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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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wisser Trotz aus, der alle" Ernstes im Stande schien, den allmäch¬
tigen Schöpfer Himmels und der Erden über seine oft wundersame
Weltregierung zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser Mann ist vielleicht
der leutseligste Herr, wenn man sein Gemüth zu erfassen versteht;
er geberdet sich vielleicht wie ein Recke, der mit Lindwürmern kämpft,
wenn man seinen Vorurtheilen nicht von der Seite her leise beizu¬
kommen weiß. Diesen Eindruck machte mir der Reichsgraf Walther
Friedrich. Ich mußte bei seinem Anblick an jene alten germanischen
Kaiser denken, die im eisernen Harnisch über die Alpen stiegen, die
widersetzlichen lombardischen Städte mit grausamer Härte einäscherten
und dann in Rom still die Pfote hinhielten, wo man ihnen die Nä¬
gel beschnitt. "Dumme Jungens!" stürmte er jetzt auf die Schaar
junger Bauern ein, die ihn mit offnen Augen und Mäulern anstarr¬
ten. "Lassen sich von fremden Kriegsknechten die Mädels wegfischen!
Haben doch selbst Knochen im Leibe, um freche Gesellen aus dem
Tempel hinauszuwerfen. Schlafmützen Ihr, das habt Ihr von Eue¬
rem Flennen und Beten!"

Alles fuhr wie Spreu vor dem Winde zurück, während er im
Zimmer auf und ab schnob. Polternd stieg er dann eine Treppe
hinauf, wo sein Gefolge ihm den Tisch bereitete. Es sollte uns
vergönnt sein, an diesem Mahle theilzunehmen. Einer von den Ka¬
valieren des Fürsten kam zurück, trat auf uns zu und erkundigte sich,
wer wir seien. Pater Burkhardt gab uns Beide als Schweizer und
als reformirte Geistliche an. Mit dieser Bezeichnung sind unsere
Pässe für die nichtkatholischen deutschen Länder ausgestellt. "Seine
Erlaucht," sagte der Kammerherr, "lassen die fremden Herrn bitten,
eine Suppe mit ihm einzunehmen!" -- Die Nacht war nach dem
Gewitterregen erquickend genug und lud zur Weiterreise ein, aber die
Veranlassung, sich mit der deutschen Erlaucht einzulassen, war für
Pater Burkhardt zu verlockend. Sein Geschäft als römischer Werber
erlaubte ihm nicht, eine so glänzende Gelegenheit von der Hand zu
weisen, und so stiegen wir denn die Treppe hinauf.

(Die Scenen werden fortgesetzt.)




wisser Trotz aus, der alle» Ernstes im Stande schien, den allmäch¬
tigen Schöpfer Himmels und der Erden über seine oft wundersame
Weltregierung zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser Mann ist vielleicht
der leutseligste Herr, wenn man sein Gemüth zu erfassen versteht;
er geberdet sich vielleicht wie ein Recke, der mit Lindwürmern kämpft,
wenn man seinen Vorurtheilen nicht von der Seite her leise beizu¬
kommen weiß. Diesen Eindruck machte mir der Reichsgraf Walther
Friedrich. Ich mußte bei seinem Anblick an jene alten germanischen
Kaiser denken, die im eisernen Harnisch über die Alpen stiegen, die
widersetzlichen lombardischen Städte mit grausamer Härte einäscherten
und dann in Rom still die Pfote hinhielten, wo man ihnen die Nä¬
gel beschnitt. „Dumme Jungens!" stürmte er jetzt auf die Schaar
junger Bauern ein, die ihn mit offnen Augen und Mäulern anstarr¬
ten. „Lassen sich von fremden Kriegsknechten die Mädels wegfischen!
Haben doch selbst Knochen im Leibe, um freche Gesellen aus dem
Tempel hinauszuwerfen. Schlafmützen Ihr, das habt Ihr von Eue¬
rem Flennen und Beten!"

Alles fuhr wie Spreu vor dem Winde zurück, während er im
Zimmer auf und ab schnob. Polternd stieg er dann eine Treppe
hinauf, wo sein Gefolge ihm den Tisch bereitete. Es sollte uns
vergönnt sein, an diesem Mahle theilzunehmen. Einer von den Ka¬
valieren des Fürsten kam zurück, trat auf uns zu und erkundigte sich,
wer wir seien. Pater Burkhardt gab uns Beide als Schweizer und
als reformirte Geistliche an. Mit dieser Bezeichnung sind unsere
Pässe für die nichtkatholischen deutschen Länder ausgestellt. „Seine
Erlaucht," sagte der Kammerherr, „lassen die fremden Herrn bitten,
eine Suppe mit ihm einzunehmen!" — Die Nacht war nach dem
Gewitterregen erquickend genug und lud zur Weiterreise ein, aber die
Veranlassung, sich mit der deutschen Erlaucht einzulassen, war für
Pater Burkhardt zu verlockend. Sein Geschäft als römischer Werber
erlaubte ihm nicht, eine so glänzende Gelegenheit von der Hand zu
weisen, und so stiegen wir denn die Treppe hinauf.

(Die Scenen werden fortgesetzt.)




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[0265] wisser Trotz aus, der alle» Ernstes im Stande schien, den allmäch¬ tigen Schöpfer Himmels und der Erden über seine oft wundersame Weltregierung zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser Mann ist vielleicht der leutseligste Herr, wenn man sein Gemüth zu erfassen versteht; er geberdet sich vielleicht wie ein Recke, der mit Lindwürmern kämpft, wenn man seinen Vorurtheilen nicht von der Seite her leise beizu¬ kommen weiß. Diesen Eindruck machte mir der Reichsgraf Walther Friedrich. Ich mußte bei seinem Anblick an jene alten germanischen Kaiser denken, die im eisernen Harnisch über die Alpen stiegen, die widersetzlichen lombardischen Städte mit grausamer Härte einäscherten und dann in Rom still die Pfote hinhielten, wo man ihnen die Nä¬ gel beschnitt. „Dumme Jungens!" stürmte er jetzt auf die Schaar junger Bauern ein, die ihn mit offnen Augen und Mäulern anstarr¬ ten. „Lassen sich von fremden Kriegsknechten die Mädels wegfischen! Haben doch selbst Knochen im Leibe, um freche Gesellen aus dem Tempel hinauszuwerfen. Schlafmützen Ihr, das habt Ihr von Eue¬ rem Flennen und Beten!" Alles fuhr wie Spreu vor dem Winde zurück, während er im Zimmer auf und ab schnob. Polternd stieg er dann eine Treppe hinauf, wo sein Gefolge ihm den Tisch bereitete. Es sollte uns vergönnt sein, an diesem Mahle theilzunehmen. Einer von den Ka¬ valieren des Fürsten kam zurück, trat auf uns zu und erkundigte sich, wer wir seien. Pater Burkhardt gab uns Beide als Schweizer und als reformirte Geistliche an. Mit dieser Bezeichnung sind unsere Pässe für die nichtkatholischen deutschen Länder ausgestellt. „Seine Erlaucht," sagte der Kammerherr, „lassen die fremden Herrn bitten, eine Suppe mit ihm einzunehmen!" — Die Nacht war nach dem Gewitterregen erquickend genug und lud zur Weiterreise ein, aber die Veranlassung, sich mit der deutschen Erlaucht einzulassen, war für Pater Burkhardt zu verlockend. Sein Geschäft als römischer Werber erlaubte ihm nicht, eine so glänzende Gelegenheit von der Hand zu weisen, und so stiegen wir denn die Treppe hinauf. (Die Scenen werden fortgesetzt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/265>, abgerufen am 19.05.2024.