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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Weise eine genügende Entschädigung geboten. Die unvermählte Toch¬
ter des Erzherzogs Carl ist, wie bekannt, Aebtissin in Prag.
"

Das Buch: "Aus der Kaserne macht hier großes Aufsehen und
wird viel gelesen. Obschon sehr nachlässig geschrieben und ohne höhere
Anschauung bietet es gleichwohl eine interessante Galerie sprechend
ähnlicher Bilder aus dem wirklichen Soldatenleben, wie es aber nur
Jemand liefern kann, der selbst darin heimisch gewesen. Mit hogar-
thischem Griffel und dramatischer Lebendigkeit zeichnet er gar frappante
Figuren, denen man die Lebensfähigkeit ansieht und von deren Dasein
man überzeugt ist, ohne sie einmal im Leben wirklich mit leiblichen
Augen erblickt zu haben. Doch darf man zur Ehre der österreichischen
Armee allerdings annehmen, daß die Anzahl der geschilderten Charak¬
tere und Figuren seither sehr abgenommen hat, denn es läßt sich nicht
verkennen, welch gewaltiger Umschwung sich in den militärischen Angele¬
genheiten der Monarchie seit ungefähr zwölf bis fünfzehn Jahren gel¬
tend gemacht, so daß in den Reihen des Heeres so wie der Beamten
und aller übrigen Stände sich recht gut die alte und die neue Zeit¬
schicht finden und nachweisen läßt. Es ist jetzt kein Geheimniß mehr,
daß der Verfasser des genannten Werkes ein erst unlängst in Pre߬
burg verstorbener Artillerielieutenant, Namens Lamplot, ist, der mit
glänzende" Hoffnungen seine Laufbahn begann und zuletzt, in Folge
mannigfacher Lebcnswirren, recht traurig unterging. Anfangs wurde
von Seite der Preßpolizei sehr strenge gegen das Buch verfahren, und
seine Verbreitung auf alle mögliche Weife zu hemmen gesucht. Als
dies nicht gelang und das Werk dennoch seinen Leserkreis fand, so
soll man jetzt höhern Orts den Entschluß gefaßt haben, der Einfuhr
des Buchs kein weiteres Hinderniß entgegen zu setzen, wodurch nament¬
lich die in Betreff des Militärrechnungswesens gemachten Enthüllungen
zu entkräften wären. Das Buch: "Aus der Kaserne" hat, wie zu
erwarten stand, seinen Weg in die Kaserne gesunden, und man erzählt
von förmlichen Lesegesellschaften, die sich unter den Mannschaften bil¬
den, und welche sich durch kleine Soldabzüge den Genuß dieses Bu¬
ches zu verschaffen wissen, das jetzt, wie man hört, in Preußen ver¬
boten worden sein soll.*)



*) Dieses Buch, das sogleich nach seinem Erscheinen eine zweite Auslage
erlebte, ist in letzterer Zeit in einigen Journalen allzu hart und sogar sehr
ungerecht beurtheilt worden. Die Redaction der Grenzboten glaubt zu dieser
ungerechten Beurtheilung ohne ihre Schuld die Veranlassung gegeben zu ha¬
ben, und düll es daher für ihre Pflicht, gegen den mittlerweile verstorbenen
Autor, dessen Name nun kein Geheimniß mehr zu sein braucht, einige Auf¬
schlüsse über dieses Buch zu geben. Das Manuscript desselben wurde vor un¬
gefähr zwei Jahren dem Verleger dieser Blätter zur selbstständigen Heraus¬
gabe, so wie zur Benutzung für die Grenzboten zugesendet. Die Aufzeichnun¬
gen, welche den vollen Stempel der Wahrheit an sich trugen, hatten zwei
verschiedene Bestandtheile. Da sie in humoristischem, derb soldatischem Style

Weise eine genügende Entschädigung geboten. Die unvermählte Toch¬
ter des Erzherzogs Carl ist, wie bekannt, Aebtissin in Prag.
"

Das Buch: „Aus der Kaserne macht hier großes Aufsehen und
wird viel gelesen. Obschon sehr nachlässig geschrieben und ohne höhere
Anschauung bietet es gleichwohl eine interessante Galerie sprechend
ähnlicher Bilder aus dem wirklichen Soldatenleben, wie es aber nur
Jemand liefern kann, der selbst darin heimisch gewesen. Mit hogar-
thischem Griffel und dramatischer Lebendigkeit zeichnet er gar frappante
Figuren, denen man die Lebensfähigkeit ansieht und von deren Dasein
man überzeugt ist, ohne sie einmal im Leben wirklich mit leiblichen
Augen erblickt zu haben. Doch darf man zur Ehre der österreichischen
Armee allerdings annehmen, daß die Anzahl der geschilderten Charak¬
tere und Figuren seither sehr abgenommen hat, denn es läßt sich nicht
verkennen, welch gewaltiger Umschwung sich in den militärischen Angele¬
genheiten der Monarchie seit ungefähr zwölf bis fünfzehn Jahren gel¬
tend gemacht, so daß in den Reihen des Heeres so wie der Beamten
und aller übrigen Stände sich recht gut die alte und die neue Zeit¬
schicht finden und nachweisen läßt. Es ist jetzt kein Geheimniß mehr,
daß der Verfasser des genannten Werkes ein erst unlängst in Pre߬
burg verstorbener Artillerielieutenant, Namens Lamplot, ist, der mit
glänzende» Hoffnungen seine Laufbahn begann und zuletzt, in Folge
mannigfacher Lebcnswirren, recht traurig unterging. Anfangs wurde
von Seite der Preßpolizei sehr strenge gegen das Buch verfahren, und
seine Verbreitung auf alle mögliche Weife zu hemmen gesucht. Als
dies nicht gelang und das Werk dennoch seinen Leserkreis fand, so
soll man jetzt höhern Orts den Entschluß gefaßt haben, der Einfuhr
des Buchs kein weiteres Hinderniß entgegen zu setzen, wodurch nament¬
lich die in Betreff des Militärrechnungswesens gemachten Enthüllungen
zu entkräften wären. Das Buch: „Aus der Kaserne" hat, wie zu
erwarten stand, seinen Weg in die Kaserne gesunden, und man erzählt
von förmlichen Lesegesellschaften, die sich unter den Mannschaften bil¬
den, und welche sich durch kleine Soldabzüge den Genuß dieses Bu¬
ches zu verschaffen wissen, das jetzt, wie man hört, in Preußen ver¬
boten worden sein soll.*)



*) Dieses Buch, das sogleich nach seinem Erscheinen eine zweite Auslage
erlebte, ist in letzterer Zeit in einigen Journalen allzu hart und sogar sehr
ungerecht beurtheilt worden. Die Redaction der Grenzboten glaubt zu dieser
ungerechten Beurtheilung ohne ihre Schuld die Veranlassung gegeben zu ha¬
ben, und düll es daher für ihre Pflicht, gegen den mittlerweile verstorbenen
Autor, dessen Name nun kein Geheimniß mehr zu sein braucht, einige Auf¬
schlüsse über dieses Buch zu geben. Das Manuscript desselben wurde vor un¬
gefähr zwei Jahren dem Verleger dieser Blätter zur selbstständigen Heraus¬
gabe, so wie zur Benutzung für die Grenzboten zugesendet. Die Aufzeichnun¬
gen, welche den vollen Stempel der Wahrheit an sich trugen, hatten zwei
verschiedene Bestandtheile. Da sie in humoristischem, derb soldatischem Style
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[0545] Weise eine genügende Entschädigung geboten. Die unvermählte Toch¬ ter des Erzherzogs Carl ist, wie bekannt, Aebtissin in Prag. " Das Buch: „Aus der Kaserne macht hier großes Aufsehen und wird viel gelesen. Obschon sehr nachlässig geschrieben und ohne höhere Anschauung bietet es gleichwohl eine interessante Galerie sprechend ähnlicher Bilder aus dem wirklichen Soldatenleben, wie es aber nur Jemand liefern kann, der selbst darin heimisch gewesen. Mit hogar- thischem Griffel und dramatischer Lebendigkeit zeichnet er gar frappante Figuren, denen man die Lebensfähigkeit ansieht und von deren Dasein man überzeugt ist, ohne sie einmal im Leben wirklich mit leiblichen Augen erblickt zu haben. Doch darf man zur Ehre der österreichischen Armee allerdings annehmen, daß die Anzahl der geschilderten Charak¬ tere und Figuren seither sehr abgenommen hat, denn es läßt sich nicht verkennen, welch gewaltiger Umschwung sich in den militärischen Angele¬ genheiten der Monarchie seit ungefähr zwölf bis fünfzehn Jahren gel¬ tend gemacht, so daß in den Reihen des Heeres so wie der Beamten und aller übrigen Stände sich recht gut die alte und die neue Zeit¬ schicht finden und nachweisen läßt. Es ist jetzt kein Geheimniß mehr, daß der Verfasser des genannten Werkes ein erst unlängst in Pre߬ burg verstorbener Artillerielieutenant, Namens Lamplot, ist, der mit glänzende» Hoffnungen seine Laufbahn begann und zuletzt, in Folge mannigfacher Lebcnswirren, recht traurig unterging. Anfangs wurde von Seite der Preßpolizei sehr strenge gegen das Buch verfahren, und seine Verbreitung auf alle mögliche Weife zu hemmen gesucht. Als dies nicht gelang und das Werk dennoch seinen Leserkreis fand, so soll man jetzt höhern Orts den Entschluß gefaßt haben, der Einfuhr des Buchs kein weiteres Hinderniß entgegen zu setzen, wodurch nament¬ lich die in Betreff des Militärrechnungswesens gemachten Enthüllungen zu entkräften wären. Das Buch: „Aus der Kaserne" hat, wie zu erwarten stand, seinen Weg in die Kaserne gesunden, und man erzählt von förmlichen Lesegesellschaften, die sich unter den Mannschaften bil¬ den, und welche sich durch kleine Soldabzüge den Genuß dieses Bu¬ ches zu verschaffen wissen, das jetzt, wie man hört, in Preußen ver¬ boten worden sein soll.*) *) Dieses Buch, das sogleich nach seinem Erscheinen eine zweite Auslage erlebte, ist in letzterer Zeit in einigen Journalen allzu hart und sogar sehr ungerecht beurtheilt worden. Die Redaction der Grenzboten glaubt zu dieser ungerechten Beurtheilung ohne ihre Schuld die Veranlassung gegeben zu ha¬ ben, und düll es daher für ihre Pflicht, gegen den mittlerweile verstorbenen Autor, dessen Name nun kein Geheimniß mehr zu sein braucht, einige Auf¬ schlüsse über dieses Buch zu geben. Das Manuscript desselben wurde vor un¬ gefähr zwei Jahren dem Verleger dieser Blätter zur selbstständigen Heraus¬ gabe, so wie zur Benutzung für die Grenzboten zugesendet. Die Aufzeichnun¬ gen, welche den vollen Stempel der Wahrheit an sich trugen, hatten zwei verschiedene Bestandtheile. Da sie in humoristischem, derb soldatischem Style

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/545>, abgerufen am 09.05.2024.