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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Althings versuchte ein Haufe Gesinde! zu plündern, allein diesem Un-
fuge ward bald durch die verschärsteste Vorsicht der Behörde Einhalt
gethan, indem zahlreiche Wachmannschaft auf Kahne gesetzt wurde, um
überall Ordnung herzustellen, und da, wo das Wasser zu seicht stand,
die Patrouillen auf requiriren Wagen die Straßen durchfuhren.

In Folge dieser traurigen Ereignisse, welche nah und fern Noch
und Jammer verbreiten, sind unsere Zeitungen förmliche Zifferblätter
geworden, in welchen man bald nichts anderes zu lesen bekommt, als
ellenlange Ausweise der eingeflossenen Untcrstützungsbcträge; die Hau¬
ser bedecken sich mit Anschlagzetteln von Academün, Bällen, Concer¬
ten, Theatervorstellungen, Lotterien und Büchern, welche alle keinen
andern Zweck haben, als durch ihren Erlös die Unglücklichen in allen
Provinzen zu unterstützen, und es wird in Kurzem eine Schande sein,
blos zu tanzen und zu l-eher, weil man sich unterhalten oder belehren
will. Unter diesen Umständen ist es den Frauen und Mädchen nicht
zu verdenken, wenn sie einen wahren Heißhunger nach Unglücksfällen
an den Tag legen und fröhlich aufjauchzen, sobald sie von einer Ueber-
schwemmung oder einer Feuersbrunst hören. Die meisten dieser Da¬
men lesen die Zeitungen nicht, um die Fortschritte der Französin in
Algier zu erfahren oder über die Maynoothbil! in's Klare zu kommen,
sondern lediglich, um auf das Schnellste in Kenntniß gesetzt zu wer¬
den von jedwedem Unglücksfalle im weiten Bereiche des Kaiserstaates.
Es ist kein schlechtes Herz, das unsere vergnügungssüchtigen Damen
so frohen Muthes jede neue Hiobspost begrüßen läßt; was sie wollen,
das sind Concerte, Academien, Vorlesungen, Bälle u. s. w., und weil
die Ehemänner und Vater oft kargen mit diesen theuern Genüssen,
wo sie nicht gezwungen werden, als gute Patrioten zu bezahlen, so
kann jenen jede Gelegenheit nur sehr erwünscht kommen, wo Papa
oder clivi- imtri die Karten ox csüci" in's Haus geschickt erhalt und
wohl nicht anders kann, als seinen güldenen Pfennig auf den Altar
der Wohlthätigkeit zu legen. Gewiß, die Wiener waren lange nicht
so wohlthätig, wenn es nicht die Wienerinnen waren.

Da haben sie mitten im Frühlinge noch einen Maskenball be¬
kommen, im Odeonfaale, zum Besten der Wasserverunglückten in Böh¬
men, der 16M0 Fi. C,-Mz. abwarf; wie könnte da die Wiener Da¬
menwelt nicht wohlthätig fein -- allein die Rührung hinderte sie nicht,
bei zwanzig Grad Hitze zu walzen und Quadrille zu tanzen. Die
Redacteure der Musikzeitung und der Oese. Blatter, die Herren Schmidt
und Schmidt, redigiren gleichfalls zum Vortheil der Böhmen ein aus
unhonorirten Beiträgen bestehendes Album, und die hiesigen Künstler
haben sich dazu vereinbart, Gemälde und sonstige Kunstwerke unent¬
geltlich beizusteuern und alsdann auszuspielen. Der Adel und die
Banquiers wollen ihrerseits auch nicht zurückbleiben, und so haben sie
zwei Comitvs gebildet, welche theatralische Vorstellungen veranstalten


Althings versuchte ein Haufe Gesinde! zu plündern, allein diesem Un-
fuge ward bald durch die verschärsteste Vorsicht der Behörde Einhalt
gethan, indem zahlreiche Wachmannschaft auf Kahne gesetzt wurde, um
überall Ordnung herzustellen, und da, wo das Wasser zu seicht stand,
die Patrouillen auf requiriren Wagen die Straßen durchfuhren.

In Folge dieser traurigen Ereignisse, welche nah und fern Noch
und Jammer verbreiten, sind unsere Zeitungen förmliche Zifferblätter
geworden, in welchen man bald nichts anderes zu lesen bekommt, als
ellenlange Ausweise der eingeflossenen Untcrstützungsbcträge; die Hau¬
ser bedecken sich mit Anschlagzetteln von Academün, Bällen, Concer¬
ten, Theatervorstellungen, Lotterien und Büchern, welche alle keinen
andern Zweck haben, als durch ihren Erlös die Unglücklichen in allen
Provinzen zu unterstützen, und es wird in Kurzem eine Schande sein,
blos zu tanzen und zu l-eher, weil man sich unterhalten oder belehren
will. Unter diesen Umständen ist es den Frauen und Mädchen nicht
zu verdenken, wenn sie einen wahren Heißhunger nach Unglücksfällen
an den Tag legen und fröhlich aufjauchzen, sobald sie von einer Ueber-
schwemmung oder einer Feuersbrunst hören. Die meisten dieser Da¬
men lesen die Zeitungen nicht, um die Fortschritte der Französin in
Algier zu erfahren oder über die Maynoothbil! in's Klare zu kommen,
sondern lediglich, um auf das Schnellste in Kenntniß gesetzt zu wer¬
den von jedwedem Unglücksfalle im weiten Bereiche des Kaiserstaates.
Es ist kein schlechtes Herz, das unsere vergnügungssüchtigen Damen
so frohen Muthes jede neue Hiobspost begrüßen läßt; was sie wollen,
das sind Concerte, Academien, Vorlesungen, Bälle u. s. w., und weil
die Ehemänner und Vater oft kargen mit diesen theuern Genüssen,
wo sie nicht gezwungen werden, als gute Patrioten zu bezahlen, so
kann jenen jede Gelegenheit nur sehr erwünscht kommen, wo Papa
oder clivi- imtri die Karten ox csüci» in's Haus geschickt erhalt und
wohl nicht anders kann, als seinen güldenen Pfennig auf den Altar
der Wohlthätigkeit zu legen. Gewiß, die Wiener waren lange nicht
so wohlthätig, wenn es nicht die Wienerinnen waren.

Da haben sie mitten im Frühlinge noch einen Maskenball be¬
kommen, im Odeonfaale, zum Besten der Wasserverunglückten in Böh¬
men, der 16M0 Fi. C,-Mz. abwarf; wie könnte da die Wiener Da¬
menwelt nicht wohlthätig fein — allein die Rührung hinderte sie nicht,
bei zwanzig Grad Hitze zu walzen und Quadrille zu tanzen. Die
Redacteure der Musikzeitung und der Oese. Blatter, die Herren Schmidt
und Schmidt, redigiren gleichfalls zum Vortheil der Böhmen ein aus
unhonorirten Beiträgen bestehendes Album, und die hiesigen Künstler
haben sich dazu vereinbart, Gemälde und sonstige Kunstwerke unent¬
geltlich beizusteuern und alsdann auszuspielen. Der Adel und die
Banquiers wollen ihrerseits auch nicht zurückbleiben, und so haben sie
zwei Comitvs gebildet, welche theatralische Vorstellungen veranstalten


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[0314] Althings versuchte ein Haufe Gesinde! zu plündern, allein diesem Un- fuge ward bald durch die verschärsteste Vorsicht der Behörde Einhalt gethan, indem zahlreiche Wachmannschaft auf Kahne gesetzt wurde, um überall Ordnung herzustellen, und da, wo das Wasser zu seicht stand, die Patrouillen auf requiriren Wagen die Straßen durchfuhren. In Folge dieser traurigen Ereignisse, welche nah und fern Noch und Jammer verbreiten, sind unsere Zeitungen förmliche Zifferblätter geworden, in welchen man bald nichts anderes zu lesen bekommt, als ellenlange Ausweise der eingeflossenen Untcrstützungsbcträge; die Hau¬ ser bedecken sich mit Anschlagzetteln von Academün, Bällen, Concer¬ ten, Theatervorstellungen, Lotterien und Büchern, welche alle keinen andern Zweck haben, als durch ihren Erlös die Unglücklichen in allen Provinzen zu unterstützen, und es wird in Kurzem eine Schande sein, blos zu tanzen und zu l-eher, weil man sich unterhalten oder belehren will. Unter diesen Umständen ist es den Frauen und Mädchen nicht zu verdenken, wenn sie einen wahren Heißhunger nach Unglücksfällen an den Tag legen und fröhlich aufjauchzen, sobald sie von einer Ueber- schwemmung oder einer Feuersbrunst hören. Die meisten dieser Da¬ men lesen die Zeitungen nicht, um die Fortschritte der Französin in Algier zu erfahren oder über die Maynoothbil! in's Klare zu kommen, sondern lediglich, um auf das Schnellste in Kenntniß gesetzt zu wer¬ den von jedwedem Unglücksfalle im weiten Bereiche des Kaiserstaates. Es ist kein schlechtes Herz, das unsere vergnügungssüchtigen Damen so frohen Muthes jede neue Hiobspost begrüßen läßt; was sie wollen, das sind Concerte, Academien, Vorlesungen, Bälle u. s. w., und weil die Ehemänner und Vater oft kargen mit diesen theuern Genüssen, wo sie nicht gezwungen werden, als gute Patrioten zu bezahlen, so kann jenen jede Gelegenheit nur sehr erwünscht kommen, wo Papa oder clivi- imtri die Karten ox csüci» in's Haus geschickt erhalt und wohl nicht anders kann, als seinen güldenen Pfennig auf den Altar der Wohlthätigkeit zu legen. Gewiß, die Wiener waren lange nicht so wohlthätig, wenn es nicht die Wienerinnen waren. Da haben sie mitten im Frühlinge noch einen Maskenball be¬ kommen, im Odeonfaale, zum Besten der Wasserverunglückten in Böh¬ men, der 16M0 Fi. C,-Mz. abwarf; wie könnte da die Wiener Da¬ menwelt nicht wohlthätig fein — allein die Rührung hinderte sie nicht, bei zwanzig Grad Hitze zu walzen und Quadrille zu tanzen. Die Redacteure der Musikzeitung und der Oese. Blatter, die Herren Schmidt und Schmidt, redigiren gleichfalls zum Vortheil der Böhmen ein aus unhonorirten Beiträgen bestehendes Album, und die hiesigen Künstler haben sich dazu vereinbart, Gemälde und sonstige Kunstwerke unent¬ geltlich beizusteuern und alsdann auszuspielen. Der Adel und die Banquiers wollen ihrerseits auch nicht zurückbleiben, und so haben sie zwei Comitvs gebildet, welche theatralische Vorstellungen veranstalten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/314>, abgerufen am 09.05.2024.