Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

erschrickt er und biegt sie wieder zusammen. Nauwerk machte Vor¬
schläge und brach sie dann wieder ab, bis wenig oder Nichts von
ihnen übrig war. Er respectirt das Bestehende aus Gutmüthig¬
keit und wenn er einmal entschieden auftritt, so wird er es nur, um
auch diesen Bergesgipfel bestiegen zu haben und sich um so bequemer
in den stillen Thälern der Vermittlung ansiedeln zu können. Von
Herrn Weniger brauchen wir nicht zu reden Wenn er auch große
Selbstzufriedenheit bei jeder Gelegenheit zu erkennen gibt, so fehlt ihm
doch Alles, um sich als politischer Charakter geltend zu machen. Er
kann höchstens den urtheilslosen Bürger durch seine Glattheit gewin¬
h nen und auf den scheint er es wirklich abgesehen zu haben.


M.
Journalistik in München. *>

Eine kurze Skizze der Münchner Journalistik dürfte für die meisten
Leser Ihrer Blatter um so weniger interesselos sein, als es gewiß zu
den größten Seltenheiten gehört, wenn ein hiesiges Blatt den vater¬
ländischen Boden überschreitet (natürlich mit Ausnahme der historisch¬
politischer Blatter und des Auslandes, die mehr wissenschaftlichen In¬
haltes sind), da unsere Zeitungen über das Gebiet der Hof- und Local-
neuigkeiten nur selten hinausstreifen. Die einzige Zeitung, die, wie
schon ihr Name zeigt, ein politisches Interesse in Anspruch nimmt,
ist die "Münchner politische Zeitung." Sie ist halbofsiciell
und könnte auch ohne bedeutende Unterstützung von Seiten der Regie¬
rung nicht bestehen. Sie hat sogar in Loco wenig Abonnenten, da
dem politischen Bedürfnisse der Bewohner Münchens die Augsburger
Allgemeine abhilft, die hier in jeder Spelunke gefunden wird. Die
politische Zeitung bringt uns selten leitende Artikel und hat auch aus¬
wärts fast gar keine Correspondenten. Ihre Spalten eröffnet sie mit
Hof- oder Localneuigkeiten, dann folgen die wichtigsten, andern Blattern
entlehnten politischen Begebenheiten. Bei der Auswahl derselben kann
ihr jedoch Takt und Unparteilichkeit nicht abgesprochen werden und sie
könnte in dieser Beziehung mancher officiellen Zeitung zum Muster
dienen. Obwohl streng katholisch, hat sie sich noch immer von jenem
ultramontanen Zelotismus, der die Augsburger Postzeitung und beson¬
ders die Passauer Kirchenzeitung charakteristrt, frei zu halten gewußt.
Seit einem Jahre hat sie sich ein vergrößertes Format und ein Feuille¬
ton zugelegt, das, außer sparsamen Notizen über Theater und Kunst,
keine Originalartikel bringt. Als Redacteur dieser Zeitung nennt sich
Dr. Beck, Verfasser einer Sammlung Gedichte, die an Inhalt und



Die Red.
*) Nicht vom Verfasser der Münchner Skizzen.

erschrickt er und biegt sie wieder zusammen. Nauwerk machte Vor¬
schläge und brach sie dann wieder ab, bis wenig oder Nichts von
ihnen übrig war. Er respectirt das Bestehende aus Gutmüthig¬
keit und wenn er einmal entschieden auftritt, so wird er es nur, um
auch diesen Bergesgipfel bestiegen zu haben und sich um so bequemer
in den stillen Thälern der Vermittlung ansiedeln zu können. Von
Herrn Weniger brauchen wir nicht zu reden Wenn er auch große
Selbstzufriedenheit bei jeder Gelegenheit zu erkennen gibt, so fehlt ihm
doch Alles, um sich als politischer Charakter geltend zu machen. Er
kann höchstens den urtheilslosen Bürger durch seine Glattheit gewin¬
h nen und auf den scheint er es wirklich abgesehen zu haben.


M.
Journalistik in München. *>

Eine kurze Skizze der Münchner Journalistik dürfte für die meisten
Leser Ihrer Blatter um so weniger interesselos sein, als es gewiß zu
den größten Seltenheiten gehört, wenn ein hiesiges Blatt den vater¬
ländischen Boden überschreitet (natürlich mit Ausnahme der historisch¬
politischer Blatter und des Auslandes, die mehr wissenschaftlichen In¬
haltes sind), da unsere Zeitungen über das Gebiet der Hof- und Local-
neuigkeiten nur selten hinausstreifen. Die einzige Zeitung, die, wie
schon ihr Name zeigt, ein politisches Interesse in Anspruch nimmt,
ist die „Münchner politische Zeitung." Sie ist halbofsiciell
und könnte auch ohne bedeutende Unterstützung von Seiten der Regie¬
rung nicht bestehen. Sie hat sogar in Loco wenig Abonnenten, da
dem politischen Bedürfnisse der Bewohner Münchens die Augsburger
Allgemeine abhilft, die hier in jeder Spelunke gefunden wird. Die
politische Zeitung bringt uns selten leitende Artikel und hat auch aus¬
wärts fast gar keine Correspondenten. Ihre Spalten eröffnet sie mit
Hof- oder Localneuigkeiten, dann folgen die wichtigsten, andern Blattern
entlehnten politischen Begebenheiten. Bei der Auswahl derselben kann
ihr jedoch Takt und Unparteilichkeit nicht abgesprochen werden und sie
könnte in dieser Beziehung mancher officiellen Zeitung zum Muster
dienen. Obwohl streng katholisch, hat sie sich noch immer von jenem
ultramontanen Zelotismus, der die Augsburger Postzeitung und beson¬
ders die Passauer Kirchenzeitung charakteristrt, frei zu halten gewußt.
Seit einem Jahre hat sie sich ein vergrößertes Format und ein Feuille¬
ton zugelegt, das, außer sparsamen Notizen über Theater und Kunst,
keine Originalartikel bringt. Als Redacteur dieser Zeitung nennt sich
Dr. Beck, Verfasser einer Sammlung Gedichte, die an Inhalt und



Die Red.
*) Nicht vom Verfasser der Münchner Skizzen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269707"/>
            <p xml:id="ID_814" prev="#ID_813"> erschrickt er und biegt sie wieder zusammen. Nauwerk machte Vor¬<lb/>
schläge und brach sie dann wieder ab, bis wenig oder Nichts von<lb/>
ihnen übrig war. Er respectirt das Bestehende aus Gutmüthig¬<lb/>
keit und wenn er einmal entschieden auftritt, so wird er es nur, um<lb/>
auch diesen Bergesgipfel bestiegen zu haben und sich um so bequemer<lb/>
in den stillen Thälern der Vermittlung ansiedeln zu können. Von<lb/>
Herrn Weniger brauchen wir nicht zu reden Wenn er auch große<lb/>
Selbstzufriedenheit bei jeder Gelegenheit zu erkennen gibt, so fehlt ihm<lb/>
doch Alles, um sich als politischer Charakter geltend zu machen. Er<lb/>
kann höchstens den urtheilslosen Bürger durch seine Glattheit gewin¬<lb/><note type="byline"> h</note> nen und auf den scheint er es wirklich abgesehen zu haben. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> M.<lb/>
Journalistik in München. *&gt;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_815" next="#ID_816"> Eine kurze Skizze der Münchner Journalistik dürfte für die meisten<lb/>
Leser Ihrer Blatter um so weniger interesselos sein, als es gewiß zu<lb/>
den größten Seltenheiten gehört, wenn ein hiesiges Blatt den vater¬<lb/>
ländischen Boden überschreitet (natürlich mit Ausnahme der historisch¬<lb/>
politischer Blatter und des Auslandes, die mehr wissenschaftlichen In¬<lb/>
haltes sind), da unsere Zeitungen über das Gebiet der Hof- und Local-<lb/>
neuigkeiten nur selten hinausstreifen. Die einzige Zeitung, die, wie<lb/>
schon ihr Name zeigt, ein politisches Interesse in Anspruch nimmt,<lb/>
ist die &#x201E;Münchner politische Zeitung." Sie ist halbofsiciell<lb/>
und könnte auch ohne bedeutende Unterstützung von Seiten der Regie¬<lb/>
rung nicht bestehen. Sie hat sogar in Loco wenig Abonnenten, da<lb/>
dem politischen Bedürfnisse der Bewohner Münchens die Augsburger<lb/>
Allgemeine abhilft, die hier in jeder Spelunke gefunden wird. Die<lb/>
politische Zeitung bringt uns selten leitende Artikel und hat auch aus¬<lb/>
wärts fast gar keine Correspondenten. Ihre Spalten eröffnet sie mit<lb/>
Hof- oder Localneuigkeiten, dann folgen die wichtigsten, andern Blattern<lb/>
entlehnten politischen Begebenheiten. Bei der Auswahl derselben kann<lb/>
ihr jedoch Takt und Unparteilichkeit nicht abgesprochen werden und sie<lb/>
könnte in dieser Beziehung mancher officiellen Zeitung zum Muster<lb/>
dienen. Obwohl streng katholisch, hat sie sich noch immer von jenem<lb/>
ultramontanen Zelotismus, der die Augsburger Postzeitung und beson¬<lb/>
ders die Passauer Kirchenzeitung charakteristrt, frei zu halten gewußt.<lb/>
Seit einem Jahre hat sie sich ein vergrößertes Format und ein Feuille¬<lb/>
ton zugelegt, das, außer sparsamen Notizen über Theater und Kunst,<lb/>
keine Originalartikel bringt. Als Redacteur dieser Zeitung nennt sich<lb/>
Dr. Beck, Verfasser einer Sammlung Gedichte, die an Inhalt und</p><lb/>
            <note xml:id="FID_40" place="foot"> *) Nicht vom Verfasser der Münchner Skizzen.</note><lb/>
            <note type="byline"> Die Red.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] erschrickt er und biegt sie wieder zusammen. Nauwerk machte Vor¬ schläge und brach sie dann wieder ab, bis wenig oder Nichts von ihnen übrig war. Er respectirt das Bestehende aus Gutmüthig¬ keit und wenn er einmal entschieden auftritt, so wird er es nur, um auch diesen Bergesgipfel bestiegen zu haben und sich um so bequemer in den stillen Thälern der Vermittlung ansiedeln zu können. Von Herrn Weniger brauchen wir nicht zu reden Wenn er auch große Selbstzufriedenheit bei jeder Gelegenheit zu erkennen gibt, so fehlt ihm doch Alles, um sich als politischer Charakter geltend zu machen. Er kann höchstens den urtheilslosen Bürger durch seine Glattheit gewin¬ h nen und auf den scheint er es wirklich abgesehen zu haben. M. Journalistik in München. *> Eine kurze Skizze der Münchner Journalistik dürfte für die meisten Leser Ihrer Blatter um so weniger interesselos sein, als es gewiß zu den größten Seltenheiten gehört, wenn ein hiesiges Blatt den vater¬ ländischen Boden überschreitet (natürlich mit Ausnahme der historisch¬ politischer Blatter und des Auslandes, die mehr wissenschaftlichen In¬ haltes sind), da unsere Zeitungen über das Gebiet der Hof- und Local- neuigkeiten nur selten hinausstreifen. Die einzige Zeitung, die, wie schon ihr Name zeigt, ein politisches Interesse in Anspruch nimmt, ist die „Münchner politische Zeitung." Sie ist halbofsiciell und könnte auch ohne bedeutende Unterstützung von Seiten der Regie¬ rung nicht bestehen. Sie hat sogar in Loco wenig Abonnenten, da dem politischen Bedürfnisse der Bewohner Münchens die Augsburger Allgemeine abhilft, die hier in jeder Spelunke gefunden wird. Die politische Zeitung bringt uns selten leitende Artikel und hat auch aus¬ wärts fast gar keine Correspondenten. Ihre Spalten eröffnet sie mit Hof- oder Localneuigkeiten, dann folgen die wichtigsten, andern Blattern entlehnten politischen Begebenheiten. Bei der Auswahl derselben kann ihr jedoch Takt und Unparteilichkeit nicht abgesprochen werden und sie könnte in dieser Beziehung mancher officiellen Zeitung zum Muster dienen. Obwohl streng katholisch, hat sie sich noch immer von jenem ultramontanen Zelotismus, der die Augsburger Postzeitung und beson¬ ders die Passauer Kirchenzeitung charakteristrt, frei zu halten gewußt. Seit einem Jahre hat sie sich ein vergrößertes Format und ein Feuille¬ ton zugelegt, das, außer sparsamen Notizen über Theater und Kunst, keine Originalartikel bringt. Als Redacteur dieser Zeitung nennt sich Dr. Beck, Verfasser einer Sammlung Gedichte, die an Inhalt und Die Red. *) Nicht vom Verfasser der Münchner Skizzen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/290>, abgerufen am 17.06.2024.