Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

entziehen, im Kerker erwürgt wurde; so wie es denn überhaupt in kei ¬
nem Lande von Hexenprocesscn so wimmelte, als wie in der Steiermark
im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunders. Die Protokolle, welche
urkundlich mitgetheilt werden, geben -- wie Hammer sagt -- "den
traurigen Beweis, daß die Leiter der mit dem Namen von Hexen¬
versammlungen gebrandmarkten Orgien schlechte Pfaffen und liederliche
Jünger waren, deren Schlauheit oder Einfluß sie dem Arm der stra¬
fenden Gerechtigkeit entzog, während ihre Schlachtopfer auf dem
Scheiterhaufen flammten." --

-- A. Weilt in Paris hat gegen die Brochüre "I^en, den" von
Cormenin eine Gegenschrift: "^"u coucrv i'en" herausgegeben (?iuis
nil Kul")lM alö in i^vno iutivjiemlimtv), worin er Cormenin wegen
seiner "primo8 <je leso nuiiosuniii,;" angreift. Leider ist in dieser
Schrift zu viel Feuer und zu wenig Licht, brillanter Styl und con-
fuse Gedanken.

-- Seit langer Zeit strebt der Literatenverein zu Leipzig mit mög¬
lichster Energie dahin, dem Nachdruck zu streuern und dies ehrlose
Gewerbe gebührend zu brandmarken. Es gibt aber eine Klasse von
Schriftstellern, denen moralisches Rechtsgefühl um keinen Preis bei¬
zubringen ist, und die es sich zum Vergnügen machen, alle Maaßregeln
tüchtiger Gesinnung zu verspotten. Am schlimmsten treiben die öster¬
reichischen Journale dies Frcibcuterhandwerk. Selbst die "Wiener
Zeitschrift", der wir doch mehr Achtung ihrer selbst zugetraut hätten,
sucht auf diese Weise billig ihre Spalten zu füllen. So z. B. ent¬
halt dieses Blatt in den Nummern 93--96. eine Novelle "Schmugg¬
lerleben", die ein vollständiger Nachdruck der Novelle "Pa scher-
leben" von Ernst Willkomm ist. Erwähnte Novelle erschien zuerst
im Jahre 1836 unter dem Gesammttitel "Grenzwanderungen" in
der "Zeitung für die elegante Welt" und später 1842 in der Novellen¬
sammlung "Grenzer, Narren und Lootsen." Die "Wiener Zeit¬
schrift" hat blos diejenigen Stellen gestrichen, die bei der österreichischen
Censur hätten Anstoß erregen können und außerdem noch hin und
wieder ein Wort weggelassen oder eins zugesetzt.*) Schade, daß der
geistreiche Dieb wegen dieser albernen Abänderungen nicht auch die
Frechheit gehabt hat, das so verstümmelte Product eines deutschen
Sch ^ Willkomm riftstellers mit seinem Namen zu unterzeichnen.



Vcria-, von Fr. Lndw. Hcrbig. -- Redacteur I Kurandn.
Druck von Friedrich Zlndrä.
*) Wir glauben, die Redaction der Wiener Zeitschrift ist unschuldig und
D. Red. nur selbst dupirt. Derlei kommt in Oesterreich oft vor.

entziehen, im Kerker erwürgt wurde; so wie es denn überhaupt in kei ¬
nem Lande von Hexenprocesscn so wimmelte, als wie in der Steiermark
im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunders. Die Protokolle, welche
urkundlich mitgetheilt werden, geben — wie Hammer sagt — „den
traurigen Beweis, daß die Leiter der mit dem Namen von Hexen¬
versammlungen gebrandmarkten Orgien schlechte Pfaffen und liederliche
Jünger waren, deren Schlauheit oder Einfluß sie dem Arm der stra¬
fenden Gerechtigkeit entzog, während ihre Schlachtopfer auf dem
Scheiterhaufen flammten." —

— A. Weilt in Paris hat gegen die Brochüre „I^en, den" von
Cormenin eine Gegenschrift: „^»u coucrv i'en" herausgegeben (?iuis
nil Kul«)lM alö in i^vno iutivjiemlimtv), worin er Cormenin wegen
seiner „primo8 <je leso nuiiosuniii,;" angreift. Leider ist in dieser
Schrift zu viel Feuer und zu wenig Licht, brillanter Styl und con-
fuse Gedanken.

— Seit langer Zeit strebt der Literatenverein zu Leipzig mit mög¬
lichster Energie dahin, dem Nachdruck zu streuern und dies ehrlose
Gewerbe gebührend zu brandmarken. Es gibt aber eine Klasse von
Schriftstellern, denen moralisches Rechtsgefühl um keinen Preis bei¬
zubringen ist, und die es sich zum Vergnügen machen, alle Maaßregeln
tüchtiger Gesinnung zu verspotten. Am schlimmsten treiben die öster¬
reichischen Journale dies Frcibcuterhandwerk. Selbst die „Wiener
Zeitschrift", der wir doch mehr Achtung ihrer selbst zugetraut hätten,
sucht auf diese Weise billig ihre Spalten zu füllen. So z. B. ent¬
halt dieses Blatt in den Nummern 93—96. eine Novelle „Schmugg¬
lerleben", die ein vollständiger Nachdruck der Novelle „Pa scher-
leben" von Ernst Willkomm ist. Erwähnte Novelle erschien zuerst
im Jahre 1836 unter dem Gesammttitel „Grenzwanderungen" in
der „Zeitung für die elegante Welt" und später 1842 in der Novellen¬
sammlung „Grenzer, Narren und Lootsen." Die „Wiener Zeit¬
schrift" hat blos diejenigen Stellen gestrichen, die bei der österreichischen
Censur hätten Anstoß erregen können und außerdem noch hin und
wieder ein Wort weggelassen oder eins zugesetzt.*) Schade, daß der
geistreiche Dieb wegen dieser albernen Abänderungen nicht auch die
Frechheit gehabt hat, das so verstümmelte Product eines deutschen
Sch ^ Willkomm riftstellers mit seinem Namen zu unterzeichnen.



Vcria-, von Fr. Lndw. Hcrbig. — Redacteur I Kurandn.
Druck von Friedrich Zlndrä.
*) Wir glauben, die Redaction der Wiener Zeitschrift ist unschuldig und
D. Red. nur selbst dupirt. Derlei kommt in Oesterreich oft vor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270535"/>
            <p xml:id="ID_1331" prev="#ID_1330"> entziehen, im Kerker erwürgt wurde; so wie es denn überhaupt in kei ¬<lb/>
nem Lande von Hexenprocesscn so wimmelte, als wie in der Steiermark<lb/>
im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunders. Die Protokolle, welche<lb/>
urkundlich mitgetheilt werden, geben &#x2014; wie Hammer sagt &#x2014; &#x201E;den<lb/>
traurigen Beweis, daß die Leiter der mit dem Namen von Hexen¬<lb/>
versammlungen gebrandmarkten Orgien schlechte Pfaffen und liederliche<lb/>
Jünger waren, deren Schlauheit oder Einfluß sie dem Arm der stra¬<lb/>
fenden Gerechtigkeit entzog, während ihre Schlachtopfer auf dem<lb/>
Scheiterhaufen flammten." &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1332"> &#x2014; A. Weilt in Paris hat gegen die Brochüre &#x201E;I^en, den" von<lb/>
Cormenin eine Gegenschrift: &#x201E;^»u coucrv i'en" herausgegeben (?iuis<lb/>
nil Kul«)lM alö in i^vno iutivjiemlimtv), worin er Cormenin wegen<lb/>
seiner &#x201E;primo8 &lt;je leso nuiiosuniii,;" angreift. Leider ist in dieser<lb/>
Schrift zu viel Feuer und zu wenig Licht, brillanter Styl und con-<lb/>
fuse Gedanken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1333"> &#x2014; Seit langer Zeit strebt der Literatenverein zu Leipzig mit mög¬<lb/>
lichster Energie dahin, dem Nachdruck zu streuern und dies ehrlose<lb/>
Gewerbe gebührend zu brandmarken. Es gibt aber eine Klasse von<lb/>
Schriftstellern, denen moralisches Rechtsgefühl um keinen Preis bei¬<lb/>
zubringen ist, und die es sich zum Vergnügen machen, alle Maaßregeln<lb/>
tüchtiger Gesinnung zu verspotten. Am schlimmsten treiben die öster¬<lb/>
reichischen Journale dies Frcibcuterhandwerk. Selbst die &#x201E;Wiener<lb/>
Zeitschrift", der wir doch mehr Achtung ihrer selbst zugetraut hätten,<lb/>
sucht auf diese Weise billig ihre Spalten zu füllen. So z. B. ent¬<lb/>
halt dieses Blatt in den Nummern 93&#x2014;96. eine Novelle &#x201E;Schmugg¬<lb/>
lerleben", die ein vollständiger Nachdruck der Novelle &#x201E;Pa scher-<lb/>
leben" von Ernst Willkomm ist. Erwähnte Novelle erschien zuerst<lb/>
im Jahre 1836 unter dem Gesammttitel &#x201E;Grenzwanderungen" in<lb/>
der &#x201E;Zeitung für die elegante Welt" und später 1842 in der Novellen¬<lb/>
sammlung &#x201E;Grenzer, Narren und Lootsen." Die &#x201E;Wiener Zeit¬<lb/>
schrift" hat blos diejenigen Stellen gestrichen, die bei der österreichischen<lb/>
Censur hätten Anstoß erregen können und außerdem noch hin und<lb/>
wieder ein Wort weggelassen oder eins zugesetzt.*) Schade, daß der<lb/>
geistreiche Dieb wegen dieser albernen Abänderungen nicht auch die<lb/>
Frechheit gehabt hat, das so verstümmelte Product eines deutschen<lb/>
Sch<note type="byline"> ^ Willkomm</note> riftstellers mit seinem Namen zu unterzeichnen. </p><lb/>
            <note xml:id="FID_42" place="foot"> *) Wir glauben, die Redaction der Wiener Zeitschrift ist unschuldig und<lb/><note type="byline"> D. Red.</note> nur selbst dupirt. Derlei kommt in Oesterreich oft vor. </note><lb/>
            <note type="byline"/><lb/>
            <note type="byline"> Vcria-, von Fr. Lndw. Hcrbig. &#x2014; Redacteur I Kurandn.<lb/>
Druck von Friedrich Zlndrä.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] entziehen, im Kerker erwürgt wurde; so wie es denn überhaupt in kei ¬ nem Lande von Hexenprocesscn so wimmelte, als wie in der Steiermark im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunders. Die Protokolle, welche urkundlich mitgetheilt werden, geben — wie Hammer sagt — „den traurigen Beweis, daß die Leiter der mit dem Namen von Hexen¬ versammlungen gebrandmarkten Orgien schlechte Pfaffen und liederliche Jünger waren, deren Schlauheit oder Einfluß sie dem Arm der stra¬ fenden Gerechtigkeit entzog, während ihre Schlachtopfer auf dem Scheiterhaufen flammten." — — A. Weilt in Paris hat gegen die Brochüre „I^en, den" von Cormenin eine Gegenschrift: „^»u coucrv i'en" herausgegeben (?iuis nil Kul«)lM alö in i^vno iutivjiemlimtv), worin er Cormenin wegen seiner „primo8 <je leso nuiiosuniii,;" angreift. Leider ist in dieser Schrift zu viel Feuer und zu wenig Licht, brillanter Styl und con- fuse Gedanken. — Seit langer Zeit strebt der Literatenverein zu Leipzig mit mög¬ lichster Energie dahin, dem Nachdruck zu streuern und dies ehrlose Gewerbe gebührend zu brandmarken. Es gibt aber eine Klasse von Schriftstellern, denen moralisches Rechtsgefühl um keinen Preis bei¬ zubringen ist, und die es sich zum Vergnügen machen, alle Maaßregeln tüchtiger Gesinnung zu verspotten. Am schlimmsten treiben die öster¬ reichischen Journale dies Frcibcuterhandwerk. Selbst die „Wiener Zeitschrift", der wir doch mehr Achtung ihrer selbst zugetraut hätten, sucht auf diese Weise billig ihre Spalten zu füllen. So z. B. ent¬ halt dieses Blatt in den Nummern 93—96. eine Novelle „Schmugg¬ lerleben", die ein vollständiger Nachdruck der Novelle „Pa scher- leben" von Ernst Willkomm ist. Erwähnte Novelle erschien zuerst im Jahre 1836 unter dem Gesammttitel „Grenzwanderungen" in der „Zeitung für die elegante Welt" und später 1842 in der Novellen¬ sammlung „Grenzer, Narren und Lootsen." Die „Wiener Zeit¬ schrift" hat blos diejenigen Stellen gestrichen, die bei der österreichischen Censur hätten Anstoß erregen können und außerdem noch hin und wieder ein Wort weggelassen oder eins zugesetzt.*) Schade, daß der geistreiche Dieb wegen dieser albernen Abänderungen nicht auch die Frechheit gehabt hat, das so verstümmelte Product eines deutschen Sch ^ Willkomm riftstellers mit seinem Namen zu unterzeichnen. Vcria-, von Fr. Lndw. Hcrbig. — Redacteur I Kurandn. Druck von Friedrich Zlndrä. *) Wir glauben, die Redaction der Wiener Zeitschrift ist unschuldig und D. Red. nur selbst dupirt. Derlei kommt in Oesterreich oft vor.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/476>, abgerufen am 09.05.2024.