Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.tes Program ward vertheilt, um die Mitglieder von den Fragen zu Es wäre traurig gewesen, wenn der diesmalige Landtag in Mit¬ tes Program ward vertheilt, um die Mitglieder von den Fragen zu Es wäre traurig gewesen, wenn der diesmalige Landtag in Mit¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270299"/> <p xml:id="ID_607" prev="#ID_606"> tes Program ward vertheilt, um die Mitglieder von den Fragen zu<lb/> unterrichten, welche verhandelt werden sollen. Wie bekannt, haben die<lb/> böhmischen Stande gegen die neu creirte Stelle eines Oberstburggra-<lb/> fen-Amtsvcrwcsers Gegenvorstellungen bei Hofe gemacht; sie erklären<lb/> diese Stelle sei gegen die Landesverfassung, nach welcher es heißt:<lb/> Böhmen solle einen Obcrstburggrafen haben und in dessen Abwesenhei<lb/> solle der Oberstlandeshofmcistcr den Ständeversammlungen und dem<lb/> Landtage präsidiren. Die Regierung hatte nur deshalb den Ausweg<lb/> getroffen, einen Verweser des Oberstburggrafen-Amts zu ernennen, weil<lb/> dieses dem jemaligen Landesgouverneur zukommt, ein Erzherzog aber<lb/> doch nicht Oberstburggraf sein kann. Den Gehalt von 80l»v Fi. C.-Mz.,<lb/> den der jeweilige Oberstburggraf aus den ständischen Mitteln bezieht, hatte<lb/> die Regierung dem Amtsverweser Grafen Salm zugewiesen. Allein<lb/> die Stände sprachen diesem das Recht hierzu ab, erstens, weil sie sein<lb/> Amt überhaupt nicht anerkannten, und zweitens, weil der Oberstburg¬<lb/> graf ein im Lande begüterter Edelmann sein müsse, was Graf Salm,<lb/> auch im Falle man ihn zu dieser Stelle erheben würde, nicht ist. Die<lb/> Regierung hat sich auch nicht eigensinnig gegen diese Einwendungen<lb/> gestemmt. Sie hat vor Allem angeordnet, daß der Gehalt des Gra¬<lb/> fen Salm aus dem Kamerale, d. h. aus der Staatscasse gezahlt<lb/> werde. Aber die Hauptopposition der Stände gegen den Vorsitz des<lb/> Grafen Salm bei den Landtagen war darum nicht erledigt, vielmehr<lb/> war diese — da auch noch persönliche Mißliebigkeit dabei im Spiele<lb/> ist — hartnäckiger als bei der Besoldungsfrage. Die Regierung hat<lb/> daher einen Ausweg getroffen. Der Appellationsgcrichts-Präsident, Frei¬<lb/> herr von Heß, wurde nach Wien zu derselben Stelle bei dem dorti¬<lb/> gen Appellationsgericht befördert, und da Baron Heß zugleich Oberst¬<lb/> landeshofmeister in Böhmen war, so wurde diese erledigte Stelle dem<lb/> Grafen Salm verliehen, der somit dem Buchstaben der Landesordnung<lb/> gemäß, „in Abwesenheit des Oberstburggrafen" als Landes Obcrsthof-<lb/> meister den Standen präsidirte. In dieser Eigenschaft wurde auch Graf<lb/> Salm in den Zeitungen officiel genannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_608" next="#ID_609"> Es wäre traurig gewesen, wenn der diesmalige Landtag in Mit¬<lb/> ten der großen Calamität, welche das Land getroffen, seine Zeit mit<lb/> lauter solchen Formalitatsgeschichten vertändelt hätte. Glücklicherweise<lb/> war es anders; einige practische Angelegenheiten, die zum endlichen<lb/> Abschlüsse kamen, werden tief in die Wohlfahrt des Landes greifen.<lb/> Vor Allem die Errichtung einer Hypothekenbank, wozu die Genehmi¬<lb/> gung aus Wien heraufgelangt ist. Bisher nämlich wurden wohl von<lb/> der Spar-Casse Vorschüsse auf Hypotheken geleistet, aber es erstreckte<lb/> sich diese Begünstigung größtentheils nur auf städtische Realitäten, und<lb/> der Vorschuß wurde natürlich mit jenem Gelde geleistet, welches in<lb/> der Spar-Casse zur Verzinsung niedergelegt wurde. — Wer nun einen<lb/> solchen Vorschuß auf seine Realität erhielt, mußte sich einem kurzen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
tes Program ward vertheilt, um die Mitglieder von den Fragen zu
unterrichten, welche verhandelt werden sollen. Wie bekannt, haben die
böhmischen Stande gegen die neu creirte Stelle eines Oberstburggra-
fen-Amtsvcrwcsers Gegenvorstellungen bei Hofe gemacht; sie erklären
diese Stelle sei gegen die Landesverfassung, nach welcher es heißt:
Böhmen solle einen Obcrstburggrafen haben und in dessen Abwesenhei
solle der Oberstlandeshofmcistcr den Ständeversammlungen und dem
Landtage präsidiren. Die Regierung hatte nur deshalb den Ausweg
getroffen, einen Verweser des Oberstburggrafen-Amts zu ernennen, weil
dieses dem jemaligen Landesgouverneur zukommt, ein Erzherzog aber
doch nicht Oberstburggraf sein kann. Den Gehalt von 80l»v Fi. C.-Mz.,
den der jeweilige Oberstburggraf aus den ständischen Mitteln bezieht, hatte
die Regierung dem Amtsverweser Grafen Salm zugewiesen. Allein
die Stände sprachen diesem das Recht hierzu ab, erstens, weil sie sein
Amt überhaupt nicht anerkannten, und zweitens, weil der Oberstburg¬
graf ein im Lande begüterter Edelmann sein müsse, was Graf Salm,
auch im Falle man ihn zu dieser Stelle erheben würde, nicht ist. Die
Regierung hat sich auch nicht eigensinnig gegen diese Einwendungen
gestemmt. Sie hat vor Allem angeordnet, daß der Gehalt des Gra¬
fen Salm aus dem Kamerale, d. h. aus der Staatscasse gezahlt
werde. Aber die Hauptopposition der Stände gegen den Vorsitz des
Grafen Salm bei den Landtagen war darum nicht erledigt, vielmehr
war diese — da auch noch persönliche Mißliebigkeit dabei im Spiele
ist — hartnäckiger als bei der Besoldungsfrage. Die Regierung hat
daher einen Ausweg getroffen. Der Appellationsgcrichts-Präsident, Frei¬
herr von Heß, wurde nach Wien zu derselben Stelle bei dem dorti¬
gen Appellationsgericht befördert, und da Baron Heß zugleich Oberst¬
landeshofmeister in Böhmen war, so wurde diese erledigte Stelle dem
Grafen Salm verliehen, der somit dem Buchstaben der Landesordnung
gemäß, „in Abwesenheit des Oberstburggrafen" als Landes Obcrsthof-
meister den Standen präsidirte. In dieser Eigenschaft wurde auch Graf
Salm in den Zeitungen officiel genannt.
Es wäre traurig gewesen, wenn der diesmalige Landtag in Mit¬
ten der großen Calamität, welche das Land getroffen, seine Zeit mit
lauter solchen Formalitatsgeschichten vertändelt hätte. Glücklicherweise
war es anders; einige practische Angelegenheiten, die zum endlichen
Abschlüsse kamen, werden tief in die Wohlfahrt des Landes greifen.
Vor Allem die Errichtung einer Hypothekenbank, wozu die Genehmi¬
gung aus Wien heraufgelangt ist. Bisher nämlich wurden wohl von
der Spar-Casse Vorschüsse auf Hypotheken geleistet, aber es erstreckte
sich diese Begünstigung größtentheils nur auf städtische Realitäten, und
der Vorschuß wurde natürlich mit jenem Gelde geleistet, welches in
der Spar-Casse zur Verzinsung niedergelegt wurde. — Wer nun einen
solchen Vorschuß auf seine Realität erhielt, mußte sich einem kurzen
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