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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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die Darstellung können wir uns hier nicht weiter verbreiten, aber Marr's
Leistung eilf Friedrich stellte die Intelligenz dieses wirklich denkenden
Künstlers in's glänzendste Licht; auch das Spiel der Andern verrieth,
daß mit Einsicht einstudirt worden und daß mit Liebe gespielt wurde.
Nur der erste Act war noch zu sehr Probe.

-- Von Hartmann's "Kelch und Schwert" bringt Weber's Ver¬
lagshandlung in wenigen Wochen eine zweite unveränderte Auflage,
Der junge Dichter hat nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Nord¬
deutschland rasch viele eifrige Leser gefunden. Auch die Stimmen der
Kritik haben bis jetzt mit gleicher Warme seine Muse willkommen geheißen,
wie außer den Leipziger Journalen das Morgenblatt, der Telegraph,
die Jahreszeiten u. a. Blätter beweisen.

-- Auch Du, Brutus! möchte man zu dem gemüthlichen klei¬
nen Würtemberg sagen. Auch Deine Freisinnigkeit ist mehr Sonn¬
tags-, als Werktagskleid; sehr freundlich und herzlich, vertrauensvoll
und treu bis an den Tod ist dieser Liberalismus, nur darf er nicht
ernstlich auf die Probe gestellt werden. Sonst erschrickt er und besinnt
sich, daß er im Grunde doch ein deutscher ist, also -- Professor Bi¬
scher ist richtig wegen seiner Inauguralrede, auf das Zetergeschrei
einiger Stuttgarter Zeloten, für zwei Jahre suspendirt, d. h. glücklich
von Tübingen und aus Schwaben fortgcbissen. Denn Bischer wird
gewiß nicht nach zwei Jahren zu Kreuz kriechen und da einen Lehr¬
stuhl suchen, wo man ihm so schnöde begegnet. Wie gewöhnlich in
solchen Conflicten zwischen Staat, Kirche und Wissenschaft gebührt
das Hauptverdienst der Niederlage den -- Professoren. Die Pro¬
fessoren Tübingens, von der Regierung um ein Gutachten befragt,
hatten nicht den Muth oder nicht Lust, ihren geistreichen Collegen in
Schutz zu nehmen. Bischer wird sich nun ganz der literarischen Wirk¬
samkeit hingeben müssen, wie Strauß, Bauer u. a. Die Katheder
sind morsch und es scheint, als wollten die Universitäten selbst alles
Leben aus sich ausscheiden, um nur durch ihr faules Holz zu glänzen.
Aber dazu ist es nicht dunkel genug. -- So eben erfährt man, der
akademische Senat von Tübingen habe gegen Vischer's Suspension
protestirt. Thaten wir den Professoren Unrecht? Doch nicht. Jetzt
protestiren sie, wenn es zu spat und bloße Form ist. Sie durften
Bischer nicht erst durch ihr flancs Gutachten preisgeben.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

die Darstellung können wir uns hier nicht weiter verbreiten, aber Marr's
Leistung eilf Friedrich stellte die Intelligenz dieses wirklich denkenden
Künstlers in's glänzendste Licht; auch das Spiel der Andern verrieth,
daß mit Einsicht einstudirt worden und daß mit Liebe gespielt wurde.
Nur der erste Act war noch zu sehr Probe.

— Von Hartmann's „Kelch und Schwert" bringt Weber's Ver¬
lagshandlung in wenigen Wochen eine zweite unveränderte Auflage,
Der junge Dichter hat nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Nord¬
deutschland rasch viele eifrige Leser gefunden. Auch die Stimmen der
Kritik haben bis jetzt mit gleicher Warme seine Muse willkommen geheißen,
wie außer den Leipziger Journalen das Morgenblatt, der Telegraph,
die Jahreszeiten u. a. Blätter beweisen.

— Auch Du, Brutus! möchte man zu dem gemüthlichen klei¬
nen Würtemberg sagen. Auch Deine Freisinnigkeit ist mehr Sonn¬
tags-, als Werktagskleid; sehr freundlich und herzlich, vertrauensvoll
und treu bis an den Tod ist dieser Liberalismus, nur darf er nicht
ernstlich auf die Probe gestellt werden. Sonst erschrickt er und besinnt
sich, daß er im Grunde doch ein deutscher ist, also — Professor Bi¬
scher ist richtig wegen seiner Inauguralrede, auf das Zetergeschrei
einiger Stuttgarter Zeloten, für zwei Jahre suspendirt, d. h. glücklich
von Tübingen und aus Schwaben fortgcbissen. Denn Bischer wird
gewiß nicht nach zwei Jahren zu Kreuz kriechen und da einen Lehr¬
stuhl suchen, wo man ihm so schnöde begegnet. Wie gewöhnlich in
solchen Conflicten zwischen Staat, Kirche und Wissenschaft gebührt
das Hauptverdienst der Niederlage den — Professoren. Die Pro¬
fessoren Tübingens, von der Regierung um ein Gutachten befragt,
hatten nicht den Muth oder nicht Lust, ihren geistreichen Collegen in
Schutz zu nehmen. Bischer wird sich nun ganz der literarischen Wirk¬
samkeit hingeben müssen, wie Strauß, Bauer u. a. Die Katheder
sind morsch und es scheint, als wollten die Universitäten selbst alles
Leben aus sich ausscheiden, um nur durch ihr faules Holz zu glänzen.
Aber dazu ist es nicht dunkel genug. — So eben erfährt man, der
akademische Senat von Tübingen habe gegen Vischer's Suspension
protestirt. Thaten wir den Professoren Unrecht? Doch nicht. Jetzt
protestiren sie, wenn es zu spat und bloße Form ist. Sie durften
Bischer nicht erst durch ihr flancs Gutachten preisgeben.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0498] die Darstellung können wir uns hier nicht weiter verbreiten, aber Marr's Leistung eilf Friedrich stellte die Intelligenz dieses wirklich denkenden Künstlers in's glänzendste Licht; auch das Spiel der Andern verrieth, daß mit Einsicht einstudirt worden und daß mit Liebe gespielt wurde. Nur der erste Act war noch zu sehr Probe. — Von Hartmann's „Kelch und Schwert" bringt Weber's Ver¬ lagshandlung in wenigen Wochen eine zweite unveränderte Auflage, Der junge Dichter hat nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Nord¬ deutschland rasch viele eifrige Leser gefunden. Auch die Stimmen der Kritik haben bis jetzt mit gleicher Warme seine Muse willkommen geheißen, wie außer den Leipziger Journalen das Morgenblatt, der Telegraph, die Jahreszeiten u. a. Blätter beweisen. — Auch Du, Brutus! möchte man zu dem gemüthlichen klei¬ nen Würtemberg sagen. Auch Deine Freisinnigkeit ist mehr Sonn¬ tags-, als Werktagskleid; sehr freundlich und herzlich, vertrauensvoll und treu bis an den Tod ist dieser Liberalismus, nur darf er nicht ernstlich auf die Probe gestellt werden. Sonst erschrickt er und besinnt sich, daß er im Grunde doch ein deutscher ist, also — Professor Bi¬ scher ist richtig wegen seiner Inauguralrede, auf das Zetergeschrei einiger Stuttgarter Zeloten, für zwei Jahre suspendirt, d. h. glücklich von Tübingen und aus Schwaben fortgcbissen. Denn Bischer wird gewiß nicht nach zwei Jahren zu Kreuz kriechen und da einen Lehr¬ stuhl suchen, wo man ihm so schnöde begegnet. Wie gewöhnlich in solchen Conflicten zwischen Staat, Kirche und Wissenschaft gebührt das Hauptverdienst der Niederlage den — Professoren. Die Pro¬ fessoren Tübingens, von der Regierung um ein Gutachten befragt, hatten nicht den Muth oder nicht Lust, ihren geistreichen Collegen in Schutz zu nehmen. Bischer wird sich nun ganz der literarischen Wirk¬ samkeit hingeben müssen, wie Strauß, Bauer u. a. Die Katheder sind morsch und es scheint, als wollten die Universitäten selbst alles Leben aus sich ausscheiden, um nur durch ihr faules Holz zu glänzen. Aber dazu ist es nicht dunkel genug. — So eben erfährt man, der akademische Senat von Tübingen habe gegen Vischer's Suspension protestirt. Thaten wir den Professoren Unrecht? Doch nicht. Jetzt protestiren sie, wenn es zu spat und bloße Form ist. Sie durften Bischer nicht erst durch ihr flancs Gutachten preisgeben. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/498>, abgerufen am 18.05.2024.