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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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kopf aus dem Wergklumpcn von Rücksichten hervor und quieckte Op¬
position. Theezirkel, wo man sich sonst nur hinter verschlossenen Thü¬
ren versicherte, daß das, was zu arg sei, wirklich zu arg sei, schickten
eine offene Einladung an den Grafen Reichenbach, um an dem Drucke
seiner Hände, welche in denen der badischen Deputirten gelegen hatten,
ihren Oppositionseifer zu erkräftigen. Kurz, ich habe von keinem ein¬
zigen Menschen gehört, daß er den Schild der Loyalität vor diese po¬
lizeiliche Beliebung gehalten hatte. Fragte man nach der Ursache
der Ausweisung, so wußte man nur, wo sie nicht zu suchen sei, näm¬
lich nicht in der Entschließung Sr. Majestät unseres Königs. Wie
könnte man auch glauben, daß ein Monarch, dessen Lebensaufgabe
es zu sein scheint, an dem großen Werke deutscher Einheit und Frei¬
heit ein gut Stück Fundament zu legen, Männer, deutsche Männer
exiliren werde, die nichts anderes verbrochen, als daß sie in der legi¬
timen, auch von Preußen anerkannten badischen Opposition sitzen. Wir
warten mit Ungeduld auf eine nähere Erklärung unseres Gouverne¬
ments; die kann und darf nicht ausbleiben. (?!)

Die Bücherverbote in Preußen scheinen jetzt rasch aus einander
zu folgen. Die Buchhändler, die bis jetzt noch auf kein Amtsge¬
heimniß verpflichtet sind, wissen fast jeden Tag solche alte Neuigkeiten
zu erzählen. Das im Verlage von Friedrich Grunow erschienene Werk:
"Aus der Kaserne" von Steph. Thurm ist neuerdings auch dem Schick¬
sale des vorläufigen Verbotes unterlegen. Das Epitheton bei dem
Worte: "Verbot" ist ein sehr müßiges. Eine Concession kann wohl
aufgehoben werden, ein Verbot niemals. Der Fischersche "Neu¬
jahrsgruß" war auch nur vorläufig verboten. Das Jahr ist halb dahin,
das Vorläufig ist jedoch noch nicht abgelaufen.

Gegen Wand er in Hirschberg ist nun auch die Eriminalunter-
suchung eingeleitet worden und zwar auf Grund des Paragraphen,
welcher vom frechen Tadel und der Aufreizung zur Unzufriedenheit
gegen die Regierung handelt. In dieses schöne, paradiesische Hirsch-
berger Thal scheint sich neuerdings eine Atmosphäre niedergelassen zu
haben, w.lebe ganz gegen den §. 151. zu stimmen geeignet scheint.
Man müßte einmal die Lust untersuchen.

Unsere Stadtverordneten sind auf einen sehr guten Gedanken ge¬
kommen. In Rücksicht darauf, daß die vielen in den Vorstädten ge¬
legenen Kirchhöfe die Bauunternehmungen hindern und auch für die
bereits stark bewohnte Umgebung wegen der Ausdünstungen nachtheilig
werden könnten, haben sie beschlossen, außerhalb alles Verkehrs einen
gemeinsamen, für Katholiken, Protestanten, Juden, Heiden und Tür¬
ken bestimmten Begräbnißplatz einzurichten. Sie wollen wenigstens bei
den Todten keine intolerante Separation.

Der Breslauer Wollmarkt hat aufgehört, ehe er angefangen. Es
wurde nämlich so gut gezahlt, daß der größte Theil der Anführer gar


Grenjl'öde" 1841". II. 7l>

kopf aus dem Wergklumpcn von Rücksichten hervor und quieckte Op¬
position. Theezirkel, wo man sich sonst nur hinter verschlossenen Thü¬
ren versicherte, daß das, was zu arg sei, wirklich zu arg sei, schickten
eine offene Einladung an den Grafen Reichenbach, um an dem Drucke
seiner Hände, welche in denen der badischen Deputirten gelegen hatten,
ihren Oppositionseifer zu erkräftigen. Kurz, ich habe von keinem ein¬
zigen Menschen gehört, daß er den Schild der Loyalität vor diese po¬
lizeiliche Beliebung gehalten hatte. Fragte man nach der Ursache
der Ausweisung, so wußte man nur, wo sie nicht zu suchen sei, näm¬
lich nicht in der Entschließung Sr. Majestät unseres Königs. Wie
könnte man auch glauben, daß ein Monarch, dessen Lebensaufgabe
es zu sein scheint, an dem großen Werke deutscher Einheit und Frei¬
heit ein gut Stück Fundament zu legen, Männer, deutsche Männer
exiliren werde, die nichts anderes verbrochen, als daß sie in der legi¬
timen, auch von Preußen anerkannten badischen Opposition sitzen. Wir
warten mit Ungeduld auf eine nähere Erklärung unseres Gouverne¬
ments; die kann und darf nicht ausbleiben. (?!)

Die Bücherverbote in Preußen scheinen jetzt rasch aus einander
zu folgen. Die Buchhändler, die bis jetzt noch auf kein Amtsge¬
heimniß verpflichtet sind, wissen fast jeden Tag solche alte Neuigkeiten
zu erzählen. Das im Verlage von Friedrich Grunow erschienene Werk:
„Aus der Kaserne" von Steph. Thurm ist neuerdings auch dem Schick¬
sale des vorläufigen Verbotes unterlegen. Das Epitheton bei dem
Worte: „Verbot" ist ein sehr müßiges. Eine Concession kann wohl
aufgehoben werden, ein Verbot niemals. Der Fischersche „Neu¬
jahrsgruß" war auch nur vorläufig verboten. Das Jahr ist halb dahin,
das Vorläufig ist jedoch noch nicht abgelaufen.

Gegen Wand er in Hirschberg ist nun auch die Eriminalunter-
suchung eingeleitet worden und zwar auf Grund des Paragraphen,
welcher vom frechen Tadel und der Aufreizung zur Unzufriedenheit
gegen die Regierung handelt. In dieses schöne, paradiesische Hirsch-
berger Thal scheint sich neuerdings eine Atmosphäre niedergelassen zu
haben, w.lebe ganz gegen den §. 151. zu stimmen geeignet scheint.
Man müßte einmal die Lust untersuchen.

Unsere Stadtverordneten sind auf einen sehr guten Gedanken ge¬
kommen. In Rücksicht darauf, daß die vielen in den Vorstädten ge¬
legenen Kirchhöfe die Bauunternehmungen hindern und auch für die
bereits stark bewohnte Umgebung wegen der Ausdünstungen nachtheilig
werden könnten, haben sie beschlossen, außerhalb alles Verkehrs einen
gemeinsamen, für Katholiken, Protestanten, Juden, Heiden und Tür¬
ken bestimmten Begräbnißplatz einzurichten. Sie wollen wenigstens bei
den Todten keine intolerante Separation.

Der Breslauer Wollmarkt hat aufgehört, ehe er angefangen. Es
wurde nämlich so gut gezahlt, daß der größte Theil der Anführer gar


Grenjl'öde» 1841». II. 7l>
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/549>, abgerufen am 08.05.2024.