Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

der nächste" Zeit in'S Leben treten dürfte. Baron Kübeck, der jetzige
Präsident der Hofkammer, sucht überhaupt die Intelligenz des Ge-
weibsstandes der Regierung dienstbar zu machen, um diese vor Mi߬
griffen zu bewahren, die man den früheren Finanz-Verwaltungen
nicht mit Unrecht vorgeworfen. Schon unter der Amtsführung deö
Baron Eichhof bestanden sogenannte Kammerdeputcitionen bei den
verschiedenen Gubernien in den Provinzen, denen die vorzüglichsten
Industriemänner derselben beigeordnet wurden, um im Falle die
Behörde ein Gutachten über diesen oder jenen Gegenstand der ge¬
werblichen Interesse" einforderte, ihre Meinungen und Ansichten ab¬
zugeben. Leider unterblieb die Sache, schon nach einigen unglücklichen
Versuchen, und wenn das Institut auch nicht eigentlich abgeschafft
worden, so schlief eS, wie man in Oesterreich sagt, doch bald wie¬
der ein und Niemand sprach mehr davon. Diese echtenglische Ein¬
richtung, die bereits in Frankreich und Belgien folgenreiche Nachah¬
mung gefunden, war in zu grellem Gegensatz mit dem bureaukrati¬
schen Geist der gesammten österreichischen Verwaltung, um den Bei¬
fall der Beamten zu haben, welche gar so gern von der Staats¬
maschine reden und den grünen Nathötisch zum Mittelpunkt deö
Universums machen möchten. Ein norddeutscher Baumeister hat vor
zwei Jahren den Plan eines Ministcrgebäudes veröffentlicht, in dem
das Innerste, gleichsam der Kern deö Hauses, das Arbeitskabinet
des Ministers darstellte, das aus Glaswänden bestand und nach
allen Seiten durchsichtig war, so daß das ministerielle Auge die
sämmtlichen Departements mit ihren zahlreichen Bureaur ungehindert
überschauen und ihre Thätigkeit beobachten konnte. Zahllose Glocken>
züge brachten seine Anordnungen in die entferntesten Kanzleistuben
und ober seinem Haupte befand sich die Verbindung mit dem auf
dem Dache des Palastes angebrachten Telegraphen, der mit allen
Provinzen in Correspondenz gesetzt werden konnte. Dieses Project
ist eine offene Satyre auf das Centralisationssystem, wie rö nicht
nur in Oesterreich, sondern in ganz Deutschland, in Frankreich und
in noch manchen andern Ländern zur Stunde in Wirksamkeit ist.
Ich weiß zwar nicht, ob dem Entwurf eine ironische Tendenz zum
Grunde lag, aber jedenfalls rathe ich, den Mann, der, wie ich glaube,
in Berlin wohnt, scharf zu beobachten, denn seine architektonische
Zeichnung fällt unter die Rubrik der politischen Karrikaturen, für


der nächste» Zeit in'S Leben treten dürfte. Baron Kübeck, der jetzige
Präsident der Hofkammer, sucht überhaupt die Intelligenz des Ge-
weibsstandes der Regierung dienstbar zu machen, um diese vor Mi߬
griffen zu bewahren, die man den früheren Finanz-Verwaltungen
nicht mit Unrecht vorgeworfen. Schon unter der Amtsführung deö
Baron Eichhof bestanden sogenannte Kammerdeputcitionen bei den
verschiedenen Gubernien in den Provinzen, denen die vorzüglichsten
Industriemänner derselben beigeordnet wurden, um im Falle die
Behörde ein Gutachten über diesen oder jenen Gegenstand der ge¬
werblichen Interesse» einforderte, ihre Meinungen und Ansichten ab¬
zugeben. Leider unterblieb die Sache, schon nach einigen unglücklichen
Versuchen, und wenn das Institut auch nicht eigentlich abgeschafft
worden, so schlief eS, wie man in Oesterreich sagt, doch bald wie¬
der ein und Niemand sprach mehr davon. Diese echtenglische Ein¬
richtung, die bereits in Frankreich und Belgien folgenreiche Nachah¬
mung gefunden, war in zu grellem Gegensatz mit dem bureaukrati¬
schen Geist der gesammten österreichischen Verwaltung, um den Bei¬
fall der Beamten zu haben, welche gar so gern von der Staats¬
maschine reden und den grünen Nathötisch zum Mittelpunkt deö
Universums machen möchten. Ein norddeutscher Baumeister hat vor
zwei Jahren den Plan eines Ministcrgebäudes veröffentlicht, in dem
das Innerste, gleichsam der Kern deö Hauses, das Arbeitskabinet
des Ministers darstellte, das aus Glaswänden bestand und nach
allen Seiten durchsichtig war, so daß das ministerielle Auge die
sämmtlichen Departements mit ihren zahlreichen Bureaur ungehindert
überschauen und ihre Thätigkeit beobachten konnte. Zahllose Glocken>
züge brachten seine Anordnungen in die entferntesten Kanzleistuben
und ober seinem Haupte befand sich die Verbindung mit dem auf
dem Dache des Palastes angebrachten Telegraphen, der mit allen
Provinzen in Correspondenz gesetzt werden konnte. Dieses Project
ist eine offene Satyre auf das Centralisationssystem, wie rö nicht
nur in Oesterreich, sondern in ganz Deutschland, in Frankreich und
in noch manchen andern Ländern zur Stunde in Wirksamkeit ist.
Ich weiß zwar nicht, ob dem Entwurf eine ironische Tendenz zum
Grunde lag, aber jedenfalls rathe ich, den Mann, der, wie ich glaube,
in Berlin wohnt, scharf zu beobachten, denn seine architektonische
Zeichnung fällt unter die Rubrik der politischen Karrikaturen, für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269525"/>
            <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349" next="#ID_351"> der nächste» Zeit in'S Leben treten dürfte. Baron Kübeck, der jetzige<lb/>
Präsident der Hofkammer, sucht überhaupt die Intelligenz des Ge-<lb/>
weibsstandes der Regierung dienstbar zu machen, um diese vor Mi߬<lb/>
griffen zu bewahren, die man den früheren Finanz-Verwaltungen<lb/>
nicht mit Unrecht vorgeworfen. Schon unter der Amtsführung deö<lb/>
Baron Eichhof bestanden sogenannte Kammerdeputcitionen bei den<lb/>
verschiedenen Gubernien in den Provinzen, denen die vorzüglichsten<lb/>
Industriemänner derselben beigeordnet wurden, um im Falle die<lb/>
Behörde ein Gutachten über diesen oder jenen Gegenstand der ge¬<lb/>
werblichen Interesse» einforderte, ihre Meinungen und Ansichten ab¬<lb/>
zugeben. Leider unterblieb die Sache, schon nach einigen unglücklichen<lb/>
Versuchen, und wenn das Institut auch nicht eigentlich abgeschafft<lb/>
worden, so schlief eS, wie man in Oesterreich sagt, doch bald wie¬<lb/>
der ein und Niemand sprach mehr davon. Diese echtenglische Ein¬<lb/>
richtung, die bereits in Frankreich und Belgien folgenreiche Nachah¬<lb/>
mung gefunden, war in zu grellem Gegensatz mit dem bureaukrati¬<lb/>
schen Geist der gesammten österreichischen Verwaltung, um den Bei¬<lb/>
fall der Beamten zu haben, welche gar so gern von der Staats¬<lb/>
maschine reden und den grünen Nathötisch zum Mittelpunkt deö<lb/>
Universums machen möchten. Ein norddeutscher Baumeister hat vor<lb/>
zwei Jahren den Plan eines Ministcrgebäudes veröffentlicht, in dem<lb/>
das Innerste, gleichsam der Kern deö Hauses, das Arbeitskabinet<lb/>
des Ministers darstellte, das aus Glaswänden bestand und nach<lb/>
allen Seiten durchsichtig war, so daß das ministerielle Auge die<lb/>
sämmtlichen Departements mit ihren zahlreichen Bureaur ungehindert<lb/>
überschauen und ihre Thätigkeit beobachten konnte. Zahllose Glocken&gt;<lb/>
züge brachten seine Anordnungen in die entferntesten Kanzleistuben<lb/>
und ober seinem Haupte befand sich die Verbindung mit dem auf<lb/>
dem Dache des Palastes angebrachten Telegraphen, der mit allen<lb/>
Provinzen in Correspondenz gesetzt werden konnte. Dieses Project<lb/>
ist eine offene Satyre auf das Centralisationssystem, wie rö nicht<lb/>
nur in Oesterreich, sondern in ganz Deutschland, in Frankreich und<lb/>
in noch manchen andern Ländern zur Stunde in Wirksamkeit ist.<lb/>
Ich weiß zwar nicht, ob dem Entwurf eine ironische Tendenz zum<lb/>
Grunde lag, aber jedenfalls rathe ich, den Mann, der, wie ich glaube,<lb/>
in Berlin wohnt, scharf zu beobachten, denn seine architektonische<lb/>
Zeichnung fällt unter die Rubrik der politischen Karrikaturen, für</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0108] der nächste» Zeit in'S Leben treten dürfte. Baron Kübeck, der jetzige Präsident der Hofkammer, sucht überhaupt die Intelligenz des Ge- weibsstandes der Regierung dienstbar zu machen, um diese vor Mi߬ griffen zu bewahren, die man den früheren Finanz-Verwaltungen nicht mit Unrecht vorgeworfen. Schon unter der Amtsführung deö Baron Eichhof bestanden sogenannte Kammerdeputcitionen bei den verschiedenen Gubernien in den Provinzen, denen die vorzüglichsten Industriemänner derselben beigeordnet wurden, um im Falle die Behörde ein Gutachten über diesen oder jenen Gegenstand der ge¬ werblichen Interesse» einforderte, ihre Meinungen und Ansichten ab¬ zugeben. Leider unterblieb die Sache, schon nach einigen unglücklichen Versuchen, und wenn das Institut auch nicht eigentlich abgeschafft worden, so schlief eS, wie man in Oesterreich sagt, doch bald wie¬ der ein und Niemand sprach mehr davon. Diese echtenglische Ein¬ richtung, die bereits in Frankreich und Belgien folgenreiche Nachah¬ mung gefunden, war in zu grellem Gegensatz mit dem bureaukrati¬ schen Geist der gesammten österreichischen Verwaltung, um den Bei¬ fall der Beamten zu haben, welche gar so gern von der Staats¬ maschine reden und den grünen Nathötisch zum Mittelpunkt deö Universums machen möchten. Ein norddeutscher Baumeister hat vor zwei Jahren den Plan eines Ministcrgebäudes veröffentlicht, in dem das Innerste, gleichsam der Kern deö Hauses, das Arbeitskabinet des Ministers darstellte, das aus Glaswänden bestand und nach allen Seiten durchsichtig war, so daß das ministerielle Auge die sämmtlichen Departements mit ihren zahlreichen Bureaur ungehindert überschauen und ihre Thätigkeit beobachten konnte. Zahllose Glocken> züge brachten seine Anordnungen in die entferntesten Kanzleistuben und ober seinem Haupte befand sich die Verbindung mit dem auf dem Dache des Palastes angebrachten Telegraphen, der mit allen Provinzen in Correspondenz gesetzt werden konnte. Dieses Project ist eine offene Satyre auf das Centralisationssystem, wie rö nicht nur in Oesterreich, sondern in ganz Deutschland, in Frankreich und in noch manchen andern Ländern zur Stunde in Wirksamkeit ist. Ich weiß zwar nicht, ob dem Entwurf eine ironische Tendenz zum Grunde lag, aber jedenfalls rathe ich, den Mann, der, wie ich glaube, in Berlin wohnt, scharf zu beobachten, denn seine architektonische Zeichnung fällt unter die Rubrik der politischen Karrikaturen, für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/108
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/108>, abgerufen am 18.05.2024.