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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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die Pfrieme wurde unbarmherzig durch das Leder durchgebohrt. Han¬
nover und der Zollverein spielen Othello und Desdemona und ein
unschuldiger Koffer wird erstochen."

-- Der Buchhändler Mayer in Hildburgshausen kündigt in den
Zeitungen an, daß er die Concession zur Gründung einer deutschen
Eisenbahnschienen-Compagnie erhalten habe, von der das Aktienkapital
zwei Millionen Thaler betragt. Dieser Aufruf tragt die sonderbare
Unterschrift: I. Meyer, Begründer und Inhaber der deutschen
Eisenbahnenschienen-Compagnie. Wir wußten nicht, daß
es, wie Regimentsinhaber, auch Compagnie-Inhaber gebe.

-- Man nimmt an, daß von Thiers Geschichte des Consulats
in Frankreich, Belgien und Deutschland an 6l1MV Exemplare gedruckt
werden. Die Bestellungen, die eine einzige Nachdruckersirma in Bel¬
gien (Wahlen) erhalten hat, betragen schon allein daS Sechstel dieser
Zahl.

-- Die letzte so eben erschienene Novelle von Balzac ist Heinrich
Heine gewidmet. Balzac nennt darin den Dichter der Reisebilder den
würdigsten Repräsentanten französischen Geistes in Deutschland und
deutscher Poesie in Frankreich. Die französischen Schriftsteller sind
überhaupt sehr galant gegen diesen liebenswürdigen deutschen Trotzkopf.
Theophile Gautier, der den Stoff seiner mit so vielem Glücke gespielten
Feerie "die Willis," einem Heine'schen Gedichte entnommen hat, be¬
dankte sich dafür in einem Feuilleton der Presse, das Heine die geist¬
reichsten Schmeicheleien sagt. Da ich nicht weiß, beginnt Gautier,
in welcher Gegend der Welt Sie sich jetzt befinden, so wähle ich als
sicherstes Mittel, daß mein Dank Sie erreiche, das Feuilleton einer
Zeitung u. s. w. Im Laufe dieses Frühlings wird die Revue des
Deux Mondes: Briefe über Deutschland von Heine bringen.

-- Herr Lewald, der auf unsere offene und ehrliche Polemik Nichts
zu antworten wußte, sucht in einem unterdrückten Keifen sein Heil,
und sticht mit seinem Zahnstocherkiel in jedem Hefte ein klein wenig
nach den Grenzboten. Dieses Vergnügen wollen wir ihm eine Zeit
lang gönnen. Altweiberzänkereien sind unsere Sache nicht. Wenn
Herr Lewald daher die angekündigte Erscheinung eines neuen deutschen
Blattes in Belgien zu einem Ausfall benützt, um den Grenzboten das
Aufgeben ihres ursprünglichen Zweckes vorzuhalten, ^so antworten wir
hierauf blos, weil es eine Ehrensache betrifft. Das neue (halb deut¬
sche -- halb flamändische Blatt), welches in Brüssel wieder projectirt
wird, hat einen hochstehenden Justizbeamten zum Begründer, der zu¬
fälliger Weise ein inniger Freund des Redacteurs der Grenzboten ist.


die Pfrieme wurde unbarmherzig durch das Leder durchgebohrt. Han¬
nover und der Zollverein spielen Othello und Desdemona und ein
unschuldiger Koffer wird erstochen."

— Der Buchhändler Mayer in Hildburgshausen kündigt in den
Zeitungen an, daß er die Concession zur Gründung einer deutschen
Eisenbahnschienen-Compagnie erhalten habe, von der das Aktienkapital
zwei Millionen Thaler betragt. Dieser Aufruf tragt die sonderbare
Unterschrift: I. Meyer, Begründer und Inhaber der deutschen
Eisenbahnenschienen-Compagnie. Wir wußten nicht, daß
es, wie Regimentsinhaber, auch Compagnie-Inhaber gebe.

— Man nimmt an, daß von Thiers Geschichte des Consulats
in Frankreich, Belgien und Deutschland an 6l1MV Exemplare gedruckt
werden. Die Bestellungen, die eine einzige Nachdruckersirma in Bel¬
gien (Wahlen) erhalten hat, betragen schon allein daS Sechstel dieser
Zahl.

— Die letzte so eben erschienene Novelle von Balzac ist Heinrich
Heine gewidmet. Balzac nennt darin den Dichter der Reisebilder den
würdigsten Repräsentanten französischen Geistes in Deutschland und
deutscher Poesie in Frankreich. Die französischen Schriftsteller sind
überhaupt sehr galant gegen diesen liebenswürdigen deutschen Trotzkopf.
Theophile Gautier, der den Stoff seiner mit so vielem Glücke gespielten
Feerie „die Willis," einem Heine'schen Gedichte entnommen hat, be¬
dankte sich dafür in einem Feuilleton der Presse, das Heine die geist¬
reichsten Schmeicheleien sagt. Da ich nicht weiß, beginnt Gautier,
in welcher Gegend der Welt Sie sich jetzt befinden, so wähle ich als
sicherstes Mittel, daß mein Dank Sie erreiche, das Feuilleton einer
Zeitung u. s. w. Im Laufe dieses Frühlings wird die Revue des
Deux Mondes: Briefe über Deutschland von Heine bringen.

— Herr Lewald, der auf unsere offene und ehrliche Polemik Nichts
zu antworten wußte, sucht in einem unterdrückten Keifen sein Heil,
und sticht mit seinem Zahnstocherkiel in jedem Hefte ein klein wenig
nach den Grenzboten. Dieses Vergnügen wollen wir ihm eine Zeit
lang gönnen. Altweiberzänkereien sind unsere Sache nicht. Wenn
Herr Lewald daher die angekündigte Erscheinung eines neuen deutschen
Blattes in Belgien zu einem Ausfall benützt, um den Grenzboten das
Aufgeben ihres ursprünglichen Zweckes vorzuhalten, ^so antworten wir
hierauf blos, weil es eine Ehrensache betrifft. Das neue (halb deut¬
sche — halb flamändische Blatt), welches in Brüssel wieder projectirt
wird, hat einen hochstehenden Justizbeamten zum Begründer, der zu¬
fälliger Weise ein inniger Freund des Redacteurs der Grenzboten ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/44>, abgerufen am 09.05.2024.