
Romantiker und Historiker, Alt und Jung, den „Kindern der Welt
und den Frommen" gefallen, dies ist zu viel verlangt!! — Uebrigens
hat leder unserer Vereine sein Blatt als Organ seines Wirkens, aber
es überschreitet auch selten den Kreis seines Faches und seines Pub-
^ licums.


III.
Aus Hamburg.
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.
Das winterliche Hamburg? Markt- und Familienleben. — Das Bürgcrwn--
ben der Fremden. — Die Juden. — Abraham Bauer, das Project der Dampf¬
schiffahrt zwischen Hull und Glückstadt, die Polemik der Journale und die
Anrufung der Censur dagegen.

Das Jahr wird seine Marschroute bald wieder einmal zurückge¬
legt haben. Die Herbststürme pfeifen uns ihr unheimlich Lied. Ka¬
nonenschüsse werden mit Nächstem wieder, was übrigens auch im so¬
genannten Sommer der Fall sein kann, die Gefahr des hohen Was¬
sers melden. In den Straßen, namentlich solchen, wo die Siehlbau-
Maulwürfe in der Nähe wühlen, liegt ein Schmutz, der nur den
Auqiasstallbewohnern und den Hamburgern nicht anstößig vorkommen
kann. Die Landpartien werden seltener, die Dampfschifffahrt schmach¬
tet schon nach Passagieren. Die Sommerwohnungen sind geräumt;
der Mensch, das zweibeinige Bchaglichkeitsthier, zieht den Kopf zurück,
so weit er kann, und flüchtet zum warmen Ofen. Unser Elbstrand-
winter ist allerdings durchschnittlich nur eine Spottgeburt von Schmutz
und Feuer, wie der Mephisto, aber trotz des Letzteren, woran kein
Mangel, befindet sich gewiß der Lappländer bei seinem Nordpolfroste
minder unbehaglich, als wir in der naßkalten Nebelatmosphäre, die
vom Meer herüberzieht. Dafür ist freilich das Familienleben gemüth¬
lich und anheimelnd. Die gute alte Zeit hat da noch manche Spur
von ihrer biederen Gastlichkeit und Denkungsart zurückgelassen. Da¬
von kann der Fremde Vortheil ziehen, wie der Einheimische. Die
Empfehlungsbrief-Diners, die Abfütterungen auf Recommenoation oder
aus geschäftlicher Rücksicht hab' ich damit nicht im Sinne. Einfüh¬
rungsschreiben öffnen nur die Thüren der Häuser, hier wie anderswo,
der Mensch selbst muß die Schlüssel zu den Herzen mit sich bringen.
Bei uns einfachen Norddeutschen sind diese Herzcnsschlösser selten ver¬
rostet oder störrisch-verdreht. Das affectirte, überbildete Wesen, welches
von Jedermann etwas Apartes erwartet, wie es selbst solches zu
geben glaubt, findet sich nicht oft. Der lebendige, meist leichtsinnige
Gang des großstädtischen Lebens gibt zu viel regen Anstoß, es sind zu
viel gesunde Elemente darin, worunter die geistigen freilich nicht die
häusigsten — so daß Menschen jedes Schlages, vorausgesetzt, daß sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/333>, abgerufen am 27.04.2024.