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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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aus freiem Fuß lassen kann. Gelingt ihm dies nicht, w??( er hier
Niemand kennt, oder erbarmt sich nicht ein Unbekannter des bedräng¬
ten, der seinem ehrlichen Gesicht mehr Vertrauen schenkt, als die hoch¬
löbliche Polizei, so ist der Arme gezwungen, denselben Weg wieder
zurückzugehen, den er gekommen, denn nicht einmal weiter reisen laßt
man einen Solchen, z. B. nach Ungarn, sondern sein Ziel ist die
Grenze, die er überschritten hat.

Außerdem muß Jedermann für die Aufenthaltskarte eine Steuer
von I Fe. C.-M. entrichten, was zwar keine bedeutende Auflage zu
nennen ist, allein seinem ganzen Wesen nach etwas Ungastfrcundliches
an sich tragt, weil es die Ansicht ausspricht, als werde der Fremde
aus Gottes Gnaden aufgenommen und müsse das große Glück, zwei
Wochen lang das Pflaster der Residenz zu treten, mit drei blanken
Silberstücken bezahlen.*) Diese Steuer ist weder in Paris noch in
London Sitte, indem der Fremde ohnedies bei seinem Aufenthalt an
die Staatskasse steuert, sei es durch die Accise, sei es durch die Post,
oder aus andere Weise, und derselbe Zweck.erzielt werden kann, ohne
ihm eine directe Steuer abzuverlangen. Möchte man sich doch anderswo
ein Beispiel nehmen, wo es kaum (?) vorkommen dürfte, daß einzelne
Beamte es wagen, die Erfüllung ihrer Pflicht als Begünstigung gel¬
tend zu machen, wie ich hier Ohrenzeuge gewesen, wo ein Fremder,
der seine Zeit meist auf kleinen Ausflügen in die ferneren Umgebun¬
gen der Hauptstadt zubrachte, als er den dazu erforderlichen Passir¬
schein verlangte, mit der Aeußerung empfangen ward: Für ihn müsse
wohl noch ein eigener Beamter angestellt werden, denn er mißbrauche
gar zu sehr die Bereitwilligkeit der Behörde! Als ob nicht die Noth¬
wendigkeit einer Legitimation bei kleinen Reisen von sechs bis zehn
Meilen schon ohnehin eine Beschwerniß für das Publicum wäre, der
man sich wie einem unvermeidlichen Uebel, unterwirst, und die Ent¬
fernung wie eine Gnade zu erbitten sei! Da der Angeredete kein
Rabulist war und nicht gern sich in einen Wortwechsel einlassen wollte,
so verständigte er sich lieber mit dem unwirscher Paßofsicianten, und
hatte fortan Ruhe. Hoffen wir, daß der neue Director, Herr Hofrath
v. Muth, auf diese Mißbräuche ein aufmerksames Auge wenden wird.

Aus der Färbung einiger hiesigen Blatter kann man bereits einige
günstige Folgen derjenigen Schritte abnehmen, welche zum Zweck von
Prcßerleichterungen unlängst gethan wurden. Vor der Haus erstrecken
sich diese freilich blos auf Behandlung localer Gegenstände, und in



*) Diese Sitte ist übrigens nicht nur in Wien, sondern in den meiste"
deutschen Großstädten heimisch. Fast überall wird dem Fremden für seine
Aufenthaltskarte eine kleine Gebühr abgenommen. In Frankreich zahlt man
an der Grenze beim Umwechseln des Passes eine Taxe von zwei Fken und
ran,
D. Red. damit ist Alles gethan.

aus freiem Fuß lassen kann. Gelingt ihm dies nicht, w??( er hier
Niemand kennt, oder erbarmt sich nicht ein Unbekannter des bedräng¬
ten, der seinem ehrlichen Gesicht mehr Vertrauen schenkt, als die hoch¬
löbliche Polizei, so ist der Arme gezwungen, denselben Weg wieder
zurückzugehen, den er gekommen, denn nicht einmal weiter reisen laßt
man einen Solchen, z. B. nach Ungarn, sondern sein Ziel ist die
Grenze, die er überschritten hat.

Außerdem muß Jedermann für die Aufenthaltskarte eine Steuer
von I Fe. C.-M. entrichten, was zwar keine bedeutende Auflage zu
nennen ist, allein seinem ganzen Wesen nach etwas Ungastfrcundliches
an sich tragt, weil es die Ansicht ausspricht, als werde der Fremde
aus Gottes Gnaden aufgenommen und müsse das große Glück, zwei
Wochen lang das Pflaster der Residenz zu treten, mit drei blanken
Silberstücken bezahlen.*) Diese Steuer ist weder in Paris noch in
London Sitte, indem der Fremde ohnedies bei seinem Aufenthalt an
die Staatskasse steuert, sei es durch die Accise, sei es durch die Post,
oder aus andere Weise, und derselbe Zweck.erzielt werden kann, ohne
ihm eine directe Steuer abzuverlangen. Möchte man sich doch anderswo
ein Beispiel nehmen, wo es kaum (?) vorkommen dürfte, daß einzelne
Beamte es wagen, die Erfüllung ihrer Pflicht als Begünstigung gel¬
tend zu machen, wie ich hier Ohrenzeuge gewesen, wo ein Fremder,
der seine Zeit meist auf kleinen Ausflügen in die ferneren Umgebun¬
gen der Hauptstadt zubrachte, als er den dazu erforderlichen Passir¬
schein verlangte, mit der Aeußerung empfangen ward: Für ihn müsse
wohl noch ein eigener Beamter angestellt werden, denn er mißbrauche
gar zu sehr die Bereitwilligkeit der Behörde! Als ob nicht die Noth¬
wendigkeit einer Legitimation bei kleinen Reisen von sechs bis zehn
Meilen schon ohnehin eine Beschwerniß für das Publicum wäre, der
man sich wie einem unvermeidlichen Uebel, unterwirst, und die Ent¬
fernung wie eine Gnade zu erbitten sei! Da der Angeredete kein
Rabulist war und nicht gern sich in einen Wortwechsel einlassen wollte,
so verständigte er sich lieber mit dem unwirscher Paßofsicianten, und
hatte fortan Ruhe. Hoffen wir, daß der neue Director, Herr Hofrath
v. Muth, auf diese Mißbräuche ein aufmerksames Auge wenden wird.

Aus der Färbung einiger hiesigen Blatter kann man bereits einige
günstige Folgen derjenigen Schritte abnehmen, welche zum Zweck von
Prcßerleichterungen unlängst gethan wurden. Vor der Haus erstrecken
sich diese freilich blos auf Behandlung localer Gegenstände, und in



*) Diese Sitte ist übrigens nicht nur in Wien, sondern in den meiste»
deutschen Großstädten heimisch. Fast überall wird dem Fremden für seine
Aufenthaltskarte eine kleine Gebühr abgenommen. In Frankreich zahlt man
an der Grenze beim Umwechseln des Passes eine Taxe von zwei Fken und
ran,
D. Red. damit ist Alles gethan.
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[0505] aus freiem Fuß lassen kann. Gelingt ihm dies nicht, w??( er hier Niemand kennt, oder erbarmt sich nicht ein Unbekannter des bedräng¬ ten, der seinem ehrlichen Gesicht mehr Vertrauen schenkt, als die hoch¬ löbliche Polizei, so ist der Arme gezwungen, denselben Weg wieder zurückzugehen, den er gekommen, denn nicht einmal weiter reisen laßt man einen Solchen, z. B. nach Ungarn, sondern sein Ziel ist die Grenze, die er überschritten hat. Außerdem muß Jedermann für die Aufenthaltskarte eine Steuer von I Fe. C.-M. entrichten, was zwar keine bedeutende Auflage zu nennen ist, allein seinem ganzen Wesen nach etwas Ungastfrcundliches an sich tragt, weil es die Ansicht ausspricht, als werde der Fremde aus Gottes Gnaden aufgenommen und müsse das große Glück, zwei Wochen lang das Pflaster der Residenz zu treten, mit drei blanken Silberstücken bezahlen.*) Diese Steuer ist weder in Paris noch in London Sitte, indem der Fremde ohnedies bei seinem Aufenthalt an die Staatskasse steuert, sei es durch die Accise, sei es durch die Post, oder aus andere Weise, und derselbe Zweck.erzielt werden kann, ohne ihm eine directe Steuer abzuverlangen. Möchte man sich doch anderswo ein Beispiel nehmen, wo es kaum (?) vorkommen dürfte, daß einzelne Beamte es wagen, die Erfüllung ihrer Pflicht als Begünstigung gel¬ tend zu machen, wie ich hier Ohrenzeuge gewesen, wo ein Fremder, der seine Zeit meist auf kleinen Ausflügen in die ferneren Umgebun¬ gen der Hauptstadt zubrachte, als er den dazu erforderlichen Passir¬ schein verlangte, mit der Aeußerung empfangen ward: Für ihn müsse wohl noch ein eigener Beamter angestellt werden, denn er mißbrauche gar zu sehr die Bereitwilligkeit der Behörde! Als ob nicht die Noth¬ wendigkeit einer Legitimation bei kleinen Reisen von sechs bis zehn Meilen schon ohnehin eine Beschwerniß für das Publicum wäre, der man sich wie einem unvermeidlichen Uebel, unterwirst, und die Ent¬ fernung wie eine Gnade zu erbitten sei! Da der Angeredete kein Rabulist war und nicht gern sich in einen Wortwechsel einlassen wollte, so verständigte er sich lieber mit dem unwirscher Paßofsicianten, und hatte fortan Ruhe. Hoffen wir, daß der neue Director, Herr Hofrath v. Muth, auf diese Mißbräuche ein aufmerksames Auge wenden wird. Aus der Färbung einiger hiesigen Blatter kann man bereits einige günstige Folgen derjenigen Schritte abnehmen, welche zum Zweck von Prcßerleichterungen unlängst gethan wurden. Vor der Haus erstrecken sich diese freilich blos auf Behandlung localer Gegenstände, und in *) Diese Sitte ist übrigens nicht nur in Wien, sondern in den meiste» deutschen Großstädten heimisch. Fast überall wird dem Fremden für seine Aufenthaltskarte eine kleine Gebühr abgenommen. In Frankreich zahlt man an der Grenze beim Umwechseln des Passes eine Taxe von zwei Fken und ran, D. Red. damit ist Alles gethan.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/505>, abgerufen am 08.05.2024.