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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Daß die hiesigen Staatsmänner, in der abstracten Theorie des
freien Handels ergraut, von dieser Theorie nicht lassen können, ist
klar. Einige derselben sind wenigstens so weit gebracht, daß sie es
als Bedürfniß anerkennen, einige Ausnahmen zu machen. Jedenfalls
ist zu erwarten, daß man eine Erhöhung von Zöllen so niedrig als
möglich halten werde. Die Bevorwortung einer Erhöhung des Lin¬
nenzolles steht in Aussicht; auch wohl für das Baumwollengarn dürf¬
ten Hoffnungen in dieser Beziehung gehegt werden. Wenigstens hat
es den Anschein, als werde man sich der Ueberzeugung anschließen,
daß Erhöhung von Zöllen ohne Gewährung von sogenannten Rück-
zöllen eher verderblich wirken würde. So läßt sich denn für die be¬
vorstehende Karlsruher Eonferenz immer schon Einiges zu Gunsten
unserer so sehr gefährdeten Industrie hoffen. Das Beste ist, daß der
bisherige starre Widerstand Preußens gegen alle Verwahrungsmaa߬
regeln endlich wirklich erschüttert ist.

Bekanntlich haben Prinz Carl von Preußen und der Fürst von
Schönburg-Waldenburg eine Commission von drei Personen nach der
Mosquitoküste gesandt, um das dortige Terrain hinsichtlich seiner
Tauglichkeit zu Ansiedelungen zu untersuchen. Die drei Beauftrag¬
ten haben jetzt nach ihrer Rückkehr einen überaus glänzend ausgestat¬
teten "Bericht über die im Auftrage Sr. Hoheit des Prinzen Carl
und Sr. Durchlaucht des Fürsten Schönburg-Waldenburg bewirkte
Untersuchung einiger Theile des Mosquitolandcshier bei Duncker
herausgegeben und versucht, in diesem Berichte die Tauglichkeit der
Mosquitoküste für den beabsichtigten Zweck ebenso glänzend zu schil¬
dern, als das Buch ausgestattet ist. Nun hat sich sogleich hier ein
Verein constituirt, um der Angelegenheit eine solche Wendung zu geben,
daß außer dem unumgänglichen pecuniären Interesse auch das handels¬
politische und vorzüglich das philanthropische seine Wahrnehmung finde.
An den eifrigsten der Unternehmer gehörten der Geheime Rath Lette, der
Oberbergrath Böcking u. a. Am 2Y. Mai fand im englischen Hause
eine Sitzung Statt, in welcher beschlossen wurde, von der Frage über
die Localität der zukünftigen Ansiedlung noch abzusehen und die Ent¬
scheidung derselben der nach Bildung des Vereins durch Actienzcichnung
einzuberufenden Generalversammlung zu überlassen; vorläufig aber, da¬
mit man dieser Versammlung gleich Materialien zur Berathung bieten
könne, vier Comites zu ernennen, von denen das eine sich mit den
Grundlagen für die Organisation des Vereins und mit den Mitteln,
Theilnahme für denselben zu erwecken, so wie mit der Frage, inwie¬
fern mit der preußischen Negierung in Unterhandlung zu treten sein
möchte; das zweite mit Einsammlung von Nachrichten und mit Un¬
tersuchungen über Umfang, Ursachen u. s. w. der Auswanderung; das
dritte und vierte mit Sammlung und Ordnung der bereits vorhan¬
denen Nachrichten einerseits über die Mosquitoküste, andrerseits über


Daß die hiesigen Staatsmänner, in der abstracten Theorie des
freien Handels ergraut, von dieser Theorie nicht lassen können, ist
klar. Einige derselben sind wenigstens so weit gebracht, daß sie es
als Bedürfniß anerkennen, einige Ausnahmen zu machen. Jedenfalls
ist zu erwarten, daß man eine Erhöhung von Zöllen so niedrig als
möglich halten werde. Die Bevorwortung einer Erhöhung des Lin¬
nenzolles steht in Aussicht; auch wohl für das Baumwollengarn dürf¬
ten Hoffnungen in dieser Beziehung gehegt werden. Wenigstens hat
es den Anschein, als werde man sich der Ueberzeugung anschließen,
daß Erhöhung von Zöllen ohne Gewährung von sogenannten Rück-
zöllen eher verderblich wirken würde. So läßt sich denn für die be¬
vorstehende Karlsruher Eonferenz immer schon Einiges zu Gunsten
unserer so sehr gefährdeten Industrie hoffen. Das Beste ist, daß der
bisherige starre Widerstand Preußens gegen alle Verwahrungsmaa߬
regeln endlich wirklich erschüttert ist.

Bekanntlich haben Prinz Carl von Preußen und der Fürst von
Schönburg-Waldenburg eine Commission von drei Personen nach der
Mosquitoküste gesandt, um das dortige Terrain hinsichtlich seiner
Tauglichkeit zu Ansiedelungen zu untersuchen. Die drei Beauftrag¬
ten haben jetzt nach ihrer Rückkehr einen überaus glänzend ausgestat¬
teten „Bericht über die im Auftrage Sr. Hoheit des Prinzen Carl
und Sr. Durchlaucht des Fürsten Schönburg-Waldenburg bewirkte
Untersuchung einiger Theile des Mosquitolandcshier bei Duncker
herausgegeben und versucht, in diesem Berichte die Tauglichkeit der
Mosquitoküste für den beabsichtigten Zweck ebenso glänzend zu schil¬
dern, als das Buch ausgestattet ist. Nun hat sich sogleich hier ein
Verein constituirt, um der Angelegenheit eine solche Wendung zu geben,
daß außer dem unumgänglichen pecuniären Interesse auch das handels¬
politische und vorzüglich das philanthropische seine Wahrnehmung finde.
An den eifrigsten der Unternehmer gehörten der Geheime Rath Lette, der
Oberbergrath Böcking u. a. Am 2Y. Mai fand im englischen Hause
eine Sitzung Statt, in welcher beschlossen wurde, von der Frage über
die Localität der zukünftigen Ansiedlung noch abzusehen und die Ent¬
scheidung derselben der nach Bildung des Vereins durch Actienzcichnung
einzuberufenden Generalversammlung zu überlassen; vorläufig aber, da¬
mit man dieser Versammlung gleich Materialien zur Berathung bieten
könne, vier Comites zu ernennen, von denen das eine sich mit den
Grundlagen für die Organisation des Vereins und mit den Mitteln,
Theilnahme für denselben zu erwecken, so wie mit der Frage, inwie¬
fern mit der preußischen Negierung in Unterhandlung zu treten sein
möchte; das zweite mit Einsammlung von Nachrichten und mit Un¬
tersuchungen über Umfang, Ursachen u. s. w. der Auswanderung; das
dritte und vierte mit Sammlung und Ordnung der bereits vorhan¬
denen Nachrichten einerseits über die Mosquitoküste, andrerseits über


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[0539] Daß die hiesigen Staatsmänner, in der abstracten Theorie des freien Handels ergraut, von dieser Theorie nicht lassen können, ist klar. Einige derselben sind wenigstens so weit gebracht, daß sie es als Bedürfniß anerkennen, einige Ausnahmen zu machen. Jedenfalls ist zu erwarten, daß man eine Erhöhung von Zöllen so niedrig als möglich halten werde. Die Bevorwortung einer Erhöhung des Lin¬ nenzolles steht in Aussicht; auch wohl für das Baumwollengarn dürf¬ ten Hoffnungen in dieser Beziehung gehegt werden. Wenigstens hat es den Anschein, als werde man sich der Ueberzeugung anschließen, daß Erhöhung von Zöllen ohne Gewährung von sogenannten Rück- zöllen eher verderblich wirken würde. So läßt sich denn für die be¬ vorstehende Karlsruher Eonferenz immer schon Einiges zu Gunsten unserer so sehr gefährdeten Industrie hoffen. Das Beste ist, daß der bisherige starre Widerstand Preußens gegen alle Verwahrungsmaa߬ regeln endlich wirklich erschüttert ist. Bekanntlich haben Prinz Carl von Preußen und der Fürst von Schönburg-Waldenburg eine Commission von drei Personen nach der Mosquitoküste gesandt, um das dortige Terrain hinsichtlich seiner Tauglichkeit zu Ansiedelungen zu untersuchen. Die drei Beauftrag¬ ten haben jetzt nach ihrer Rückkehr einen überaus glänzend ausgestat¬ teten „Bericht über die im Auftrage Sr. Hoheit des Prinzen Carl und Sr. Durchlaucht des Fürsten Schönburg-Waldenburg bewirkte Untersuchung einiger Theile des Mosquitolandcshier bei Duncker herausgegeben und versucht, in diesem Berichte die Tauglichkeit der Mosquitoküste für den beabsichtigten Zweck ebenso glänzend zu schil¬ dern, als das Buch ausgestattet ist. Nun hat sich sogleich hier ein Verein constituirt, um der Angelegenheit eine solche Wendung zu geben, daß außer dem unumgänglichen pecuniären Interesse auch das handels¬ politische und vorzüglich das philanthropische seine Wahrnehmung finde. An den eifrigsten der Unternehmer gehörten der Geheime Rath Lette, der Oberbergrath Böcking u. a. Am 2Y. Mai fand im englischen Hause eine Sitzung Statt, in welcher beschlossen wurde, von der Frage über die Localität der zukünftigen Ansiedlung noch abzusehen und die Ent¬ scheidung derselben der nach Bildung des Vereins durch Actienzcichnung einzuberufenden Generalversammlung zu überlassen; vorläufig aber, da¬ mit man dieser Versammlung gleich Materialien zur Berathung bieten könne, vier Comites zu ernennen, von denen das eine sich mit den Grundlagen für die Organisation des Vereins und mit den Mitteln, Theilnahme für denselben zu erwecken, so wie mit der Frage, inwie¬ fern mit der preußischen Negierung in Unterhandlung zu treten sein möchte; das zweite mit Einsammlung von Nachrichten und mit Un¬ tersuchungen über Umfang, Ursachen u. s. w. der Auswanderung; das dritte und vierte mit Sammlung und Ordnung der bereits vorhan¬ denen Nachrichten einerseits über die Mosquitoküste, andrerseits über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/539>, abgerufen am 09.05.2024.