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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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den, daß der eigentliche Hohe Corsoverein den Sonnabend - Corso
nicht gern emancipirt, weil er von der orientalischen Geldaristokratie
vorzugsweise stark besucht wir. Wozu also Graels-Concert am Sonn¬
abend? Weshalb sollte die Geburtsaristokratie der Geldaristokratie um¬
sonst Eins aufspielen lassen, die mit Figaro singt: "Will einst das
Gräfinn ein Tänzchen wagen, mag er's nur sagen, ich spiele ihm
auf u. s. w." Wie manchem Gräflein mag schon von seinem Ban¬
quier übel auf- und mitgespielt worden sein! -- Uebrigens zeichnen
sich unsere Banquier-Equipagen von den aristokratischen Equipagen
keineswegs vortheilhaft aus; sie sind größtentheils höchst mesquin.
Wenn der Wagen gut, selbst elegant ist, so sind die Pferde alt und
struppirt; sind die Pferde gut, so taugt der Wagen nichts; waren aber
selbst Wagen und Pferde anständig, so ist die Livree und das Geschirr
nicht im Einklang, kurz irgendwo guckt Ungeschmack heraus.

Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen fuhr wie gewöhnlich
selbst in einem einfach eleganten Wagen, neben ihm saß seine Ge¬
mahlin, zu unaufhörlichen Grüßen son'ire; wenn doch der "liebe Pö¬
bel" erst begreifen wollte, daß den Hohen Herrschaften nichts langwei¬
liger und lästiger sein kann, als dies ewig dankende Nicken, Beugen,
Grüßen. Drollig aber ist's, wenn hinter einem solchen Wagen, der
wirklick Hohes von Geblüt enthält, nun ein Wagen mit Hofdamen
oder Kämmerlingen kommt, und der "liebe Pöbel," getäuscht durch
die Livree der Kutscher und Bedienten, die Zofe dann eben so ehrfurchts¬
voll wie die Herrschaft grüßt. Die Söhne des Prinzen von Preu¬
ßen fuhren wieder mit ihren vier niedlichen Ponnie's, gelenkt von klei¬
nen Jockeys in Sommerjacken, auch Ihre Königl. Hoheit die Frau
Princeß Carl und eine etwa zehnjährige Tochter der in Italien le¬
benden Prinzeß Albrecht glauben wir bemerkt zu haben, außerdem aber
den Kronprinzen von Würtemberg, den Herzog Georg von Mecklen¬
burg, einen Prinzen von Hohenlohe, einen von Bentheim, Fürsten,
Grafen, Barone, bloße Von's (Alles in beiderlei Geschlecht) und or¬
dinäre Bürgerliche. Man sah wenig brillante Equipagen, mehr hübsche
Pferde und Männer, während es an auffallend schönen, jungen Da¬
men ziemlich gänzlich fehlte; aber interessante sah man genug.

Auf dem Rückwege sahen wir drei bis fünf Stück Gensdarmen
in schnellstem Tempo nach dem Orte der Cocsofahrten jagen; wir glaub¬
ten schon, es sollte Jemand vom Corso nach dem zoologischen Garten
oder sonst wohin jenseits des Schaafgrabens verwiesen werden, weil
er vielleicht verstohlener Weise eine Cigarre angeraucht; wir glaubten auf
die babylonische Jda solle gefahndet werden, um sie mit der königl.
preuß. Kricgscorvctte Amazone nach Van Diemensland zu schicken,
wo ein großer Mangel an erfahrenen Damen sein soll. Wir riechen
hin und her, was wohl diese gensdarmische Eile bedeute, -- alles
vergebens, denn wir riechen immer falsch. Tags darauf erfuhren wir


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den, daß der eigentliche Hohe Corsoverein den Sonnabend - Corso
nicht gern emancipirt, weil er von der orientalischen Geldaristokratie
vorzugsweise stark besucht wir. Wozu also Graels-Concert am Sonn¬
abend? Weshalb sollte die Geburtsaristokratie der Geldaristokratie um¬
sonst Eins aufspielen lassen, die mit Figaro singt: „Will einst das
Gräfinn ein Tänzchen wagen, mag er's nur sagen, ich spiele ihm
auf u. s. w." Wie manchem Gräflein mag schon von seinem Ban¬
quier übel auf- und mitgespielt worden sein! — Uebrigens zeichnen
sich unsere Banquier-Equipagen von den aristokratischen Equipagen
keineswegs vortheilhaft aus; sie sind größtentheils höchst mesquin.
Wenn der Wagen gut, selbst elegant ist, so sind die Pferde alt und
struppirt; sind die Pferde gut, so taugt der Wagen nichts; waren aber
selbst Wagen und Pferde anständig, so ist die Livree und das Geschirr
nicht im Einklang, kurz irgendwo guckt Ungeschmack heraus.

Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen fuhr wie gewöhnlich
selbst in einem einfach eleganten Wagen, neben ihm saß seine Ge¬
mahlin, zu unaufhörlichen Grüßen son'ire; wenn doch der „liebe Pö¬
bel" erst begreifen wollte, daß den Hohen Herrschaften nichts langwei¬
liger und lästiger sein kann, als dies ewig dankende Nicken, Beugen,
Grüßen. Drollig aber ist's, wenn hinter einem solchen Wagen, der
wirklick Hohes von Geblüt enthält, nun ein Wagen mit Hofdamen
oder Kämmerlingen kommt, und der „liebe Pöbel," getäuscht durch
die Livree der Kutscher und Bedienten, die Zofe dann eben so ehrfurchts¬
voll wie die Herrschaft grüßt. Die Söhne des Prinzen von Preu¬
ßen fuhren wieder mit ihren vier niedlichen Ponnie's, gelenkt von klei¬
nen Jockeys in Sommerjacken, auch Ihre Königl. Hoheit die Frau
Princeß Carl und eine etwa zehnjährige Tochter der in Italien le¬
benden Prinzeß Albrecht glauben wir bemerkt zu haben, außerdem aber
den Kronprinzen von Würtemberg, den Herzog Georg von Mecklen¬
burg, einen Prinzen von Hohenlohe, einen von Bentheim, Fürsten,
Grafen, Barone, bloße Von's (Alles in beiderlei Geschlecht) und or¬
dinäre Bürgerliche. Man sah wenig brillante Equipagen, mehr hübsche
Pferde und Männer, während es an auffallend schönen, jungen Da¬
men ziemlich gänzlich fehlte; aber interessante sah man genug.

Auf dem Rückwege sahen wir drei bis fünf Stück Gensdarmen
in schnellstem Tempo nach dem Orte der Cocsofahrten jagen; wir glaub¬
ten schon, es sollte Jemand vom Corso nach dem zoologischen Garten
oder sonst wohin jenseits des Schaafgrabens verwiesen werden, weil
er vielleicht verstohlener Weise eine Cigarre angeraucht; wir glaubten auf
die babylonische Jda solle gefahndet werden, um sie mit der königl.
preuß. Kricgscorvctte Amazone nach Van Diemensland zu schicken,
wo ein großer Mangel an erfahrenen Damen sein soll. Wir riechen
hin und her, was wohl diese gensdarmische Eile bedeute, — alles
vergebens, denn wir riechen immer falsch. Tags darauf erfuhren wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/543>, abgerufen am 09.05.2024.